24.3.2007 - Dresdner Neueste Nachrichten (DNN)

Kirche für die, die Hilfe brauchen

Eva-Maria Kiklas zur Bundesversammlung der katholischen Reformbewegung "Wir sind Kirche" in Dresden

Mitglieder der katholischen Reformbewegung "Wir sind Kirche" treffen sich an diesem Wochenende zum ersten Mal in der evangelischen Versöhnungskirche in Dresden-Striesen zu ihrer Bundesversammlung. Die 69-jährige Dresdnerin Eva-Maria Kiklas engagiert sich seit Jahren in dieser Initiative. Tomas Gärtner sprach mit ihr.

Frage: Welche Ziele verfolgt die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche"?

Eva-Maria Kiklas: Entstanden ist sie 1995 aus dem Kirchen-Volks-Begehren in Österreich. Wir haben in Deutschland ebenfalls eine Befragung gestartet. 1,8 Millionen Menschen haben die fünf Forderungen unterschrieben: Geschwisterlichkeit, also demokratische Strukturen, Gleichberechtigung von Frauen, Freiwilligkeit des Zölibates, positive Einstellung zur Sexualität, Verkündigung des Evangeliums als Frohbotschaft statt Drohbotschaft. Inzwischen ist eine internationale Bewegung daraus geworden. Im Sinne dieser fünf Forderungen wollen wir Strukturen in der katholischen Kirche ändern, die wir für nicht mehr zeitgemäß halten. Außerdem sehen wir die ökumenische Zusammenarbeit mit Kirchen anderer Konfessionen als Aufgabe.

Frage: Wie viele Mitglieder gibt es in Sachsen?

Kiklas: Wir sind 15. Eines unserer Mitglieder sitzt im Diözesanrat, dem obersten Laiengremium des Bistums.

Frage: Warum ist diesmal Dresden Veranstaltungsort?

Kiklas: Wir haben zum zweiten Mal nach 2005 in Erfurt einen Ort im Osten Deutschlands gewählt. Wichtig ist, dass auch die Befindlichkeiten der Katholiken im Osten Deutschlands mit in die Überlegungen hineingenommen werden. Auch das Thema ist diesmal bewusst auf den Osten zugeschnitten.

Frage: Warum ist die evangelische Versöhnungskirche Ort für ein Treffen einer katholischen Reformbewegung?

Kiklas: Hier hat 1994 bereits der "Katholikentag von unten" stattgefunden. Die Kirche ist mit ihren Räumen sehr geeignet. Außerdem setzen wir damit auch ein Zeichen der Ökumene.

Frage: Weshalb haben Sie dieses Thema gewählt: "Gott begegnen vor den Kirchentüren - Geschwisterlichkeit mit Nichtglaubenden"?

Kiklas: Was eigentlich die Aufgabe von Kirche ist - Dienst am Nächsten, ungeachtet der Konfession und Kirchenzugehörigkeit - haben die Menschen hier in Dresden zum Beispiel, auch Nichtchristen, schon seit Jahrzehnten geschätzt. Wir haben einen Erfahrungsvorsprung: Das, was bei uns schon seit 40 Jahren erfahrbar gewesen ist, das Zusammenleben mit Nichtchristen, ist eine Situation, auf die der Westen Deutschlands auch zugeht. Zunehmende Säkularisierung, Schwund der Mitgliederzahlen der Kirche werden auch dort spürbar.

Frage: Weshalb, denken Sie, gehen Menschen auf Distanz zur katholischen Kirche?

Kiklas: Weil sie nicht mehr die Antworten gibt auf die Fragen, die Menschen jetzt stellen. Zum Beispiel die wiederverheirateten Geschiedenen. Von Rom kommt das Verbot für sie, gemeinsam zum Abendmahl zu gehen, anstatt Menschen, die in der Kirche bleiben wollen, Gewissensfreiheit zuzuerkennen. Das entfremdet viele. Dass Frauen nach wie vor von der Priesterweihe ausgeschlossen sind, ist niemandem mehr zu vermitteln. Statt Öffnung wird Abgrenzung praktiziert, beispielsweise wird empfohlen, wieder die lateinische Sprache im Gottesdienst zu verwenden.

Frage: Worüber wollen Sie in Dresden diskutieren?

Kiklas: Bei einer Diskussion am Sonnabend Vormittag sitzen Vertreterinnen und Vertreter der Schwangerschafts-Konfliktberatung "Donum Vitae", der ökumenischen Telefonseelsorge und der Hospizarbeit aus Dresden auf dem Podium. Dort finden ständig Begegnungen mit Nichtchristen statt. Am Anfang des Lebens, in der Mitte und am Ende steht Kirche dort an der Seite von Menschen, die in großer Not sind. In der Begegnung können wir als Kirche auch von Nichtchristen lernen. Man begegnet dort oft einer überraschenden Spiritualität und Menschlichkeit. Wir wollen gemeinsam überlegen: Was erwarten auch Nichtchristen von der katholischen Kirche? Und wir wollen auch darüber reden, was die katholische Kirche ändern müsste, damit sie Menschen in diesen Hilfsangeboten Begegnung mit Kirche ermöglicht und so auch ein Stück des Reiches Gottes erspüren lässt. Wir wollen nach unserer Aufgabe als Reformbewegung dabei fragen und nach der konkreten Umsetzung in den Gemeinden. Damit sich Gemeinden aus ihrem kleinbürgerlichen Ghetto heraswagen.

Frage: Sehen Sie hier Defizite?

Kiklas: Unsere Kirche ist eine Mittelstandskirche geworden. Arme, Obdachlose, die, die auch unsere Nächsten sein müssten, finden wir in der Kirche nicht. Der Dienst am Nächsten beschränkt sich oft auf die Sammlungen für die Caritas. Kirche muss aber denen dienen, die Hilfe brauchen. Wir müssen wieder einen Blick dafür bekommen, dass wir auch für diese Menschen da sind.

Bundesversammlung

Ort: evangelisch-lutherische Versöhnungskirche Dresden-Striesen, Schandauer Straße / Ecke Dornblüthstraße
Programm: Sonnabend, 24. März, 9 Uhr: Öffentliche Diskussion zum Thema des Bundestreffens "Gott begegnen vor den Kirchentüren - Geschwisterlichkeit mit Nichtglaubenden",
auf dem Podium:
Cornelia Schmidt, Schwangerschaftskonfliktberaterin bei Donum Vitae in Dresden, Eckart König, Leiter der ökumenischen Telefonseelsorge in Dresden, und Dr. Barbara Schubert, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Hospizdienst des Landes Sachsen und Oberärztin auf der Palliativstation des Krankenhauses St. Josephstift;
19.30 Uhr: Kabarettabend "Und vergib uns unseren Kult" mit der Dresdner Laien-Gruppe "Die Dekana(h)tlosen";
Sonntag, 25. März, 12 Uhr: Gottesdienst zum "Weltgebetstag für Frauenordination" auf dem Schloßplatz vor der Kathedrale (ehemalige Katholische Hofkirche)
Informationen: Tel. 08131 / 260250 oder 0351 / 3103344.
Im Internet: www.wir-sind-kirche.de


Zuletzt geändert am 26­.03.2007