15.9.2020 - pnp.de

"Kirche zukunftsfähig machen gilt immer noch"

Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" wird 25 – Mitbegründerin Sigrid Grabmeier aus Deggendorf zieht eine positive Bilanz

München/Passau. "Wir haben viele Dinge angestoßen, und weil das so ist, werden wir auch weitermachen." Sigrid Grabmeier ist in der Region zusammen mit ihrem Mann Dr. Johannes Grabmeier ein Gesicht der Reformbewegung "Wir sind Kirche". Die 58-Jährige, die seit 2001 in Deggendorf lebt, war von Anfang an dabei, als sich die Bewegung formierte. Grundstein war das Kirchenvolksbegehren, das am 16. September 1996 startete und bis 12. November des Jahres von über 1,8 Millionen Menschen in ganz Deutschland unterschrieben wurde.

Die Deggendorferin Sigrid Grabmeier ist seit 2001 Mitglied im Bundesteam. −Foto: privat
Die Deggendorferin Sigrid Grabmeier ist seit 2001 Mitglied im Bundesteam. − Foto: privat


Zu den Erstunterzeichnenden des deutschen Kirchenvolksbegehrens gehörten damals der Theologe Hans Küng, Sportreporter Dieter Kürten, die damals amtierende Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel und der spätere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Grabmeier nennt die fünf Forderungen der Bewegung, die bis heute gültig seien: Abbau klerikaler Machtstrukturen, Öffnung des Priesteramtes für Frauen, Abschaffung des Eheverbotes für Priester (Pflicht-Zölibat), eine "menschenfreundliche Sexualmoral" und den Punkt "Frohbotschaft statt Drohbotschaft". Und sie ergänzt: "Wir sind damals angetreten, weil wir die Kirche zukunftsfähig machen wollten. Das gilt immer noch"

Die Themen seien damals alle im Raum gestanden, auch in Foren und Synoden aufgegriffen worden, aber eben auch immer wieder abgewürgt worden. "Aufstehen für etwas, sich hinstellen, Position beziehen, den Menschen die Chance geben, eine eigene Spiritualität und Frömmigkeit entwickeln zu können, das habe sie angetrieben, so Grabmeier, die sich selbst vor allem bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs stark engagiert hat und hier "viel Kaltschnäuzigkeit, Borniertheit deutscher Bischöfe" erlebt habe. Dennoch sei hier viel getan worden – und müsse weiter viel geschehen. Es gehe um Gewalt insgesamt, die katholische Kirche müsse sich von einer absolutistischen Wahlmonarchie in einem männerbündig-klerikalen System zu einer Gestalt von Kirche entwickeln, die Teilhabe und Demokratie zulasse, wo Frauen und Männer gleiche Rechte besitzen. Trotz aller Aufarbeitung des Missbrauchs dürfe man sich nicht zufriedengeben, nicht nur "Prestigeobjekte" wie die Aufarbeitung der Vergangenheit der Regensburger Domspatzen sehen, sondern auch andere Fälle und vor allem müsse man mehr beim Thema Prävention machen.

"Es war schon eine erfüllte Zeit. Man kann nicht immer den unmittelbaren Erfolg feststellen, gewisse Dinge muss man immer wieder fokussieren, dafür Aufmerksamkeit herstellen, um der Lethargie entgegenwirken zu können." Grabmeier möchte aber auch eine Seite der Reformbewegung hervorheben, die man meist von außen nicht sehe. "Wir sind eine geistliche Bewegung, leben Religiosität, bilden uns theologisch weiter, feiern gemeinsam Gottesdienste, leben Religion, die nicht auf den Kirchenraum beschränkt oder auf den Priester fokussiert ist."

Die Bewegung lebe, sei vernetzt mit Priestergruppen, auch mit Maria 2.0, die als Graswurzelbewegung ihren Ausgang von "Wir sind Kirche" genommen habe. Da könne die Rolle der Frau weiter diskutiert werden. "Es müssen sich genügend Frauen betroffen fühlen, um für diese Anliegen zu kämpfen. Das ist jetzt der Fall."

Dass die Reformbewegung mittlerweile nicht nur ein "rotes Tuch" sei, sondern es auch wohlgesonnene Bischöfe gebe, die die Themen aufgreifen, macht Grabmeier zuversichtlich. Und vor allem, dass Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien sich derzeit mit genau den Fragen der Reformbewegung beschäftigten, die diese schon vor einem Vierteljahrhundert laut gestellt habe.

Zuletzt geändert am 19­.09.2020