8.2.2019 - Badische Neueste Nachrichten

„Das ist ein Offenbarungseid“

Reform in der katholischen Kirche: Gruppierung „Wir sind Kirche“ kritisiert Vorgehen des Erzbistums Freiburg Karlsruhe/Freiburg.

Die Gruppe „Wir sind Kirche“ fordert Reformen in der katholischen Kirche. Thomas Arens (53) ist der Sprecher für den Bereich des Erzbistums Freiburg. Durch die BNN wurde er auf den Prozess aufmerksam: Zwei Jahre lang möchte das Erzbistum wie berichtet über tiefgreifende Veränderungen diskutieren. Im Gespräch mit unserem Redakteur Sebastian Raviol erklärt Arens, warum er nicht an einen Erfolg glaubt.

Sie fordern seit Jahren Reformen in der katholischen Kirche. Ist das nun der große Wurf?
Arens: Es ist ein Offenbarungseid. Das Erzbistum gesteht ein, dass es so nicht weitergehen kann. Bedenklich ist, dass Ziele vorgegeben werden – etwa die Reduzierung auf 40 Pfarreien. Da werden schon abgesteckte Karten in der Schublade liegen. Ich weiß nicht, wie motiviert die Menschen sind, wenn man zu einer Diskussion einlädt und das Ergebnis schon feststeht.

Welche positiven Elemente sehen Sie in dem Papier?
Arens: Das Arbeitspapier geht grundlegend in die falsche Richtung. Dort ist von der Pfarrei mit dem Priester an der Spitze die Rede, männlich, geweiht, zölibatär. An diesen Parametern wird nicht gerüttelt. In dem Papier werden zwar gesellschaftliche Gründe genannt, warum man sich im Sinkflug befindet. Aber inhaltliche Dinge, wie Frauen in Führungspositionen, werden nicht angeführt. Wenn ich die Aufgabe hätte, die Kirche zu reformieren, würde ich das anders machen.

Welche Ansätze haben Sie?
Arens: Ich würde die Kirchenbänke rausreißen. Wer öfter in der Kirche ist, weiß, wie unbequem man da sitzt.

Mit bequemeren Sitzen würden mehr Gottesdienstbesucher kommen?
Arens: Das wäre nur ein Punkt. Wir müssen über Hemmnisse diskutieren. Das fängt bei Texten, Musik, Liturgieform und Beteiligung im Gottesdienst an – da bräuchte es ein ganzes Bündel bis hin zur Abschaffung des Zölibats.

Das findet in dem Arbeitspapier keine Berücksichtigung. Es soll aber zwei Jahre lang diskutiert werden – kann das also nochkommen?
Arens: Ich bin da pessimistisch. Man hat eine Strukturdebatte angestoßen. Da geht es mehr um pastorale Räume, weniger um inhaltliche Dinge. Es gibt immer weniger Gottesdienstbesucher, weniger Priester – ich frage mich, was diese Reform dazu beiträgt, um dem Abhilfe zu schaffen. Das alte Strukturmodell wird einfach angepasst an die im Jahr 2030 zur Verfügung stehenden Priester. Und doch wird diese Diskussion viel Energie und Motivation kosten.

Wie groß ist dann das Risiko, dass die katholische Kirche am Ende des Prozesses mit einem Schaden herausgeht?
Arens: Das Risiko ist sehr groß. Man leitet einen partizipatorischen Prozess ein, bei dem nicht klar ist, wie viele Menschen sich beteiligen, wer zu entscheiden hat. Das wurde im Bistum Trier offener angegangen.

Trier gilt vielen eher als unglückliches Beispiel.
Arens: Aber dort hatten sie wenigstens zu einem offenen Diskussionsprozess eingeladen. Was daraus wurde, ist in der Tat unglücklich. Dort
wurden letztlich von oben die bestehenden Pfarreigrenzen verändert. Im Bistum Essen war der Prozess ähnlich wie jetzt in Freiburg. Dort hat das Vorgehen große Widerstände ausgelöst – das erwarte ich auch hier.

Werden Sie sich selbst mit „Wir sind Kirche“ in die Diskussion einbringen?
Arens: Es gibt noch keine Anfrage. Wir wurden von dem Vorstoß wie alle anderen überrascht. Es gab nur Hinweise, dass aus Freiburg etwas zur Kirchenentwicklung kommt. Aber wir werden das diskutieren.

Zuletzt geändert am 17­.02.2019