November 2018 – „Kirche In“ (Kolumne „Unzensiert“)

Vatikanische Tragödie

Eigentlich fehlen mir die Worte, um mich mit dem, was sich in den letzten Wochen im Vatikan und drumherum getan hat, sprachlich auseinanderzusetzen.  Das ganze hätte für mich, wäre es nicht Realität, die Qualität eines ganz großen Dramas, einer im Verderben endenden Tragödie, einer Oper wie Tosca, Rigoletto oder nehmen wir gleich den Ring des Nibelungen, der mit der Götterdämmerung im Untergang des Systems endet:

Das ganze beginnt fast heiter, mit der Ankündigung der Jugendsynode, im Hintergrund hört man noch das Nachgrollen der Familiensynode. Jugendliche Stimmen ertönen vielstimmig voll Zuversicht. Auftritt des Männerchores in langen schwarzen Gewändern. Dunkles Brummen erfüllt den Raum, gleichzeitig verschwindet auch die Helligkeit aus dem Bühnenraum. Der Papst mahnt den Chor zum Zuhören und junge, frische Stimmen treten in kurzen Sequenzen aus dem Gebrumme hervor. Zu hören ist die Botschaft, dass noch immer die Hälfte der Mitglieder der Gemeinschaft ausgeschlossen ist. Anhaltendes Brummen. Vorhang.

In dichten mehrstimmigen Tonfolgen artikulieren Frauenstimmen aus dem Off den Satz: „Votes for catholic women“ - Frauen aller Altersgruppen und Hautfarben füllen die Bühne, in Ordens- und Zivilkleidung. Sie werden abgedrängt von Polizisten, die den Weg für den Männerchor freimachen, der unisono in breitem Ostinato die Phrase „Stimmrecht nur für Männer“ dagegensetzt. Einige Männer halten sich den Mund zu und versuchen den Frauen ermutigend zuzuwinken, auch sie werden abgedrängt. Doch die Frauen erobern den Platz zurück und erheben Anklage gegen Männernetzwerke, in denen sexuelle Gewalt geschieht und vertuscht wird. - Eine Kanzel wird von oben herabgelassen, ein Kleriker mit roter Bauchbinde verliest ein Dekret: „Die Bildungskongregation des Vatikan verweigert dem Jesuiten Ansgar Wucherpfennig das  Nihil obstat für die weitere Ausübung seines Amtes als Rektor der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt weil er sich für eine stärkere kirchliche Anerkennung von gleichgeschlechtlich Liebenden ausgesprochen hat.“ - Das Licht aus – Vorhang.

Männer fallen über Frauen her – und verschwinden im Nichts. Die Frauen kauern am Boden, ihre Kleidung ist blutig. - Wieder kommt von oben die Kanzel herab, diesmal verkündet der Papst: „Abtreibung ist wie Auftragsmord.“ - Licht aus. - Licht an. Männer in Unterwäsche schleichen von hinten auf die Bühne und verschwinden über die Seiten. Frauen werfen Klerikergewänder auf einen Haufen. Flammen züngeln. Im Hintergrund erscheint die Silhouette des Petersdomes mit der Aufschrift: Museum des Klerikalismus.

Sigrid Grabmeier

 

 

 

 

 

Zuletzt geändert am 25­.10.2018