12.3.2018 - Südwestpresse

Interview "Fenster geöffnet"

Papst Franziskus hat den Motor der katholischen Kirche in Gang gebracht. Das sagt Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung „Wir sind Kirche“.

Wie beurteilt Sie das Wirken von Papst Franziskus. Hat er die katholische Kirche vorangebracht?
Christian Weisner:
Auf jeden Fall. Man muss das auch in Beziehung zu den 35 Jahren der Vorgänger- Päpste setzen, wo vieles, was das Zweite Vatikanische Konzil angestoßen hatte, brach lag. Franziskus hat das Konzil zu neuem Leben erweckt: in der Ökumene, der Zuwendung der Kirche zur Welt. Da hat er viel mehr erreicht, als zu erwarten war. Vor allen hat er einen Mentalitätswechsel angestoßen. Von der starken Fixierung der Kirche auf Fragen der Sexualmoral zum Eigentlichen des Christentums: die Beziehung zu Gott, zu Fragen der Gerechtigkeit und Solidarität.

Franziskus ist stark in Gesten, unterlässt aber kirchenrechtliche Fixierungen. Ein Fehler?
Papst Franziskus reizt das aus, was möglich ist. Er öffnet Fenster, die von den Vorgängerpäpsten geschlossen worden sind. Was darüber hinausgeht, würde vermutlich zu einer Kirchenspaltung führen. Doch ermutigt er Ortskirchen, voranzugehen. Zum Beispiel bei der Zulassung Wiederverheirateter zur Kommunion. Doch einen Motor in Gang zu setzen, der jahrzehntelang stillgestanden hat, ist schwierig. In diesem Prozess sind wir.

Franziskus will eine „Kirche der Armen“. Hat diese deutschen Wohlstandschristen etwas zu sagen?
Dass die Kirche wegen des Evangeliums auf Privilegien zu verzichten hat, ist für uns sicher eine neue Botschaft. Das stößt auf Widerstand. Reiche merken, dass die Botschaft des Papstes politische Konsequenzen haben muss.

Hat Sie Franziskus auch enttäuscht?
Ganz wenig. Was ihm angekreidet wird, sind die harten Ansprachen an die römische Kurie zu Weihnachten. So motiviert man seine Leute nicht, aber es scheint wirklich notwendig zu sein.

Nutzt die deutsche Ortskirche die neuen Spielräume?
Zu wenig. Beispiel Homosexualität. Eine Reihe von Bischöfen, auch der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst, verweigert da Dialog. Sie wollen sich erst gar nicht auf den Weg machen. Auch die Zulassung konfessionsverschiedener Paare zur Kommunion kommt nur mühsam voran. Die Handreichung fehlt noch immer.

Wo sollte Franziskus ansetzen?
Bei der Einbindung der Laien und der Frauen.

Christian Weisner ist Sprecher von „Wir sind Kirche“.

 

Zuletzt geändert am 13­.03.2018