13.3.2018 - Deutschlandradio Kultur (7:10)

Fünf Jahre Papst"Franziskus hat sehr viel angestoßen"

Christian Weisner im Gespräch mit Dieter Kassel

Papst Franziskus habe den Reformmotor in der katholischen Kirche wieder angeworfen, glaubt Christian Weisner von "Wir sind Kirche". Allerdings habe diese die "diffizilste Strecke" noch vor sich - was die Rolle der Frauen angehe oder die Anerkennung der Homosexualität.

Dieter Kassel: Heute Morgen, am ziemlich frühen Morgen – Sie haben da vielleicht noch geschlafen – haben wir schon gehört, dass die Argentinier von ihrem Papst inzwischen enttäuscht sind, weil nämlich Papst Franziskus seit fünf Jahren – am 13. März 2013 wurde er gewählt –, seit fünf Jahren keinen Fuß mehr auf argentinischen Boden gesetzt hat. Das ist nun ein sehr spezifischer Grund für eben die argentinischen Katholiken mit dem Papst ein wenig unzufrieden zu sein. Der Rest der Welt stellt sich natürlich ganz andere Fragen, wenn es darum geht, wie die ersten fünf Jahre Franziskus nun eigentlich zu bewerten sind, und einige dieser Fragen wollen wir jetzt Christian Weisner stellen. Er ist eines der sechs Mitglieder des Bundesteams von "Wir sind Kirche". Schönen guten Morgen, Herr Weisner!

Christian Weisner: Guten Morgen!

Kassel: Welcher Aussage würden Sie eher zustimmen nach diesen ersten fünf Jahren? Hat Franziskus das Amt verändert, oder hat eher dieses Amt ihn verändert?

"Ein neues Bild, was eigentlich das Papstamt leisten kann"

Weisner: Ganz eindeutig hat er das Amt verändert aber man muss dazu auch sagen, dass Papst Benedikt, der ja zuvor acht Jahre Papst war, dass er durch seinen Rücktritt im Jahre 2013, dass er erst mal wieder dieses Amt verändert hat, entmachtet hat, diese Ein-Papst-auf-Lebenszeit, Papst Benedikt war nicht mehr in der Lage, wirklich diese ganzen Krisen zu handeln, und er hat das verändert, aber Franziskus füllt es jetzt in einer neuen Weise aus. Er gibt uns ein neues Bild, was eigentlich Papstamt, der Bischof von Rom, für die Weltkirche leisten kann und muss.

Kassel: Gerade wenn Sie sagen, er gibt uns ein neues Bild – wie viel davon ist wirklich nur Bild, wirklich nur äußerer Schein? Er ist ein sehr bescheidener Mann, er hat durchaus das Papsttum wieder ein bisschen volksnaher gemacht. Das stimmt sicherlich, aber was hat er wirklich verändert?

 Weisner: In der katholischen Kirche spielen ja die Symbole, die Liturgien eine große Rolle. Insofern ist das schon ein ganz wichtiger Part. Er hat sicher noch nicht das Kirchenrecht im Großen oder die Dogmatik im Großen verändert, aber das wäre auch nicht möglich gewesen. Wenn man sich vorstellt, 35 Jahre haben wir vorher Johannes Paul II. und Papst Benedikt als zwei doch sehr konservative Päpste gehabt, die den großen Aufbruch des Reformkonzil der katholischen Kirche vor gut 50 Jahren in vielem leider wieder zurückgedrängt haben, und wenn ein Motor, ich sage mal, festgefressen ist oder so rückwärts gedreht ist, dann dauert es natürlich schon eine Zeit, ihn wieder in den Vorwärtsgang zu bringen, und das tut Papst Franziskus in beispielhaft guter Art.

Da spielen die Zeichen eine Rolle, da spielen die Impulse eine Rolle, die Ermutigung. Er ist ja, wenn man das mit der Politik vergleichen kann, er ist ja Innenpolitiker und Außenpolitiker zugleich. Also er versucht, die Probleme der sexualisierten Gewalt in der katholischen Kirche aufzuarbeiten. Er versucht, diese übertriebene Sexualmoral, dass die katholische Kirche wirklich so sexualfixiert ist, das wieder in das richtige Maß zu bringen. Und auf der anderen Seite hat er, ich denke nur an die Europareden, ja auch europapolitisch, weltpolitisch eine ganz starke Stimme, vor allen Dingen auch in dieser Umwelt- und Sozialenzyklika, wo er wirklich der Menschheit einerseits zeigt, gezeigt hat, wie dramatisch es um unseren Planeten steht, und andererseits aber doch wieder immer Hoffnung für das Engagement bringt. Also die katholische Kirche ist ein Global Player, und er macht uns bewusst, wir können als Menschheit insgesamt nur überleben, wenn wir keine Mauern bauen, wenn wir wirklich gemeinsam handeln.

Kassel: Aber bevor wir mal ihn auch als Außenpolitiker noch ein bisschen besprechen gleich, lassen Sie uns doch mal konkret ein paar Themen erwähnen, zu denen er sich auf relativ spektakuläre Art und Weise geäußert hat, bei denen aber dann doch viele bei der Analyse dessen, was er gesagt hat, feststellen mussten, so sehr weicht das von der Meinung der katholischen Kirche, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, gar nicht ab.

Beispiel wäre der Umgang mit Verhütungsmitteln, mit Geschiedenen, aber zum Beispiel auch mit Homosexualität. Da gab es Äußerungen, die viele Schlagzeilen gemacht haben, und ich habe mir dann von Experten erklären lassen, na ja, er hat das ziemlich speziell formuliert, aber er hat nur das gesagt, was seine Vorgänger auch schon dachten.

Weisner: Ich glaube, das ist nicht so, sondern er macht ja bestimmte Aussagen, die manche Leute eigentlich für zu flapsig halten. Er hat aber in diesen Bereichen, auch in diesen sensiblen Bereichen hat er erst mal wieder ein Nachdenken, eine Debatte angestoßen, und das große Problem ist, dass er da die Bischöfe in der ganzen Welt, die Kardinäle, auch die Bischöfe, die bei den beiden Familiensynoden 2014, 2015 in Rom, dass die nicht mitgegangen sind …

"Er hat aber vielleicht zu wenige gute Mitarbeiter"

Also Beispiel Homosexualität: Wenn afrikanische Bischöfe und Kardinale leugnen, dass es Homosexualität überhaupt in Afrika gibt, dann ist das natürlich schwierig, dann das zu vergleichen mit der Einschätzung von Homosexualität, die wir hier sie auf der nördlichen Halbkugel, in Europa, in Amerika haben, und dieses alles miteinander im Lot zu halten, das ist natürlich eine ganz große schwierige Aufgabe, aber Papst Franziskus, denke ich, hat erst mal da diese Fenster und Türen geöffnet, und jetzt ist es die Sache der Bischöfe in den einzelnen Ländern da weiter voranzugehen, und die Initiativen – und das ist das Neue wirklich an diesem Papst –, und die Initiativen sollen von den einzelnen Kulturen ausgehen. Das Christentum soll mit den Kulturen dort verwachsen sein, sich dort dieses Tempo, diese Entwicklung der Menschheitsgeschichte in den einzelnen Kulturen vollziehen und nicht von der Zentrale in Rom, und das ist zum Beispiel ein ganz großer Perspektivenwechsel.

Kassel: Wir versprachen gerade, wir kommen noch mal als Franziskus als vatikanischen Außenminister zurück. Sie haben das ja schon so ein bisschen erwähnt. Wie kriegt er das da hin, diese Balance zwischen klare Position beziehen, aber diplomatisch bleiben? Zum Beispiel bei einer seiner letzten Reisen nach Myanmar und Bangladesch, da hatte man sich vorher regelrecht Sorgen gemacht, er könnte zu provokant auftreten. Nach dieser Reise bekam er dann die Kritik, er sei viel zu vorsichtig gewesen.

Weisner: Ja, das ist natürlich, wenn man schaut, dass also nicht nur die 1,2 Milliarden Katholiken und Katholikinnen, sondern die ganze Welt draufschaut auf jede Blickrichtung, auf jeden Schritt, auf jedes Wort, auf jede Betonung, auf jede kleine Pause nach einem Halbsatz, kann man eigentlich nur Fehler machen. Und wenn ich da zurückdenke, hat Papst Franziskus in diesen fünf Jahren sehr, sehr viel geleistet, sehr, sehr viel angestoßen. Ich denke, er ist sehr gut vernetzt, er hat aber vielleicht zu wenige gute Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen, Berater. Und das ist, glaube ich, noch mal ein Punkt – das darf ich auch selber ansprechen –, diese Frage der Frauen in der römisch-katholischen Kirche. Das ist, glaube ich, die diffizilste Strecke, die noch vor uns liegt.

Und da kann die katholische Kirche, die nun die Frauen von allen Weiheämtern ausschließt, da muss sie sich auch in dieser Richtung bewegen, aber ich denke, wenn Papst Franziskus da zu weit gehen würde – und das ist, glaube ich, gerade dieses Ausbalancieren, was er insgesamt meiner Ansicht nach doch sehr gut macht –, wenn er zu weit gehen würde, dann gäbe es wirklich eine offensichtliche Kirchenspaltung, und das, denke ich, will keiner in einer Zeit, wo die großen Weltorganisationen – ich denke an die Vereinten Nationen, an den Sicherheitsrat –, auch hier in Europa die Institutionen, wo die alle schwächeln, ist es doch sehr wichtig und gut, dass wir überhaupt noch eine moralische Stimme in der Welt haben, die auf die Notlagen, gerade die Notlagen der armen Menschen, der Frauen, aufmerksam macht. Insofern wünschen wir uns und fordern wir, dass die Bischöfe und Kardinäle und das ganze Kirchenvolk, was sehr auf der Seite von Papst Franziskus steht, dass die ihn noch viel mehr unterstützen, als sie das bisher getan haben.

Kassel: Christian Weisner, Mitglied des Bundesteams von "Wir sind Kirche" über die ersten fünf Jahre Papst Franziskus. Herr Weisner, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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Zuletzt geändert am 13­.03.2018