an den Münchner Merkur

zum Interview mit Bischof Marx "Die Kirche braucht neue Strukturen" am 09.01.2008

Mit großer Aufmerksamkeit habe ich als kritischer Katholik Ihren o.a. Beitrag gelesen.„Die Botschaft“, dass Bischof Marx die Strukturen der Kirche verändern möchte, „hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“(Goethe: Faust I; Nacht), dass sich damit etwas verändern ließe. Strukturen verschaffen keine geistigen Veränderungen. Und bei kirchlichen Strukturen war es seit dem 2. Vatikanischen Konzil so, dass man zwei Schritte voraus ging und wenigstens einen, wenn nicht mehr, wieder zurück.

Nein! Neue Strukturen werden nichts ändern. Ein neuer Geist ist not-wendig. Jener Pfingstgeist der „vom Himmel“ her das Haus mit einem Brausen erfüllte und die ängstlich kleinlichen Bewohner mit dem Feuer der Liebe entzündete und in Bewegung setzte; so entzündete, dass sie diese Erfahrung mit-teilen mussten, weitergeben mussten.

Was die Kirche dringend benötigt, will sie nicht in die Bedeutungslosigkeit versinken, ist dieser neue Geist der Liebe. Den Geist eines ehrlichen und gleichberechtigten Dialogs mit allen Beteiligten (und nicht immer nur Verordnungen, Belehrungen und Erklärungen von oben nach unten!). Den Geist freiheitlicher und verbindlicher (= verbindender) Kommunikation und den Geist heiterer und befreiender Gemeinschaft, die offen ist für alle Menschen. Wir brauchen nicht länger den Ungeist der Ängstlichkeit und der Furchtsamkeit, den Ungeist der Feigheit und der (Gesprächs-) Verweigerung, den Ungeist der Verharmlosung innerkirchlicher Probleme sowie den Ungeist des bedingungslosen Gehorsams.

Die christliche Kirche hat das wohl beste Programm der Welt: Die Verkündigung des den Menschen bedingungslos liebenden Gottes (Eugen Biser), die in Jesus beispielhaft sichtbar, fühlbar und erlebbar geworden ist. Wo diese Liebe auch nur annähernd gelebt und verkündet würde, da gäbe es keine Auszüge und keine Austritte und keine enttäuschte Abkehr. Doch die Reduzierung religiösen Lebens auf (teilweise) langweilige Eucharistiefeiern mit noch langweiligere Predigten, auf Rosenkranz- und Kreuzwegandachten (die natürlich ihre Berechtigung haben sollen), können diesen Geist der Liebe nur unzureichend erlebbar machen.

Es gibt eine unglaubliche religiöse Sehnsucht im Lande, die aber von den Kirchen nicht aufgenommen wird. Strukturveränderungen werden diesen Sehnsüchten keinen Anhalt bieten, den Exodus nicht stoppen. Nur ein neuer Geist! Statt dem Menschen diesen neuen Geist der Liebe zu vermitteln und ihm zu verdeutlichen, dass alles, was ihn in seinem Leid und seiner Not und auch in seinem Glück angeht, auch Gott angeht, reduziert sie ihr Angebot auf Gottesdienst- und Andachtsformen von vorgestern in einer blutleeren (Herrschafts- und Untertanen-) Sprache, die nicht mehr von dieser Welt ist, und gegen die sich der Kopf wehrt und die das Herz nicht mehr berührt. Neue Strukturen schaffen deshalb keine Veränderungen, sie versuchen nur wieder neu Glauben zu uniformieren, zu dogmatisieren und den Geist in einer leeren Formelsprache gefangen zu nehmen.

Wenn aber schon neue Strukturen, dann solche, die in einer immer noch Männer- und Priesterzentrierten Kirche, den Laien (Frauen und Männern) viel größere Möglichkeiten des Mitgestaltens einräumt. Solange Laien, die sich kreativ und eigenständig in der Kirche engagieren wollen, nicht nur nicht geduldet, sondern sogar bekämpft werden, weil in kleinlicher Engstirnigkeit und Ängstlichkeit erzogene „Gläubige“, den Zusammenbruch ihres von ideologischen Mauern umgebenen Gefängnisses einstürzen sehen, wird und kann sich nichts ändern. und kein befreiender und ansteckender Aufbruch stattfinden.

„Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, bei mir könnt ihr Ruhe finden.!“ fordert Jesus (Mt 11,28). Und danach sehnt sich die Menschheit, nicht nach neuen Strukturen. Aber wehe es kommt einer, der mühselig und beladen ist. Die Hürden der Eintrittsqualifikation und die gelebte religiöse Praxis werden ihn sofort abschrecken. Religion als du musst, du sollst, du darfst, du darfst nicht Religion, als auf Tradition reduzierte Praxis, wo die Existenz der befreienden Liebe Gottes zu den Menschen nicht einmal mehr erahnt, geschweige denn erlebt wird, da hat sie keine Chance, auch nicht mit veränderten Strukturen.

Egon Weiß
85447 Fraunberg

Zuletzt geändert am 16­.01.2008