10.9.2007 - Die Tageszeitung

Pädophilie - Priester schockt Katholiken

Ein bereits wegen Kindesmissbrauchs verurteilter bayerischer Priester ist rückfällig geworden. Die Gemeinde ist fassungslos - der Bischof gerät in Erklärungsnot. VON MAX HÄGLER

MÜNCHEN taz Es klingt wie der Plott zu einer Heimattragödie im Fernsehen - aber der Fall ist real und handelt in der Oberpfalz. Ein Priester wird im Jahr 2000 in einer nichtöffentlichen Verhandlung wegen Kindesmissbrauchs verurteilt zu einer Bewährungsstrafe. Die Familie des betroffenen Jungen erhält 5.000 Mark Schmerzensgeld, der Täter unterzieht sich einer Psychotherapie und bekommt eine Auszeit in der Seniorenseelsorge. Dann wird dem Mann wieder eine eigene Gemeinde zugeteilt, samt eigener Ministranten. Mindestens an einem seiner Schutzbefohlenen soll er sich zwischen 2003 und 2006 vergangen haben. Seit Ende August sitzt der 39-jährige katholische Pfarrer der 800-Seelen-Gemeinde Riekofen nun in Haft.

Und der Regensburger Bischof? Gerhard Ludwig Müller schreibt einen Brief an die Gemeinde und versendet Pressemitteilungen zum Thema. Die Gemeinde besucht er nicht, stattdessen gibt er bizarre Interviews.

"Ich habe das Foto des jungen Mannes in der Zeitung gesehen", berichtete der Oberhirte Müller am Wochenende der Mittelbayerischen Zeitung mit Blick auf das erste Opfer seines Priesters. "Er macht auf mich einen sympathischen Eindruck", urteilt der Bischof über Benedikt T., der 1999 in Viechtach vom damaligen Kaplan missbraucht worden war. Erst ein Bericht der Passauer Neuen Presse Ende Juli hatte diese Vergangenheit des Gemeindepfarrers von Riekofen bekannt gemacht. Einige Wochen nach dem Text meldeten sich dann weitere Betroffene bei der Polizei.

Bischof Müller sieht dennoch keine Fehler in seinem Handeln. Der katholische Geistliche, der seit knapp fünf Jahren an der Spitze des Bistums Regensburg steht, stand wiederholt wegen seines Führungsstils in der Kritik. Die Zusammensetzung von Laiengremien änderte er, Kritiker aus seinen Gemeinden kanzelte er in öffentlichen Mitteilungen ab - und auch im aktuellen Missbrauchsfall versucht sich Müller in der Vorwärtsverteidigung: "Wir lassen uns nicht verleumden und wenn das nicht aufhört, werden wir auch rechtlich dagegen vorgehen", polterte er am Wochenende gegen seine Kritiker.

Die gibt es zu Hauf. Der Bürgermeister von Riekofen, Armin Gerl (Freie Wähler), wirft dem Bistum vor, die Vergangenheit des Ortspfarrers verschwiegen zu haben. Und auch die Laienbewegung "Wir sind Kirche" beklagt das Verhalten des Bischofs. "Der Großteil der Bevölkerung sieht dem Ganzen nur noch fassungslos zu", sagte Sigrid Grabmeier, Mitglied des Bundesteams "Wir sind Kirche", gestern der taz: "Ich empfinde das Verhalten als Vertuschung." Auch die Reaktionen seit Bekanntwerden des Falles seien untragbar für die Gemeinde. "Anstatt nach Riekofen zu fahren und zu sagen: ,Es tut mir so leid', lässt er die Bürgermeister zu sich nach Regensburg ins Ordinariat kommen", klagt Grabmeier, deren Heimatdekanat ebenfalls im Bistum Regensburg liegt.

Die Kirchenfunktionäre bemühen sich derweil, den Fall abzuwiegeln. So erklärte Generalvikar Michael Fuchs der Katholischen Sonntagszeitung, wie es zur Wiedereinsetzung des vorbestraften Pfarrers kommen konnte. "Nach dem Vorfall in Viechtach 1999 hat sich der Priester einer vierjährigen Psychotherapie unterzogen." Ein abschließendes Fachgutachten habe dann festgestellt, dass keine pädophile Fixierung vorliege und kein Rückfall zu erwarten sei. Um den Persönlichkeitsschutz der betroffenen Familie und auch des Täters zu wahren, sei nur der zuständige Dekan eingeweiht worden, "mit der Bitte ein besonderes Auge darauf zu haben", so Fuchs.

Die entscheidende Frage konnte das Ordinariat gestern nicht beantworten: Sind noch mehr vorbestrafte Seelsorger im Bistum tätig?

Zuletzt geändert am 10­.09.2007