26.9.2018 - Donau-Kurier

"Beschämend für alle in der katholischen Kirche"

Ingolstadt/Regensburg (DK) Die gestern vorgestellte Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland spiegelt auch die Lage in den bayerischen Bistümern wider.
 
Die Diözese Regensburg zum Beispiel geriet in die Schlagzeilen wegen zahlreicher Fälle bei den berühmten Domspatzen. "Die Zahlen sind bedrückend und müssen jeden beschämen, der zur katholischen Kirche gehört", sagte Clemens Neck, der Sprecher des Bistums, gestern bei einer Pressekonferenz.

Er stellte gemeinsam mit Generalvikar Michael Fuchs und der Präventionsbeauftragten Judith Helmig vor, welche Daten vom Bistum Regensburg an die Studienautoren gingen. 159 Opfer waren in der Diözese laut der Akten von 1945 bis 2015 von sexuellem Missbrauch betroffen, gut 70 Prozent davon waren demnach männlich.

Das deckt sich mit den bundesweiten Zahlen der Studie. Die Forscher nehmen darin an, dass unreife und unterdrückte Sexualität, aber auch ein "wissenschaftlich nicht fundiertes" Sexualbild gegenüber Homosexualität dazu führen, dass manche Priester mit dieser Veranlagung Täter werden. Ein Opfer aus dem Bistum Regensburg, so berichtet Helmig, habe allein 100 Missbräuche angezeigt. 65 Priester und Ordensleute wurden demnach identifiziert, die als Täter in Frage kamen.

Alexander Probst war bei den Domspatzen und ebenfalls von Missbrauch betroffen. Er ist heute ein bekannter Opfervertreter: "Wenn man allein 550 Missbrauchs-Opfer bei den Domspatzen kennt, dann kann man sich ausrechnen: Die 3700 Opfer aus der Studie sind nur die Spitze des Eisbergs", erklärte Probst gegenüber unserer Zeitung. Denn während die Domspatzen alle Missbräuche - also auch Gewalttaten - untersucht hatten, ist die Studie der Bischofskonferenz voll auf sexuelle Taten beschränkt. Die Aufarbeitung des Bistums Regensburg, angestoßen von Bischof Rudolf Voderholzer, lobt Probst dennoch ausdrücklich: "Das muss Vorbild sein für Bistümer in ganz Deutschland. "

Aus Eichstätt hörte man bereits zu Beginn der Woche Zahlen. Das Bistum von Bischof Gregor Maria Hanke meldete, dass in den Personalakten seit 1946 zehn Priester als Täter ermittelt wurden, 29 Opfer seien namentlich bekannt.
 
Die Aufarbeitung des 2010 ans Licht gekommenen Skandals hat auch die Laien-Organisation "Wir sind Kirche" bewegt. Walter Hürter (Foto) war lange Sprecher der inzwischen nicht mehr bestehenden Diözesan-Gruppe Eichstätt. Er hofft, dass es nun zu echten Reformen in der Kirche kommt: "Die Macht muss besser verteilt werden", forderte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Beispielsweise solle das Priesteramt auch für Frauen geöffnet werden. "Frauen sind nicht schlechter für die Seelsorge geeignet als Männer", so Hürter. Und er geht noch einen Schritt weiter: "Mit mehr Frauen in kirchlichen Ämtern wäre der Missbrauch so sicher nicht passiert. " Walter Hürter befürchtet aber angesichts der Bilder aus Fulda, dass man sich "jetzt reumütig zeigt und große Konzepte vorlegt, sich letztlich jedoch nichts verändern wird".

Auch kritisierte er das oft als eine Ursache für Missbrauch durch Kirchenmänner genannte Zölibat. "Man schätzt, dass sich etwa ein Drittel nicht an die Vorgabe hält", sagte Hürter. Zudem würde dieses Verhalten in vielen Diözesen geduldet, weshalb man das Zölibat auch einfach freistellen könne.

Missbrauchsfälle gab es auch im Bistum Augsburg. Es legte gestern ebenfalls Zahlen vor. Laut Bischof Konrad Zdarsa wurden "aus den Akten im untersuchten Zeitraum die Zahl von 164 Opfern und 85 Beschuldigten erhoben". Er wertet die Ergebnisse der Studie als "erschreckende Bilanz furchtbarer Vergehen". In einem Brief an die Mitarbeiter des Bistums schrieb er: "Ich schäme mich für die Mitbrüder und unser Bistum."
 
Christian Tamm, Christian Eckl

Zuletzt geändert am 27­.09.2018