24.6.2022 - der pilger

Die Kirche hat die Kraft zur Erneuerung

Leserbrief zu „Neuer Generalvikar eingeführt“, „der pilger“ vom 12. Juni 2022, Seite 12

Wir Anhänger der Wir-sind-Kirche – Bewegung teilen die Auffassung von Bischof Wiesemann, dass die Kirche die Kraft zur Erneuerung hat. Erneuerung heißt nicht, dem Zeitgeist blind hinterher zu laufen, sondern die Zeichen der Zeit zu erkennen und dann zu sehen, wie die Kirche unter den heutigen Bedingungen das Evangelium verkündigen und praktizieren kann. Das war in früheren Zeiten nicht anders. Wer schon einmal eine Kirchengeschichte gelesen hat weiß, dass solche Neuorientierungen aufgrund von veränderten historischen Verhältnissen immer wieder notwendig waren. Die Konzilstexte des II. Vatikanums drücken das bereits sehr deutlich aus, aber in den letzten 50 Jahren wurde diese Erkenntnis zu wenig beachtet.

In den Beiträgen zum Synodalen Weg findet sich eine Aussage von Papst Franziskus aus dem Jahre 2017, die hierzu hervorragend passt: „Die Tradition ist eine lebendige Realität und nur eine begrenzte Sicht kann sich das Glaubensgut als etwas Unbewegliches vorstellen. Man kann das Wort Gottes nicht einmotten, als wäre es eine alte Wolldecke, die man vor Schädlingen bewahren müsste. Nein! Das Wort Gottes ist eine dynamische Wirklichkeit, stets lebendig, und es entwickelt sich und wächst, denn es ist auf eine Erfüllung hin angelegt, die die Menschen nicht stoppen können (…). Man kann die Lehre nicht bewahren, ohne ihre Entwicklung zuzulassen. Man kann sie auch nicht an eine enge und unveränderte Auslegung binden, ohne den Heiligen Geist und sein Handeln zu demütigen.“

Auf der Familiensynode im Herbst 2015 formulierten die Bischöfe der deutschen Sprachgruppe folgendes Schuldbekenntnis: „Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuell orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete. Als Bischöfe bitten wir diese Menschen um Verzeihung (…)“.

Dr. Rudolf Walter, Frankenthal
 

Zuletzt geƤndert am 26­.06.2022