28.5.2021 - KNA

Zusammenfassung: Papst lässt Kölner Vorgänge untersuchen - Laien fordern Gehör

Von Anita Hirschbeck (KNA)
Köln (KNA) In die monatelange Auseinandersetzung um die
Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln hat sich nun
Papst Franziskus eingeschaltet. Er schickt zwei Visitatoren
in Deutschlands mitgliederstärkste Diözese, wie die Apostolische
Nuntiatur in Berlin am Freitag mitteilte.
Kardinal Anders Arborelius aus Schweden und der Rotterdamer
Bischof Johannes van den Hende sollen sich in der
ersten Junihälfte vor Ort ein umfassendes Bild von der komplexen
pastoralen Situation im Erzbistum Köln verschaen.
Auÿerdem sollen sie untersuchen, ob der Kölner Kardinal Rainer
Maria Woelki, der Hamburger Erzbischof Stefan Heÿe
und die Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und
Ansgar Pu Fehler gemacht haben beim Umgang mit Fällen
sexuellen Missbrauchs.

In einer ersten Reaktion begrüÿte Woelki die Ankündigung.
Bereits im Februar habe ich den Heiligen Vater in Rom
umfassend über die Situation in unserem Erzbistum informiert
, erklärte er. Ich begrüÿe, dass der Papst sich mit der
Apostolischen Visitation ein eigenes Bild über die unabhängige
Untersuchung und die Konsequenzen daraus verschaen
will. Er werde die beiden Visitatoren mit voller Überzeugung
in ihrer Arbeit unterstützen. Alles, was der konsequenten Aufarbeitung
dient, begrüÿe ich.

Positiv kommentierten auch Vertreter von katholischen
Laien und Missbrauchsbetroenen die Untersuchung durch
den Vatikan. Gespräche müssten dabei auch mit Betroenen
und deren Umfeld geführt werden, forderte der Missbrauchsbeauftragte
der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm
Rörig. Nur so könnte die Visitation zu einem weiteren wichtigen
Schritt zu mehr Transparenz, aber auch zu mehr Befriedung
zwischen der Kirche und Betroenen werden. Mit Blick
auf andere Bistümer sprach Rörig von einem möglicherweise
wichtigen Impuls.

Der Sprecher der Betroeneninitiative Eckiger Tisch,
Matthias Katsch, sprach von einer guten Entwicklung. Er
ermutigte die Betroenen, nun ihre Sichtweise vorzubringen,
damit der Vatikan ein vollständigeres Bild bekomme.
Auch die Sprecherin der Reforminitiative Maria 2.0 im
Rheinland hot darauf, dass die Visitatoren einen oenen
Blick haben und alle Stimmen in diesem Bistum hören.
Der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum
Köln, Tim-O. Kurzbach, lud Kardinal Arborelius und
Bischof van den Hende zur kommenden Sitzung des Gremiums
am 16. Juni ein, um die Stimmen der Laien zu hören.
Die Anordnung der Visitation unterstreicht, dass auch in
Rom verstanden wird, dass im Erzbistum Köln unter der Leitung
von Kardinal Woelki der Kontakt zwischen Gemeinden
und Bistumsleitung schwer geworden ist, sagte Kurzbach.
Der Diözesanrat lässt seine Zusammenarbeit mit Woelki wegen
der strittigen Missbrauchsaufarbeitung seit Ende Januar
ruhen.

Für die Glaubenden im Erzbistum Köln und auch in
Deutschland sei zu hoen, dass möglichst bald ein personeller
und spiritueller Neuanfang gelinge, erklärte die Initiative
Wir sind Kirche. Dann aber mit einer Kirchenleitung, die
einen wertschätzenden und glaubwürdigen Umgang sowohl
mit den kirchlich Beschäftigten als auch mit allen Glaubenden
praktiziert.

Die 14 führenden Geistlichen im Erzbistum Köln, die sich
in einer E-Mail kritisch über die Missbrauchsaufarbeitung ge-
äuÿert haben, sprachen von einer Chance. Die Stadt- und
Kreisdechanten würden Woelki wie bislang beratend zur Seite
stehen, sagte der Sprecher der Gruppe, der Wuppertaler
Stadtdechant Bruno Kurth. Aber zur Seite stehen bedeutet
ja Loyalität und auch Kritik und das oene, ehrliche Wort.
Seit mehr als einem Jahr wird im Erzbistum Köln um
die öentliche Aufarbeitung früherer Missbrauchsfälle durch
Geistliche gerungen. Dabei geht es auch um die Frage, inwiefern
hohe Amtsträger Missbrauchstäter geschützt und Fälle
vertuscht haben. Auch Woelki werden Vorwürfe gemacht, obwohl
ihn ein Aufarbeitungsgutachten des Strafrechtlers Björn
Gercke juristisch entlastet. Dennoch wird seit Wochen immer
wieder über neue Details rund um Fälle aus dem Gercke-
Report diskutiert. Kritiker werfen Woelki vor, sich zu sehr
auf juristische Fragen zurückzuziehen und zu wenig moralische
Verantwortung zu übernehmen.

Ende 2020 wurde dem Kardinal erstmals angelastet, in
einem Missbrauchsfall an Vertuschung beteiligt gewesen zu
sein. Woelki wandte sich deshalb im Dezember an Papst
Franziskus. Der Papst solle prüfen, ob er als Kölner Erzbischof
eine Pichtverletzung nach dem Kirchenrecht begangen
habe, so Woelkis Absicht damals. Auch Laienvertreter vom
Kölner Katholikenausschuss und die Protest-Initiative Maria
2.0 im Rheinland hatten Papst Franziskus um sein Eingreifen
gebeten und unter anderem eine Visitationsreise eines Vatikanvertreters
angeregt. Bislang gab es aus dem Vatikan keine
ozielle Antwort auf diese Anfragen.

Der Mitte März veröentlichte Gercke-Report weist hohen
Amtsträgern im Erzbistum Köln - darunter ehemalige
Generalvikare und Erzbischöfe - mindestens 75 Pichtverletzungen
zwischen 1975 und 2018 nach. Demnach sind die
Würdenträger Verdachtsfällen nicht nachgegangen und haben
sich nicht um die Betroenen gekümmert. Nach Ver-
öentlichung des Gutachtens boten der Hamburger Erzbischof
Stefan Heÿe sowie der Kölner Weihbischof Dominikus
Schwaderlapp Papst Franziskus ihren Rücktritt an. Beide waren
früher als Generalvikare in Köln tätig. Heÿe werden elf
und Schwaderlapp acht Pichtverletzungen angelastet. Woelki
hingegen wird im Report sowohl unter kirchen- als auch
strafrechtlichen Gesichtspunkten entlastet.

Zuletzt geändert am 28­.05.2021