Leserbriefe Süddeutsche Zeitung 7.1.2012

zum Interview mit Kardinal Marx 24./25./26.12.2012 „Die Katholiken hier sind eher tolerant“

Die Macht des Erzbischofs
Folgt man dem Münchner Kardinal gibt es tolerante und nicht-tolerante Katholiken. Das wirft die interessante Frage auf: Wie tolerant ist Reinhard Marx ? Tolerant ist der Kardinal gegenüber Opus Dei, auch wenn er formell nicht Mitglied ist. Marx hat sich schon als Bischof von Trier öffentlich für die Heiligsprechung von Escriva de Balaguer ausgesprochen. Die Einstellung des Kardinals zur Homosexualität ist bekannt: „Eine homosexuelle Beziehung wird von der Kirche nicht akzeptiert.“ Dabei unterscheidet der Wortlaut nicht scharf zwischen einer „homosexuellen Beziehung“ (die selbst der katholische Katechismus akzeptiert) und einer sexuellen Beziehung zwischen zwei gleich-geschlechtlich orientierten Mitmenschen.
Die Frage, ob Reinhard Marx zu den eher toleranten oder eher zu den nicht-toleranten Katholiken gehört, sollten (nicht nur) Katholiken ernsthaft stellen und beantworten. Ein Erzbischof verfügt über nahezu uneingeschränkte Machtbefugnisse über seine Kirchenmitglieder, seien sie nun tolerant oder intolerant. Und Reinhard Marx zögert bekanntlich nicht, seine Macht einzusetzen. Wer könnte ihn davon abhalten?
Dr. Edgar Büttner, Bad Aibling

Über die Sorgen hinweg
Das Interview unseres Bischofs versucht mit Leichtigkeit über unsere und hoffentlich auch seine Sorgen hinweg zu gehen und lässt viele Engagierte in völliger Ratlosigkeit zurück. Wenn von etwa 700 Priestern in der Diözese sich nur etwa 50 zur Pfarrer-Initiative des „Münchner Kreises“ öffentlich bekennen, dann bedeutet dies nicht die Zustimmung der Mehrzahl zur gegenwärtigen Situation, sondern dass sich nur 50 trauen. Wie sagte doch prophetisch der kürzlich verstorbene ehemalige Bischof von Mailand, Kardinal Martini: „Die Kirche ist 200 Jahre stehen geblieben. Warum bewegt sie sich nicht? Angst statt Mut? Wo doch der Glaube das Fundament der Kirche ist. Der Glaube, das Vertrauen, der Mut.“
Tillo Weinmann, Puchheim

Eindrucksvoll
Lob an die SZ für die vielseitigen Einblicke in die heutige Situation der katholischen Kirche! In der Weihnachtswoche sind uns dabei zwei für sich sprechende eindrucksvolle Darstellungen besonders ins Auge gefallen: Auf der einen Seite das Star-Porträt des barocken Münchner Kardinals, jetzt Hausherr im kurfürstlichen Prunkpalais, auf der anderen Seite die herzerfrischende Schilderung der engagierten Nonnen in Los Angeles, die Schwulen, Transsexuellen, HIV-Infizierten und obdachlosen Jugendlichen vor Ort in ihrer verzweifelten Lage helfen – und sich dafür vom Vatikan massive Kritik einhandelten . . . Es dürfte sich die Frage erübrigen, in welcher Gesellschaft sich Jesus wiederfinden würde!
Rudolf und Maria-Anna Berg, München

Zuletzt geändert am 12­.01.2013