10.7.2007 - DiePresse.com

Vatikan: Protestanten haben keine "Kirche"

Protestanten würden nur "kirchliche Gemeinschaften", keine "Kirche" bilden, heißt es in einer Schrift aus dem Vatikan. Katholiken hätten zudem Vorrang. Protestanten sind empört. (c) AP (Pier Paolo Cito)

Der Vatikan hat die universelle Vorrangstellung der katholischen Kirche erneut bekräftigt und damit vor allem bei Protestanten einen Sturm der Entrüstung entfacht. In einem am Dienstag im Vatikan veröffentlichten und von Papst Benedikt XVI. gebilligten Dokument wird bekräftigt, dass die protestantischen Kirchen keine "Kirchen im eigentlichen Sinn" seien. Auch die orthodoxen Kirchen litten demnach unter einem "Mangel", weil sie den Primat des Papstes nicht anerkennen. Die russisch-orthodoxe Kirche lobte den Vatikan in einer ersten Reaktion für seine "Ehrlichkeit".

Mit dem Dokument bestätigte die katholische Kirche die im Schreiben "Dominus Iesus" (2000) und in dem Dokument "Lumen Gentium" (1964) des Zweiten Vatikanischen Konzils festgelegte Lehre. Der Text mit dem Titel "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" wurde von der Glaubenskongregation im Vatikan unter Leitung von Kardinal William Levada erstellt. Das ist jenes Gremium, dem Benedikt XVI. vor seiner Wahl zum Papst vorstand.

Das Schreiben analysierte dabei vor allem den Satz aus "Lumen Gentium": "Die Kirche [Christi">... ist verwirklicht in der katholischen Kirche". Damit ist gemeint, dass die von Jesus Christus gegründete Kirche in der katholischen Kirche ihre "Vollgestalt" besitzt, während den anderen christlichen Kirchen jeweils bestimmte Elemente fehlen.

Keine Kirchen, sondern "kirchliche Gemeinschaften"

Der Vatikan sieht die Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgingen, nicht als "Kirchen im eigentlichen Sinn". Diese Gemeinschaften würden "nach katholischer Lehre die apostolische Sukzession im Weihesakrament nicht besitzen", begründet der Vatikan. Deshalb fehle ihnen ein wesentliches Element des Kircheseins. Somit können sie nach katholischer Lehre nicht "Kirchen im eigentlichen Sinn", sondern nur "kirchliche Gemeinschaften" genannt werden.

Die Ostkirchen besäßen hingegen trotz ihrer Trennung wahre Sakramente. Allerdings litten die orthodoxen und orientalischen Kirchen ebenfalls unter einem Mangel, weil sie das Primat des Papstes nicht anerkennen und ihnen damit ein "inneres Wesenselement" fehle.

"Ehrliche Erklärung" ist Orthodoxen lieber als Diplomatie

Die russisch-orthodoxe Kirche lobte den vom Vatikan veröffentlichten Text für seine eindeutige Position. "Das ist eine ehrliche Erklärung. Sie ist viel besser als die so genannte kirchliche Diplomatie", sagte der Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats, Metropolit Kirill. Das Dokument zeige "wie nah beziehungsweise wie fern wir einander sind". Das sei eine Grundvoraussetzung für einen "ehrlichen theologischen Dialog".

Kritik von Protestanten

Bei Protestanten und der romkritischen Laienbewegung "Wir sind Kirche" stieß das Dokument auf Kritik. "Die Einsicht, dass ökumenische Fortschritte wechselseitigen Respekt für das Kirchesein des ökumenischen Partners voraussetzen, bleibt unberücksichtigt", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber. Er nannte das Dokument "ökumenisch brüskierend".

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, sieht das umstrittene Dokument dagegen als "Ansporn". Der Text sei "ein Dokument der Klarheit des eigenen Bekenntnisses und zugleich der Würdigung, ja auch einer zwar begrenzten, aber wesentlichen Anerkennung des ekklesialen (kirchlichen, Anm.) Charakters der anderen christlichen Glaubensgemeinschaften", erklärte Lehmann weiter. Das ökumenische Gespräch lebe von beidem.

(Ag.)

Zuletzt geändert am 15­.07.2007