27.7.2010 an Münchner Kirchenzeitung

zur Kolumne "Wir sind Kirche" (25.7.2010)

Leserbrief zur Kolumne von Prof. em. Dr. Alois Baumgartner (Kurzfassung)

Unsere katholische Kirche steckt in einer tiefen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise. Das hat mit verweigerten Reformen zu tun. Für deren Verwirklichung kämpft nicht zuletzt die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche. Falls der sonst so besonnen wirkende Prof. em. Dr. Alois Baumgartner als oberster Laienvertreter der Erzdiözese München-Freising, mit der Bezeichnung „Agenten eines immerwährenden kritischen Katholizismus“ diese KirchenVolksBewegung gemeint haben sollte, dann ignoriert er deren Kärrnerarbeit zusammen mit dem Pastoraltheologen Ottmar Fuchs, dem Sozialethiker Friedhelm Hengsbach SJ, dem Ökumeniker Hans Küng und dem Konzilszeugen P. Wolfgang Seibel SJ.. Prof. Baumgartners Klage über zu viel öffentlich geäußerte Kritik ist weder für "Laien" noch für geweihte Amtsträger repräsentativ.

Nicht nur er sollte begreifen, dass deutliche, für Selbstkritik offene Kirchenkritik ein notwendiger Dienst an der Kirche sein kann. Wenn wir selbstkritisch und ehrlich sind, dann müssen wir eingestehen, dass ohne die „säkulare Presse“ einige Missstände in der Kirche nicht so konsequent aufgedeckt worden wären. Und wenn sich jahrzehntelang "oben" nichts erneuert, dann kann Kritik "immerwährend" sein, auf lateinisch „semper“– „ecclesia est semper reformanda". Klagen über kirchliche Amtsträger, auch über Bischöfe und dem Papst, sind uns deshalb Ansporn mutige Reformen anzupacken, damit die Kirche – unsere Kirche - aus dem Glaubwürdigkeitsdefizit vielleicht eines Tages doch wieder herauskommt. Berechtigte Kritik rechtfertigt keine Ausgrenzung.

Nehmen wir das freie Wort von Prof. Baumgartner zum Anlass, um ernsthaft und fair mit geeigneten Worten und Argumenten über gangbare Wege aus der Krise zu streiten!

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Leserbrief zur Kolumne von Prof. em. Dr. Alois Baumgartner (Langfassung)

Unsere katholische Kirche steckt in einer tiefen Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise. Es begann mit der sog. "Pillenenzyklika" im Jahre 1968 und ging über die Ausgrenzung der Befreiungstheologie, die Verdammung von "Donum Vitae", die Reintegration nicht gerade reformfreudiger Piusbrüder bis zu den jüngst aufgedeckten weltweiten Missbrauchsskandalen. Das hat auch einiges mit verweigerten Reformen zu tun. Für deren Verwirklichung kämpft nicht zuletzt die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche.

Falls der sonst so besonnen wirkende Prof. em. Dr. Alois Baumgartner, immerhin oberster Laienvertreter der Erzdiözese München-Freising, mit der Bezeichnung „Agenten eines immerwährenden kritischen Katholizismus“ diese KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche gemeint haben sollte, dann ignoriert er deren Kärrnerarbeit zusammen mit dem Pastoraltheologen Ottmar Fuchs, dem Sozialethiker Friedhelm Hengsbach SJ, dem Ökumeniker Hans Küng und dem Konzilszeugen P. Wolfgang Seibel SJ, um nur einige zu nennen. Prof. Baumgartners Klage über zu viel öffentlich geäußerte Kritik ist nur zu einem geringen Teil berechtigt und – Gott sei Dank! - weder für "Laien" noch für geweihte Amtsträger repräsentativ.

Viele Mitwirkende bei "Wir sind (auch) Kirche" engagieren sich in Gemeinden und Verbänden. Dazu zählen Priester, Ordensleute, ReligionslehrerInnen, PastoralassistInnen und GemeinderefertentInnen. „Wir sind Kirche“ spricht für diese "Frontkämpfer", die Reformen einfordern, aber dann oftmals lieber schweigen, weil ihnen von "oben" nicht mehr richtig zugehört wird oder weil sie nachteilige Konsequenzen fürchten oder fürchten müssen. Offen Kritik zu äußern ist gerade heute besonders wichtig, weil viele den Glauben an die Reformfähigkeit der kirchlichen Hierarchie schon fast verloren haben.

Nicht nur Prof. Baumgartner sollte begreifen, dass deutliche, für Selbstkritik offene Kirchenkritik ein notwendiger Dienst an der Kirche sein kann. Wenn wir selbstkritisch und ehrlich sind, dann müssen wir eingestehen, dass ohne die „säkulare Presse“ einige Missstände in der Kirche nicht so konsequent aufgedeckt worden wären. Und wenn sich jahrzehntelang "oben" nichts erneuert, dann muss Kritik "immerwährend" sein, auf lateinisch „semper“– „ecclesia est semper reformanda".

Im Jahr 1552 weigerte sich Bischof Wilhelm von Ketteler, den päpstlichen Gehorsamseid zu leisten, weil dieser die Verpflichtung enthielt, Häretiker und Schismatiker notfalls mit dem Schwert zu verfolgen. Paulus hat Petrus ins Angesicht widerstanden. Klagen über kirchliche Amtsträger, auch über Bischöfe und dem Papst, sind uns deshalb Ansporn mutige Reformen einzufordern, damit die Kirche – unsere Kirche - aus dem Glaubwürdigkeitsdefizit vielleicht eines Tages doch noch herauskommt. Berechtigte Kritik rechtfertigt keine Ausgrenzung.

Eine allgemeine katholische Streitkultur, ganz ohne Diffamierung gegnerischer Ansichten und Absichten, steht wohl noch in den Sternen. Statt sich mit den Positionen kritischer Katholiken, die in den meisten Fällen von der Mehrheit der engagierten Kirchgänger geteilt werden, argumentativ auseinander zu setzen, werden diese oftmals abgewertet und ins Abseits gestellt. Nehmen wir das freie Wort von Prof. Baumgartner zum Anlass, um ernsthaft und fair mit geeigneten Worten und Argumenten über gangbare Wege aus der Krise zu streiten!

Dr. Edgar Büttner, Bad Aibling, Sprecher "KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche" in der Erzdiözese München-Freising

Zuletzt geändert am 28­.07.2010