August 2018 – „Kirche In“ (Kolumne „Wir sind Kirche Deutschland“)

Den Ball der „68er“ aufnehmen!

von Christian Weisner

Ein Schock mitten im Hochsommer des Jahres 1968, unter dessen Folgen wir noch heute leiden: Am 25. Juli 1968 verkündete Papst Paul VI. die Enzyklika „Humanae vitae“. Das darin ausgesprochene Verbot jeder künstlichen Empfängnisverhütung war gegen das Votum des ursprünglichen Beratergremiums zustande gekommen. Maßgeblich beeinflusste hatte dieses Verbot der Moraltheologe und damalige Krakauer Erzbischof Karol Wojtyła, der spätere Papst Johannes Paul II.

Die Königsteiner Erklärung der deutschen Bischofskonferenz vom 30. August 1968 (in Österreich die Mariatroster Erklärung, in der Schweiz die Solothurner Erklärung), die zu Recht den Vorrang des Gewissens vor päpstlichen Erklärungen hervorhob, konnte die Proteste auf dem Essener Katholikentag nicht verhindern. „Hengsbach, wir kommen, wir sind die linken Frommen" skandierten „kritische Katholiken“ Anfang September 1968 in Essen.

Hans Küng war es dann, der bereits 1970 als erster die berechtigte Frage nach der Unfehlbarkeit stellte, nachdem ihm bei dieser Enzyklika klar geworden war, welch totalitäre Rolle die Unfehlbarkeitsdoktrin spielt. Erst kürzlich argumentierte der ehemalige Glaubenspräfekt Kardinal Müller, der jetzige Papst habe nicht die Macht, das kirchliche Verbot künstlicher Verhütungsmittel aufzuheben oder zu lockern. Auch angesichts der vielfachen Versuche Roms bis in die jüngste Zeit, die Unmöglichkeit der Frauenordination als unfehlbar zu klassifizieren, ist die Unfehlbarkeitsfrage aktueller denn je. Dieses Dogma verhindert jede grundlegende Kirchenreform. Es gehört endlich auf den Prüfstand, die Kritik daran muss zum ceterum censeo aller Reformbemühungen werden.

Mit den „68ern“ in der katholischen Kirche beschäftigte sich vor Kurzem eine Tagung der Akademie „Die Wolfsburg“ im Bistum Essen, an der auch Wir sind Kirche mitwirkte. „Gut, dass wir von den 68ern auf den richtigen Weg gebracht worden sind“, erklärte dort die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Claudia Lücking-Michel. 50 Jahre nach den Umbrüchen der kirchlichen „68er“ müsse die Kirche „den Ball der 68er aufnehmen“ und sich endlich dringender Themen wie „Frauen“, „Demokratisierung und Mitbeteiligung“ sowie „synodale Strukturen“ annehmen, um zukunftsfähig zu sein. Zumindest in den kirchlichen Reformgruppen ist dieser Aufbruchsgeist bis heute präsent. Und jetzt ist es die Verpflichtung der „Generation Konzil“, diesen Geist weiterzugeben.

Zuletzt geändert am 29­.08.2018