24.12.2017 - Der Pilger

Gottes Geschöpfe mit ihrer Sexualität

Zum Leserbrief „Im Widerspruch zur Schöpfungsordnung“, „der pilger“ vom 10. Dezember, S. 7.

Die Frage der kirchlichen Trauung von homosexuellen Paaren ist für die Wir sind Kirche – Bewegung recht neu. Bei der Gründung der Bewegung im Jahre 1995 konnte sich niemand etwas Derartiges vorstellen. Und da kommen wir schon zum Kern des Problems: Die Diskussion um die Homosexualität hat in den letzten Jahrzehnten eine Aktualität erlangt, die sich früher niemand vorstellen konnte. Worüber früher nur getuschelt wurde, darüber wird heute offen gesprochen. Die meisten Menschen sahen früher in der Homosexualität eine zutiefst unanständige und sündhafte sexuelle Verirrung. Inzwischen hat uns die Wissenschaft etwas völlig anderes gelehrt, und aufmerksame Beobachter haben das relativ früh zur Kenntnis genommen. Der Mannheimer Dekan Franz Völker sagte zu meinem Erstaunen schon vor 30 Jahren, dass die Homosexualität einfach eine Spielart der Natur sei.

Nun ein Wort zur göttlichen Schöpfungsordnung. Etwa vier Prozent der Weltbevölkerung dürften homosexuell sein, das sind rund 300 Millionen Menschen. Sie sind Gottes Geschöpfe, auch mit ihrer Sexualität. Ihnen gebührt Achtung, Toleranz, Nächstenliebe und Gleichberechtigung. Es ist für mich kaum vorstellbar, dass Gott sie mit einer Sexualität ausgestattet hat, die sie nur in sündhaftem Tun gebrauchen können. Es ist für mich auch kaum vorstellbar, dass Gott für sie alle ein zölibatäres Leben vorgesehen hat.

Heute herrscht in vielen Ländern die Einsicht, dass es extrem ungerecht war und ist, Homosexuelle wegen ihrer sexuellen Orientierung zu verurteilen. Aber es gibt auch die Einsicht, dass jede Diskriminierung von Homosexuellen aufhören muss. Die Bundesrepublik Deutschland hat dies mit der Ehe für alle bis zur letzten Konsequenz getan, die katholische Kirche scheut sich aber davor, indem sie  homosexuellen Paaren den Segen und erst recht die kirchliche Trauung verwehrt. Ob diese Haltung Bestand hat, weiß heute niemand. Die Tatsache, dass Liebe und Treue „bis dass der Tod Euch scheidet“ zum Kern des Eheversprechens gehört und dass homosexuelle Paare dazu ebenso fähig sind wie heterosexuelle,  ist m. E.  das wohl stärkste Argument, das  für eine Reform der heutigen Regelung spricht. – Bekanntlich ist die Segnung homosexueller Paare in der evangelischen Kirche schon heute üblich. 

Dr. Rudolf Walter, Frankenthal

 

Zuletzt geändert am 22­.12.2017