27.4.2010 - Donaukurier

Die Kritik im Selbstreinigungsprozess der Kirche

Zu Bischof Hankes Äußerungen über offene Aggression gegen Papst und Kirche:

Während eines Gottesdienstes zum 83. Geburtstag und 5. Jahrestag der Wahl von Benedikt XVI. sprach der Eichstätter Bischof im Zusammenhang mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs von einer zunehmenden Aggression gegen Papst und Kirche. Er frage sich, ob diese Haltung nicht einer „Kulturkampf-Mentalität vergangener Zeiten“ nahe kommt. Gewisse Medien- und Kirchenkreise wollten den klaren Standpunkt des Papstes und früheren Präfekten der Glaubenskongregation nicht wahrhaben. Die Gläubigen sollten sich nicht von Stellungnahmen „gewisser Meinungspäpste“ beirren lassen, die zum Ungehorsam gegen den Papst auffordern, ihre eigenen Meinungen und Analysen aber offensichtlich für unfehlbar hielten.

Bei allem Verständnis für Gehorsam dem Papst gegenüber: Die Worte von Bischof Hanke zeigen, dass er offensichtlich nicht unterscheiden kann oder will zwischen berechtigter und sogar dringend notwendiger Kritik am Fehlverhalten von Priestern, Bischöfen und Papst einerseits und vereinzelter medialer Übertreibungen andererseits.

Otto Wüst, der frühere Bischof von Basel, äußerte sich vor Jahren: „Kritik gehört zum Dasein der Kirche. Sie hat eine wichtige Aufgabe im Selbstreinigungsprozess der Kirche, die ja unablässig den Weg der inneren Erneuerung gehen muss. Kritik hat es darum in der Kirche immer gegeben. Schon die Apostelgeschichte berichtet davon: Paulus kritisiert das Verhalten des Petrus. … Jesus selbst war ein großer Kritiker. Denn was kann Kritik in der Kirche anderes sein als Aufforderung zur Buße, zum Umdenken, zur Erneuerung und Veränderung?“

Prof. Heinrich Fries erklärte einst zum gleichen Thema: „Anstelle des im Konzil empfohlenen Dialogs und der Kommunikation auch zwischen Lehramt und Theologie ist der Monolog und die Pflicht zum Gehorsam getreten. Als höchste Tugend des Katholiken wird die strikte Befolgung der lehramtlichen Weisungen angesehen, zugleich als Maß der Kirchlichkeit. … Es ist indes keineswegs so, dass die Autorität als solche heute generell abgelehnt wird. Sie wird akzeptiert und sogar dankbar angenommen, wenn sie argumentativ, aus Gründen und Einsichten des Glaubens überzeugt und sich als kompetent erweist. Wenn und wo aber die Autorität nur auf sich selbst pocht und beruft und weitere Fragen und Diskussionen verbietet, stoßen ihre Weisungen auf Widerspruch, sie werden nicht übernommen zum großen Schaden der Autorität selbst. Dadurch entsteht jene Polarisierung in der Kirche, die heute vielfach beklagt wird. Bernhard Häring sprach von einem heute manifest gewordenen psychologischen Schisma: auf der einen Seite der Triumphgesang der Unversöhnlichen, zu keinem Kompromiss Bereiten, auf der anderen Seite Zorn, Misstrauen, antirömischer Affekt und als Ergebnis die Distanzierung vieler von der Kirche und der Abschied von ihr. Zu all dem kommt ein Klima der Verketzerung, der Anfeindung und der Denunziation, das die noch vorhandenen Reste vollends zu zerstören droht. Das Ganze führt zur Selbstzerstörung der Autorität.“

Die „Wir sind Kirche“-Diözesangruppe Eichstätt distanziert sich klar von den bischöflichen Ansichten, besonders bei den Aussagen „Kulturkampf-Mentalität vergangener Zeiten“ und „gewisser Meinungspäpste“, die „ihre eigenen Meinungen und Analysen offensichtlich für unfehlbar halten“. Sie fragt, ob seiner Meinung nach Kritik nur „von oben nach unten“ erlaubt ist und empfiehlt Bischof Hanke endlich einen Dialog mit den Gläubigen zu führen, die Kritik aus Liebe zur Kirche üben. Wie hält es Bischof Hanke mit dem Glaubenssinn des Volkes (sensus fidelium)? Gehört der Eichstätter Bischof zu den Bischöfen, die sich oft wie Generalvikare des Papstes (Prof. Werner Böckenförde) verhalten?

Walter Hürter, Ingolstadt

Zuletzt geändert am 28­.04.2010