2022 Nr. 2 - Maria 2.0

Kardinalfehler

Das Kardinalsrot, so haben wir gelernt,
symbolisiert die Bereitschaft, zur Verteidigung
der „heiligen Kirche“ und des
Papstes nötigenfalls das eigene
Leben hinzugeben. Doch was
geschieht, wenn Kardinäle sich
ganz offensichtlich gegen
den Papst stellen?
Zum Beispiel Kardinal
Gerhard Ludwig Müller.
Seit seine fünfjährige Zeit
als Präfekt der Glaubenskongregation
im Juli 2017 abgelaufen ist, meldet er sich
besonders häufig zu Wort. In dicken Büchern erklärt
er, was der Papst zu tun hat und was katholisch ist.
Während Papst Franziskus die Coronaimpfung jetzt
für eine „moralische Verpflichtung“ hält, erregt Müller
Aufsehen mit Verschwörungsmythen und tendenziell
antisemitisch wahrgenommenen Äußerungen.

Auf die massive Kritik, die in den Medien daraufhin
zum Ausdruck gebracht wurde, hat er seine
Äußerungen aber keineswegs korrigiert oder gar
zurückgenommen, sondern sie noch bekräftigt und
zum Teil sogar verschärft. Schon im Frühjahr 2020
hatte Müller den Brief von Erzbischof Carlo Maria
Vigano unterschrieben, in dem davor gewarnt wurde,
die Coronapandemie solle genutzt werden, um eine
„Weltregierung“ zu schaffen, „die sich jeder Kontrolle
entzieht“. Innerhalb wie außerhalb der katholischen
Kirche haben diese Äußerungen für erhebliche Irritationen
gesorgt. Von einem Kardinal ist zu erwarten,
dass er sich an seriösen wissenschaftlichen Fakten
orientiert und alles tut, um Spaltungen in Gesellschaft
und Kirche zu vermeiden. Doch Kardinal Müller hat
mit seinen Aussagen der katholischen Kirche erneut
schweren Schaden zugefügt.

In einem offenen Brief, den Maria 2.0 und „Wir sind
Kirche“ initiierten, wird eindringlich an Papst Franziskus
appelliert, dafür Sorge zu tragen, dass dem unverantwortlichen
Treiben von Kardinal Müller umgehend
Einhalt geboten wird. Kardinal Müller, der Verschwörungsmythen
verbreitet und sich antisemitischer
Chiffren bedient, kann nicht Richter am Obersten
Gerichtshof der Apostolischen Signatur sein und
als Mitglied des Kardinalskollegiums zum Kreis der
potenziellen Papstwähler zählen. Der offene Brief an
Papst Franziskus kann hier unterstützt werden:
www.wir-sind-kirche.de/briefpapstmueller

Doch Müller ist nicht der einzige Kardinal, der der Weltkirche
derzeit Sorgen bereitet. Auch die Situation im
Kölner Erzbistum produziert weiter Schlagzeilen. Obwohl
Kardinal Rainer Maria Woelki sich derzeit in einer
„geistlichen Auszeit“ befindet, ist er nicht bereit, auf sein
Bruttogehalt in Höhe von 13.771 Euro zu verzichten.
Kardinal Marc Ouellet, seit 2010 Präfekt der Bischofskongregation,
ist derjenige im Vatikan, der das
lateinische Dekret unterzeichnete, das für die höchst
unklare Situation in Köln verantwortlich ist, nämlich
Woelki auch während der „geistlichen Auszeit“
grundsätzlich im Amt zu belassen. Aber es kommt
noch schlimmer. Jetzt hat Kardinal Quellet angeordnet,
mit der externen Prüfung von Auftragsvergaben im
Erzbistum Köln erst nach der Rückkehr von Kardinal
Woelki zu beginnen. Anfang Dezember 2021 war
bekannt geworden, dass das Kölner Erzbistum für
Gutachten zur Missbrauchsaufarbeitung und
Kommunikationsberatung innerhalb von nur zwei
Jahren rund 2,8 Millionen Euro ausgegeben,
dagegen in zehn Jahren nur 1,5 Millionen Euro an
Betroffene gezahlt hat.

Die Anordnung der Bischofskongregation im Vatikan
ist eine Verschleppungstaktik, die eine unabhängige
Untersuchung vereitelt und vom Kirchenvolk nicht
verstanden wird. Zu befürchten ist allerdings, dass
es Kreise im Vatikan gibt, die Kardinal Woelki auf
Biegen und Brechen unter Inkaufnahme von möglichen
finanziellen Irregularitäten im Amt behalten
wollen. Doch immer mehr rechnen nicht damit, dass
Woelki am 2. März 2022 wieder ins Amt zurückkehren
wird.

Der Fall Woelki zeigt einmal mehr, wie realitätsblind
die römischen Personalentscheidungen von
Kardinal Marc Ouellet sind. Um dem Ansehen der
katholischen Kirche auf der Bischofsebene nicht
noch größeren Schaden zuzufügen, sollte Papst
Franziskus auch Kardinal Marc Ouellet möglichst
umgehend von seinen Aufgaben entbinden.
Christian Weisner

Unser Kolumnist ist Mitinitiator des
KirchenVolksBegehrens und Mitbegründer der
Internationalen Bewegung „Wir sind Kirche“, in deren
Bundesteam er aktiv ist

Zuletzt geƤndert am 25­.01.2022