13.7.2018 - Stuttgarter Zeitung

Bistum erlaubt ökumenischen Ehepaaren Abendmahl

Reform Bischof Gebhard Fürst will die Orientierungshilfe umsetzen. Die Kirchenreformer
applaudieren. Michael Trauthig

Die Mühlen in der römisch-katholischen Kirche mahlen langsam, aber sie bewegen sich doch. Vor mehr als sechs Jahren hatte der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst in einem Interview mit dieser Zeitung angekündigt, dass er das Thema der konfessionsverbindenden Ehepaare auf die Tagesordnung der Bischofskonferenz setzen und dafür sorgen werde, dass die Dinge vorankommen. Denn schon damals litten fromme Katholiken, die mit einem evangelischen Ehepartner verheiratet waren, darunter, dass sie offiziell nicht gemeinsam zur Eucharistie gehen durften. Nun ändern sich die Regeln tatsächlich.

Fürst empfiehlt jetzt in einem Schreiben an die Seelsorger in seinem Bistum, die Orientierungshilfe der Deutschen Bischofskonferenz dazu anzuwenden. Dieses von Konservativen heftig angegriffene Papier sieht vor, dass nichtkatholische Ehepartner in Einzelfällen die Kommunion empfangen dürfen. Vorausgesetzt, sie haben zuvor mit einem Seelsorger darüber gesprochen, und sie haben ihr Gewissen eingehend geprüft. Der Rottenburger Diözesanchef öffnet so einen Weg für die betroffenen Familien. Er spielt allerdings nicht den Vorreiter. Zuvor hatten unter anderem schon die Erzbistümer Hamburg und Paderborn angekündigt, die Orientierungshilfe anzuwenden. Sein Zögern begründet Fürst damit, dass er noch auf eine einheitliche Lösung gehofft habe. „Meine Diözese hat eine lange Grenze mit dem Bistum Augsburg, wo die Orientierungshilfe nicht umgesetzt wird“, sagt Fürst. Nun könne es quasi zu einer Art Eucharistietourismus über die Grenze hinweg kommen.

Denn das Thema entzweit die Deutsche Bischofskonferenz. Erst hatte sie mit einer Dreiviertelmehrheit im Februar das Dokument als Handreichung beschlossen. Dann hatten sieben Bischöfe dagegen beim Papst Einspruch erhoben. Sie waren erst offenbar abgeblitzt und hatten dann aber anscheinend Erfolg, weil die Glaubenskongregation eine Veröffentlichung der Handreichung untersagte. Anschließend verständigte sich jedoch der Vorsitzende der Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx mit Papst Franziskus: Der Text sollte nur als Orientierungshilfe und nicht als verbindliches Dokument veröffentlicht werden.

Damit liegt die Verantwortung nun bei jedem Einzelnen der 27 Diözesanchefs in Deutschland. Fürst wiederum hat sich schon lange für eine Reform eingesetzt. Denn im Bistum Rottenburg-Stuttgart sind die beiden großen christlichen Konfession in etwa gleich stark. So werden rund 45 Prozent aller
Ehen in der Diözese zwischen katholischen und evangelischen Partnern geschlossen, weshalb das Problem hier drängender ist als in erzkatholischen Gebieten. Für Fürst war deshalb klar, dass er dem konservativen Widerstand im Episkopat trotzt. „Ich lasse mich von den sieben nicht blockieren“, sagt der Theologe.

Er heimst dafür Applaus von den Kirchenreformern ein. „Natürlich geht dieser Schritt in die richtige Richtung“, sagt Christian Weisner von „Wir sind Kirche“. Allerdings richte die Uneinigkeit unter den Bischöfen großen Schaden an. „Uns droht ein ökumenischer Flickenteppich.“ Zumindest im Südwesten soll es diesen nicht geben.

Fürst ist überzeugt, dass im Erzbistum Freiburg und im Bistum Mainz so verfahren werde wie in Rottenburg-Stuttgart. Und er sucht sogar mit den evangelischen Amtsbrüdern den Dialog beim Thema Abendmahl. Im Herbst wollen die vier Bischöfe der großen Kirchen Baden-Württembergs
dazu in Klausur gehen.

 

Kommentar: Überfällig

Kirche Die mühsame Reform beim Abendmahl zeigt die Zerrissenheit der katholischen Kirche.
Michael Trauthig

Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für die Kirche. So lässt sich die Reform bei der Eucharistie, die nun im Bistum Rottenburg gelten soll, beschreiben. Einerseits wird sich wohl an der Basis kaum etwas ändern, denn der gemeinsame Gang zur Eucharistie von katholischen und
evangelischen Ehepartnern war sowieso in den Gemeinden schon gang und gäbe. Andererseits erhält diese Übung nun insofern den überfälligen offiziellen Segen, als den Betroffenen auch amtlich ein Weg zum gemeinsamen Abendmahl bei den Katholiken eröffnet wird. Für viele Ehepaare ist dies eine große Erleichterung.

So weit, so gut. Doch die Neuerung ist nicht nur eine Minireform, sie spaltet auch noch die katholische Kirche in Deutschland. Was in Rottenburg möglich sein soll, bleibt zum Beispiel in der Regel in Augsburg tabu. Und in Bamberg erlegt der dortige Oberhirte evangelischen Partnern gar so
viele Bedingungen für den Abendmahlsempfang auf, dass sie gleich katholisch werden müssten, um zur Eucharistie zu gehen. Diese Uneinheitlichkeit zeigt, wie tief der Riss im Episkopat ist, wie heftig die Kämpfe sind, die um den Kurs der katholischen Kirche ausgetragen werden. Dabei steht auch Papst Franziskus unter dem Druck der Traditionalisten. Ob es mit der von ihm gewollten Öffnung noch lange weitergeht, ist deshalb ungewisser denn je.

Zuletzt geändert am 13­.07.2018