29.1.2018 - Badische Zeitung

Die dunklen Facetten der Institution Kirche beleuchtet

Thema Zölibat in der Oberkircher Mediathek / Veranstalter: In der Stadt gab es Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester .

OBERKIRCH. Es ist kein Thema gewesen, dass so recht zur Fasnachtszeit passen wollte. Dennoch lockte die Podiumsdiskussion "Der Zölibat und die Kinder" am Freitag knapp 100 Interessierte in die Mediathek Oberkirch. Dazu eingeladen hatten das Autorennetzwerk Ortenau-Elsass und der Förderverein der Mediathek.

Das Podium 
Karin Jäckel, Autorin und Vorsitzende des Autorennetzwerks, hatte eingeladen: Gisela Forster, eine Befürworterin des Frauenpriestertums und verheiratete Priesterfrau, die Psychologin Ursula Neumann, Theologin und Frau eines verstorbenen katholischen Priesters, Angelika Haist von der Hilfsorganisation "Weißer Ring", der Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs zur Seite steht, der frühere Priester Helmut Gall, der sich für das Leben mit seiner Familie entschieden hat, sowie der Acherner Autor Klaus Huber, der eine Petition für die Abschaffung des Zölibats ins Leben gerufen hat. Außerdem: Manuela Wicke – die Aachenerin ist Tochter eines Priesters. Ein Vertreter der Kirche fehlt. Der Oberkircher Pfarrer Lukas Wehrle sei eingeladen worden, so Jäckel. Allerdings sei eine Reaktion ausgeblieben.

Der Ort
Oberkirch hat Jäckel bewusst gewählt: "Es gab hier zwei katholische Priester, die Kinder sexuell missbraucht haben." Mit einer Betroffenen hat sie das Buch "Er war ein Mann Gottes" geschrieben, aus dem sie eine Passage liest. Das Opfer habe sich an den "Weißen Ring" gewandt, mit dessen Hilfe es eine Entschädigung erhalten habe.

Die Themen
In zwei Abschnitte geteilt befasst sich der Abend mit den Folgen des Zölibats, dem Zwang zur Ehelosigkeit unter katholischen Priestern. Zunächst steht der sexuelle Missbrauch im Fokus. Im zweiten Teil geht es um eine andere Konsequenz des Zölibats: Priesterkinder. Die "dunklen Facetten einer Institution, die unser Leben prägt und es weiter tun wird" gehen laut Jäckel darauf zurück, dass die Kirche den Geistlichen verbiete "eine erfüllte Sexualität zu leben".

Missbrauch
"Das Schlimmste ist, dass die Bedürftigkeit der Kinder ausgenutzt wird", sagt Ursula Neumann. Zumeist seien die Opfer unsichere Kinder. Die Scham wiederum lasse die Opfer schweigen. Wie schlimm der Missbrauch für die Opfer ist, berichtet Gisela Forster. Ihr späterer Mann sei mit zehn Jahren in einem katholischen Internat missbraucht worden. "Letztlich sind die verantwortlichen Mönche verurteilt worden." Die Narben habe er ein Leben lang mit sich getragen, sei zum Alkoholkranken geworden – und beinahe selbst ins gleiche Muster gefallen, indem er pädophile Neigungen aufgebaut habe und in den Orden eingetreten sei. Der Grund für die Übergriffe, so Forster, liege im Zölibat. Karin Jäckel weist darauf hin, dass es sich nicht um Einzelfälle handeln könne: Allein in den letzten beiden Jahren unter Papst Benedikt XVI. seien 400 pädophile Priester entlassen worden.

Priester und Familie
Schwer fällt es Manuela Wicke nach der Pause sich zu äußern. Sie ist die Tochter eines Priesters, der sich für die Familie entschieden hatte – und seine Berufung aufgab. "Es war ein Leben in Zerrissenheit. Mein Vater ist an den zwei Leben kaputtgegangen", sagt sie. Ihr Vater sei oft weg gewesen, habe das Leben mit der Familie nicht hinbekommen, habe angefangen zu trinken. Die Kirche habe ihn fallengelassen. "Ich empfinde einen Hass auf die Kirche", sagt die junge Frau.

Einer, der den Schritt gegangen ist und seit 44 Jahren glücklich verheiratet ist, ist der frühere Priester Helmut Gall. Sein Aufruf an die Kirche: "Stellt es den Leuten doch frei, ob sie heiraten oder nicht!"

Gegenbewegung
Klaus Huber setzt sich für ein Ende des Pflichtzölibats ein. "Unsere Petition haben mehr als 4000 Menschen unterschrieben." Die Ernüchterung: Die Bemühungen seien "abgebügelt" worden. Mut gebe ihm der Einsatz der Organisation "Wir sind Kirche", die auf ein Ende des Pflichtzölibats hinarbeitet. Hubers Wunsch: "Ich will das noch erleben!"

Pessimistischer aus Sicht der Zölibatsgegner ist Ursula Neumann. "Ich wette eine Tafel Schokolade, dass es nicht dazu kommt, wenn überhaupt, dann vielleicht in 100 Jahren", kommentiert sie ironisch. Der Zölibat ist ihr zufolge "ein Machtinstrument der Kirche", dass sie nicht ohne Weiteres aufgeben werde.

Der Gegenpol
Die schweren Gedanken, für die das Thema unweigerlich sorgt, möchte Gerd Birsner aus Rheinau mit Musik "ein bisschen wegpusten". Er begleitet die Veranstaltung auf der Gitarre mit Liedern.

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Zuletzt geƤndert am 29­.01.2018