August 2020 – „Kirche In“ (Kolumne „Unzensiert“)

Keine Pause für Kirchenreform

Kaum hatte die erste Vollversammlung des Synodalen Wegs in Deutschland Ende Januar dieses Jahres stattgefunden, da sorgte die Corona-Pandemie auch hier für eine abrupte Unterbrechung. Zwar haben die vier Synodalforen zwischenzeitlich wieder ihre Arbeit aufnehmen können. Aber die für Anfang September geplante zweite Vollversammlung musste auf Anfang des kommenden Jahres verschoben werden. Stattdessen wird es jetzt im September fünf eintägige Regionalkonferenzen geben.

Diesen notwendigen Zwischenschritt haben diejenigen, die den Synodalen Weg ohnehin für einen „suizidalen Weg“ halten und von „synodaler Konkursmasse“ sprechen, sofort kritisiert, aus formalen Gründen. Die Konflikte innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz sind offensichtlich. Einzelne halten das Marienbild oder die Arbeit im Forum Sexualmoral nicht mehr für katholisch. Und manche wären froh, wenn der Synodale Weg so im Sande verlaufen würde wie der Dialog für Österreich 1997/1998 oder der Gesprächsprozess in Deutschland 2011 bis 2015. Das darf sich nicht wiederholen!

Die Corona-Krise stellt uns alle, auch die Kirche vor ganz neue existenzielle Fragen: Aber die vier Themenbereiche „Macht in der Kirche“, „Priesterliche Existenz heute“, „Sexualmoral“ und „Frau in der Kirche“ sind und bleiben systemrelevant für die Kirche – wenn die römisch-katholische Kirche überhaupt noch systemrelevant für die Welt sein will. Ja, es sind alles Themen von gestern, ja vorgestern. Seit den Zeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils, seit 55 Jahren, sind sie in der Diskussion; auf der Ebene der Kirchenleitung bislang leider ergebnislos. Mit dem Synodalen Weg sind diese Themen, die genau die Themen des österreichischen KirchenVolksBegehrens vor 25 Jahren waren, jetzt endlich auf der Agenda des von den deutschen Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken gemeinsam verantworteten Synodalen Weges.

Entscheidender Anstoß war die MHG-Studie zur sexualisierten Gewalt und deren Vertuschung in unserer Kirche. Schon aus Respekt vor den in der Vergangenheit Betroffenen und zum Schutz künftiger Generationen müssen endlich „mutige Antworten“ auf die anstehenden Strukturfragen gefunden werden. Das Bedauern darüber, dass immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren, ist tröstlicher Selbstbetrug, solange nicht nach den Ursachen von Machtmissbrauch und Klerikalismus  geforscht wird. Wagen wir eine grundlegende Neukonzeption kirchlicher Dienste, die in ganzheitlicher und geschwisterlicher Weise die Aufgaben von Liturgie, Diakonie, Glaubenszeugnis und Gemeinschaft gestaltet und die Glaubenden auf ihre eigene Verantwortung und Mündigkeit verweist! Die während des Schreibens dieser Zeilen bekannt gewordene Instruktion „Zur pastoralen Umkehr der Pfarreien“ der vatikanischen Kleruskongregation lässt allerdings erahnen, wie schwer die vor uns liegende Aufgabe noch ist.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 21­.07.2020