11.7.2007 - www.fr-online.de

Der bittere römische Aufguss

VON ASTRID HÖLSCHER

Es gebe nur eine wahre Kirche Christi, und das sei die katholische. Das sagt Rom seit Jahrhunderten als schlagendes Argument gegen jedwede christliche Konkurrenz. Ein "alter Teebeutel", zum wiederholten Mal aufgebrüht, bemerkt denn auch der rheinische Protestant Jens Peter Iven zur jüngsten Klarstellung aus dem Vatikan. Nun kommt es beim Tee auf die Sorte an: Manche werden beim dritten, vierten, fünften Aufguss kräftiger, mitunter bitter; andere schmecken lediglich fad. Der römische Aufguss verbindet beide Geschmacksnoten.

Nicht umsonst kommen bitterste Reaktionen aus der katholischen Kirche. Von unten, wo Gemeinschaft erprobt und erlebt wird. Von einem "überflüssigen Schlag ins Gesicht der Ökumene" spricht die Bewegung "Wir sind Kirche" und fühlt sich düpiert. Zu Recht; denn die Stoßrichtung des römischen Dokuments ist zuvörderst eine innerkirchliche. Die eigenen Schäflein, die sich im Reformdrang zu weit von der Herde entfernen könnten, gilt es einzufangen. Daran zu erinnern, wer die allein selig machende Kirche ist.

Das zweite Signal gilt den Orthodoxen, deren Nähe Papst Benedikt XVI. bei jeder Gelegenheit sucht. Sie werden von Rom immerhin als "Kirche" anerkannt, wenn auch mit dem Makel behaftet, dass sie den Papst nicht als Oberhirten akzeptieren. Darin vermögen die zwar keinen Fehler zu erkennen, aber das Moskauer Patriarchat lobt schon mal den "ehrlichen theologischen Dialog".

Bleiben die Protestanten, die nach katholischer Lehre keine richtige Kirche sind, andererseits nicht bloß Sekte. Auch außerhalb Roms, so heißt es im Kommentar zu dem neuen Dokument, gebe es "echte kirchliche Wirklichkeiten" und "Elemente der Heiligung und der Wahrheit". Die Protestanten reagieren auf zweierlei Weise; beide erprobt seit der "Dominus-Iesus"-Erklärung über die Einzigartigkeit der katholischen Kirche aus dem Jahr 2000.

Wir sind Kirche, lautet selbstbewusst die eine Linie. Diesen Status müssten sich die Protestanten nicht von Rom beglaubigen lassen. Aus dieser Sicht mag man die schale Note eines erneuten Alleinvertretungsanspruchs bedauern oder mit einem trotzigen "Jetzt erst recht" zum ökumenischen Kirchentag 2010 in München mobilisieren.

Die andere Variante ist laute Empörung über die Anmaßung Roms, die jeden ökumenischen Fortschritt bedrohe. Nicht "fahrlässig", wie der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Wolfgang Huber, betont, sondern mit "Vorsatz". Dass der Vatikan weder die protestantischen Kirchen noch ihre Pastoren und Bischöfe als gleichwertig akzeptiert, spaltet mindestens so tief wie das verweigerte gemeinsame Abendmahl.

Vergessen wird über dem akuten Streit leicht, dass auch die Protestanten sich derzeit stärker auf ihre Eigenheit und Einzigartigkeit besinnen. Gerade Huber, der in seinem bei Herder erschienenen Buch für eine "Ökumene der Profile" wirbt und protestantische Errungenschaften hervorhebt. Die Priesterschaft aller Gläubigen, die herausragende Bedeutung der Gemeinde, die Teilhabe von Frauen. Die Reformatoren Luther, Calvin oder Zwingli wollten ja keineswegs Filialen begründen, sondern die katholische Kirche von ihren Verirrungen befreien und zur Nachfolge Christi zurückführen. So gesehen, gibt es viele wahre Kirchen - aus der jeweils eigenen Perspektive.

Zuletzt geändert am 11­.07.2007