7.9.2007 - tagesschau.de

Ein Besuch, der die Österreicher spaltet

> Weitere Medienreaktionen auf der Seite der österreichischen Plattform "Wir sind Kirche"

Papst Benedikt XVI. in Wien

Bis zum Sonntag ist Papst Benedikt XVI. in Österreich. Doch der Besuch sorgt dort nicht nur für Begeisterung. Vielen Gläubigen kommt die katholische Kirche zu rückwärtsgewandt vor.

Von Jörg Paas, ARD-Hörfunkstudio Wien

Der Besuch von Papst Benedikt XVI. im österreichischen Mariazell und seine Teilnahme an den Feierlichkeiten zur 850-Jahr-Feier des Wallfahrtsortes stehen im Mittelpunkt seiner Reise nach Österreich, der einzigen in ein europäisches Land in diesem Jahr. Dieser Besuch sei ein großes Privileg für das kleine, aber von Benedikt geliebte Land, sagt der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn: "Es ist sozusagen die Heimkehr eines Papstes, der ganz starke Bindungen zu unserem Land hat. Er kennt es seit langem und offensichtlich schätzt er es auch ganz besonders."

Andersherum ist die Wertschätzung hingegen weniger eindeutig. Viele der rund sechs Millionen Katholiken in Österreich stehen dem Papstbesuch abwartend bis skeptisch gegenüber. "Für mich müsste er nicht kommen. Wenn ich sehe, wie viel Geld das kostet und was das für ein Aufwand ist, dann wäre es besser, er regiert in Rom und macht dort was Gutes," sagt eine Passantin.

Wenig Platz für Gespräche mit Gläubigen

Papst Benedict XVI. (Foto: dpa) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Papst Benedict XVI. wird auf seiner Österreichreise auch auf viele kritische Stimmen stoßen. (Archivbild)"> Rund fünf Millionen Euro wird die Kirche für den dreitägigen Besuch von Benedikt XVI. in Österreich ausgeben - staatliche Empfänge und Sicherheitsmaßnahmen sind noch nicht mit eingerechnet. Zehn Ansprachen und Predigten will der Heilige Vater in der kurzen Zeit halten, für den Dialog mit den Gläubigen bleibt hingegen nur wenig Platz. Das sorgt für Enttäuschung: "Ich habe ihn erlebt, als er noch in Freising war, und da waren wir sehr begeistert von ihm. Er hat damals unwahrscheinlich offen und herzlich gewirkt, aber ehrlich herzlich", sagt ein Katholik. Jetzt hab er oft den Eindruck, dass der Papst vor irgendetwas Angst habe. "Ich empfinde es als Medienereignis, aber religiös berührt es mich eigentlich nicht."

"Die Situation schreit nach Lösungen"

Ein Forum für ihre Kritik am Papst haben viele Katholiken in Österreich in der Plattform "Wir sind Kirche" gefunden. Die Bewegung wird zwar von der Amtskirche nicht offiziell anerkannt, weil sie - wie der heutige Papst es vor einigen Jahren noch als Kardinal Ratzinger formulierte - "zum Teil der christlichen Lehre widerspricht und in offenem Gegensatz zur kirchlichen Ordnung steht". Über mangelnden Zulauf kann sich die Plattform dennoch nicht beklagen, wenn sie den Zustand der katholischen Kirche in Österreich beklagt: "Die Situation der österreichischen Kirche schreit direkt nach Lösungen. Weniger als zehn Prozent interessieren sich überhaupt noch für die Kirche. In die Kirche gehen ältere, alte oder sehr alte Menschen. Wir sind dabei, die unter 50-Jährigen fast ganz zu verlieren, und Fragen der Mitbestimmung sind weiterhin zurückgedrängt."


Papstschreiben stößt viele vor den Kopf "Glaube ist Gegenwart, er öffnet die Tür zur Zukunft", schrieb Benedikt XVI. diese Woche in einem Grußwort an die Leser der österreichischen Kirchenzeitungen. Vielen Katholiken kommt die Kirche jedoch eher rückwärtsgewandt vor. Die Aufwertung der lateinischen Messe, vor allem aber ein Papstschreiben vom Juli, in dem den Protestanten der Status als Kirche abgesprochen wird, stößt viele Gläubige vor den Kopf.

Auch wenn der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, als einer der Mit-Initiatoren dieses Schreibens, zu erklären versucht, dass alles ganz anders gemeint ist: "Vom katholischen Standpunkt aus fehlen den evangelischen Kirchen gewisse Elemente, die zum vollen Verständnis, zum vollen Begriff der Kirche gehören. Aber es wird ihnen nicht abgesprochen, dass sie kirchlich sind. Und jeder, der das Dokument sorgfältig gelesen hat, muss meines Erachtens zu dieser Konklusion kommen."

Die Basis bleibt jedoch irritiert. Ein derart großer Aufwand, um das Trennende zwischen Christen hervorzuheben - das leuchtet vielen Kirchgängern in Österreich nicht ein: "Ich verstehe nicht, dass man diese trennenden Sachen so stark unterstreicht, wo es viele andere Dinge gibt, wo wir Gemeinsamkeiten haben und wo wir gemeinsam vorwärts kommen", sagt ein Kirchengänger. Gequälter Dialog

Versuche, im Vorfeld des Papst-Besuches den Dialog der Amtskirchen in Österreich voranzubringen, wirkten etwas gequält. Der evangelische Bischof Herwig Sturm verweist hingegen auf die gelebte Ökumene, in der sich die Basis völlig unkompliziert begegnen: "Basis heißt in Österreich: 80 Prozent der Familien sind gemischt konfessionell. Basis heißt in Österreich: Ein evangelischer Christ wird begraben und 90 Prozent der Trauergemeinde ist katholisch. Basis heißt in Österreich: Katholiken, wenn sie etwas von Kirche erleben, erleben die evangelische Kirche in einer sehr respektablen und auch für Katholiken würdevollen Form. Und niemand versteht, dass es offenkundig kein wichtigeres Thema gibt als die Differenzen herauszustreichen. Das versteht an der Basis niemand."

Vergebliche Bemühungen um Gesprächstermin Kritik an Benedikt XVI. kommt auch aus den katholischen Kirchengemeinden in Österreich. Der frühere Wiener Caritas-Chef und Generalvikar Helmut Schüller hat eine Pfarrer-Initiative gegründet, die auf die Sorgen der Pfarreien - wie Priestermangel und Kirchenaustritte - aufmerksam machen will, sich im Vorfeld des Papst-Besuches aber vergeblich um einen Gesprächstermin mit dem Pontifex bemühte.

"Schweigen, wo eigentlich Dialog sein sollte"

Der Papst, so Pfarrer Schüller, solle sich generell bei Besuchen in einem Land mehr Zeit nehmen, den Gläubigen zuzuhören. Diese Möglichkeit sei zumindest im Rahmen der Österreich-Visite zu wenig gegeben: "Ich habe eher die Sorge, dass es da so eine Art Schweigespirale gibt: Die Bischöfe sagen dem Papst nicht mehr, was er nicht mehr hören will. Die Pfarrer sagen den Bischöfen nicht mehr, was sie glauben, was sie dem Papst nicht mehr sagen können. Die Leute reden mit den Pfarrern nicht mehr über das, was sie wissen, dass sie es den Bischöfen nicht mehr sagen können. Das heißt, es dreht sich nach unten und wird ein großes Schweigen - dort wo eigentlich der Dialog sein sollte."

Wiener Erzbischof glaubt an Erfolg des Papst-Besuchs

Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, bleibt als Gastgeber von Benedikt XVI. dennoch zuversichtlich, dass - trotz aller Verärgerung an der Basis im Vorfeld der Papstreise nach Österreich - der Besuch selbst ein voller Erfolg wird. "Ich hoffe, dass heute nicht Feuer am Dach ist, sondern Feuer in den Herzen, und dass viele Katholiken in diesem Land neue Freude am Christ sein, am Glauben geschöpft haben, und ich bin sicher, Papst Benedikt wird uns darin sehr bestärken."

Zuletzt geändert am 07­.09.2007