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Veröffentlicht am 16­.09.2020

16.9.2020 - Saarbrücker Zeitung / pfaelzischer-merkur.de

Reformbewegung als Stachel im Fleisch der Amtskirche

VON BRITTA SCHULTEJANS
UND MANUEL GÖRTZ


MÜNCHEN/SAARBRÜCKEN (dpa/gö) Die aktuelle Reformdebatte in der katholischen Kirche in Deutschland ist heute so weit fortgeschritten wie noch nie. Im Rahmen des „Synodalen Weges“ befassen Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien sich derzeit mit genau den Fragen, die die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ schon vor einem Vierteljahrhundert gestellt hat. Doch auch 25 Jahre nach ihrer Gründung sieht die Bewegung
ihre Arbeit damit noch nicht getan. „Es ist enttäuschend, dass es im Umgang mit dem Missbrauchsskandal immer noch ein unendliches Zögern gibt“, sagt der Sprecher der Bewegung, Christian Weisner. „Es wird immer wieder vertröstet und vertröstet.“

Der Kampf gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche war es, der vor einem Vierteljahrhundert zur Gründung von „Wir sind Kirche“ führte. Zwar nennt die Bewegung als ihren offiziellen Gründungstag den 27. Januar 1996, der Grundstein wurde aber schon knapp ein halbes Jahr früher mit dem Start des Kirchenvolksbegehrens für Reformen in der katholischen Kirche am 16. September gelegt. Bis zum 12. November des Jahres wurde das Volksbegehren von mehr als 1,8 Millionen Menschen in Deutschland unterschrieben. Vorausgegangen war der Missbrauchsskandal um den Wiener Kardinal Hans Hermann Groer. Zu den Erstunterzeichnenden des deutschen Kirchenvolksbegehrens gehörten damals der Theologe Hans Küng, Sportreporter Dieter Kürten, die damals amtierende Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel und der spätere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Die fünf Forderungen der Bewegung umfassen – damals wie heute – den Abbau klerikaler Machtstrukturen, die Öffnung des Priesteramtes für Frauen, die Abschaffung des Eheverbotes für Priester, eine „menschenfreundliche Sexualmoral“ und den Punkt „Frohbotschaft statt Drohbotschaft“. „Wir möchten Schrittmacher für eine zukunftsfähige Kirche sein“, sagt Weisner.

„Wir möchten Schrittmacher für eine zukunftsfähige Kirche sein.“
Christian Weisner, Sprecher der Bewegung „Wir sind Kirche“

Die Reformbewegung hat auch im Saarland und Rheinland-Pfalz viele Unterstützer, die sich regelmäßig über Themen und Aktionen informieren lassen. Allein im Bistum Speyer, zu dem im Saarland unter anderem fast der ganze Saarpfalz-Kreis gehört, sind es nach Angaben des für das Bistum zuständigen Initiative-Sprechers Dr. Rudolf Walter rund 350. Im Bistum Trier, das sich über den größten Teil des Saarlandes erstreckt, gebe es ebenfalls mehrere Hundert Sympathisanten, sagt der zuständige Sprecher der Bewegung, Hanspeter Schladt. Auch Veranstaltungen von „Wir
sind Kirche“ hat es laut Schladt im Saarland bereits gegeben. So zum Beispiel die Diözesanversammlung der Reformbewegung vor zwei Jahren in Saarwellingen. Als nächstes sei am 27. September ab 13.30 Uhr vor dem Trierer Dom eine Mahnwache unter dem Motto „Lila Stola“ geplant, bei der „Wir sind Kirche“ der Forderung der Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern wie Diakonat und Priestertum Nachdruck verleihen möchte.

Ohne Reformen sieht die Zukunft der Kirche aus Sicht von Weisner düster aus: „Wenn wir da nicht die Kurve kriegen, gehen die Menschen weiter
einfach in Scharen davon. Das ist ein großer Verlust in der Kirche, der unendlich zu bedauern ist“, sagt Weisner. „Mit welchen totalitären, frauenfeindlichen und homophoben Regimen sich die Kirche gleichstellt, ist doch erschreckend.“

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Zuletzt geändert am 17­.09.2020