6.2.2019 - Tiroler Tageszeitung

Betroffene an Papst: Nur Zugeben von Missbrauch reicht nicht

Papst Franziskus räumte erstmals offen ein, dass es in der Kirche ein Problem gebe des Missbrauchs von Ordensschwestern durch Geistliche.

Wien/Vatikanstadt – Papst Franziskus muss nach seinem Eingeständnis von sexuellem Missbrauch von Nonnen in der katholischen Kirche nach Ansicht einer ehemaligen Ordensschwester seine Machtfülle nutzen. „Wenn das zugegeben wird, dann muss es Konsequenzen haben“, sagte die Theologin und Autorin Doris Reisinger am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Rom.

„Das bloße Zugeben, es gibt diese Fälle und es ist schlimm und wir haben ja schon etwas getan, ohne das zu konkretisieren, das fühlt sich als Betroffene an, als ob sich jemand über uns lustig machen wollen würde.“ Der Papst hatte am Dienstag sexuellen Missbrauch von Nonnen durch Priester und Bischöfe in der katholischen Kirche eingeräumt. In einem Fall sei es bis zur „sexuellen Sklaverei“ durch Kleriker und den Gründer einer Gemeinschaft gekommen.

Papst: Kleriker wurden suspendiert

„Es ist keine Sache, die alle machen“, präzisierte er auf dem Rückflug von Abu Dhabi nach Rom. Der Vatikan arbeite seit langem an dem Problem, so der Papst. Einige Frauenglaubensgemeinschaften seien aufgelöst worden, einige Kleriker seien „suspendiert“ und „weggeschickt“ worden. Er fügte hinzu: „Muss man mehr (gegen das Problem) machen? Ja. Wollen wir mehr machen? Ja.“

Reisinger forderte unabhängige Studien, die das Problem weltweit in den Blick nehmen, sowie die Entschädigung und Unterstützung betroffener Frauen und die konsequente Bestrafung der Täter. Nach ihrem Austritt aus einer Ordensgemeinschaft 2011 hatte Reisinger sowohl in Deutschland als auch in Österreich Anzeige gegen einen Mitbruder erstattet, der sie 2008 mehrfach vergewaltigt haben soll. Der Geistliche ist dafür nicht strafrechtlich verurteilt worden. Ihre Erfahrungen schilderte sie in einem 2016 erschienenen Buch.

„Wir sind Kirche“: Thema für Vatikan-Konferenz

Der sexuelle Missbrauch von Nonnen durch katholische Geistliche sollte nach Ansicht der Laienorganisation „Wir sind Kirche“ auch bei der Vatikan-Konferenz in zwei Wochen thematisiert werden. Es sei „richtig und notwendig“, dass Papst Franziskus die Missbrauchsfälle angesprochen habe, teilte „Wir sind Kirche“ am Mittwoch mit.

Der „sexuelle und geistige Missbrauch von Ordensfrauen“ müsse nun auch beim Krisengipfel in zwei Wochen im Vatikan auf der Tagesordnung stehen. Franziskus hatte am Dienstag erstmals öffentlich den Missbrauch von Ordensfrauen durch Priester und Bischöfe eingeräumt. Die Kirche dürfe derartige Fälle nicht abstreiten und müsse ihren Kampf gegen Missbrauch verstärken, sagte der Pontifex. Generell liege dem Missbrauch von Frauen ein kulturelles Problem zugrunde. Sie würden oftmals als Menschen „zweiter Klasse“ angesehen, sagte der Papst.

Dafür sei auch die katholische Kirche mitverantwortlich, „die mit ihrem männlichen Klerikalismus dieses Frauenbild weltweit praktiziert und verbreitet“, erklärte „Wir sind Kirche“. Nötig seien „eine andere Sexualmoral, die Weihe von Frauen, die Abschaffung des Pflichtzölibats sowie eine echte Gewaltenteilung in der römisch-katholischen Kirche“.

Organisation kritisiert Anti-Missbrauchsgipfel

Problematisch sei auch die Organisation des Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan. „Die Verantwortlichen, unter denen möglicherweise auch Täter sind, sitzen über sich selbst zu Gericht“, kritisierte die Laienbewegung. Missbrauchsopfer seien nur indirekt beteiligt, und Frauen blieben bei den Beratungen „wieder außen vor“.

Zu den Teilnehmern der Vatikan-Konferenz, bei der nach bisherigen Planungen über Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch beraten werden soll, zählen die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen, aber auch Experten. Franziskus hatte das Treffen vom 21. bis 24. Februar als Reaktion auf die Missbrauchsskandale innerhalb der katholischen Kirche einberufen. (TT.com/APA/AFP)

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Zuletzt geƤndert am 06­.02.2019