"fact sheets": Katholische Kirche in Deutschland am Wendepunkt

 


Anlässlich des zweiten Deutschlandsbesuches von Papst Benedikt XVI. in seinem Heimatland informierte die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche in aller Kürze über die aktuelle Situation der römisch-katholischen Kirche in Deutschland und das besondere Verhältnis zwischen dem Vatikan – wo Joseph Ratzinger mehr als 23 Jahre Präfekt der Glaubenskongregation war – und der Kirche in Deutschland.

Die wesentlichen Abschnitte wurden auch ins Englische, Spanische, Französische, Italienische und Portugiesische übersetzt.

Für alle weiteren Auskünfte stehen kompetente Interviewpartner/innen aus der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche gerne zur Verfügung.

1. Aktuelle Krise - Dramatischer Traditionsabbruch in der Seelsorge
2. Kirche und Staat – nur bedingte Trennung
3. Ausgeprägte Laienstruktur – doch die Kluft zwischen Klerus und Laien wird immer größer
4. Kirche und Geld - Immer noch eine der reichsten Kirchen weltweit und wichtige Unterstützerin des Vatikans
5. Reformation und Ökumene in Deutschland
6. Umfragen zeigen: Das Kirchenvolk ist für Reformen bereit
7. Aufrüttelnde Studie: Katholische Kirche erreicht nur noch eine Minderheit der Deutschen
8. Kirchliche Reformgruppen in Deutschland
9. Bischof von Regensburg: Vorreiter oder Außenseiter? – Mahnwachen beim Papstbesuch
10. Das erste Amtsjahr von Papst Benedikt ist vorüber ...
11. Joseph Ratzinger und die Kirche in Deutschland
12. Frühe Zitate von Joseph Ratzinger
13. Kardinal Ratzinger und Wir sind Kirche
14. Ökumenisches Rahmenprogramm in Berlin zum Papstbesuch in Bayern
15. Buchtipps

 

 

 

1. Aktuelle Krise: Dramatischer Traditionsabbruch in der Seelsorge

Mit etwa 32 Prozent (26 Millionen Katholiken und Katholikinnen) ist die römisch-katholische Kirche derzeit noch die größte nichtstaatliche Organisation in Deutschland, knapp vor der evangelischen Kirche. Mittlerweile haben aber mehr als 35 Prozent der 82 Millionen Deutschen eine andere oder aber keine Religionszugehörigkeit.

Die Zahl der Katholiken in Deutschland hat sich seit 1990 um 8,0 Prozent verringert. Der Anteil der sonntäglichen Gottesdienstteilnehmer/innen lag 2004 bei knapp 15 Prozent aller Katholiken und Katholikinnen.

Die römisch-katholische Kirche in Deutschland befindet sich derzeit in einer tief greifenden strukturellen, personellen und religiösen Krise, deren Auswirkungen in den kommenden Jahren erst richtig sichtbar sein werden.

Die Seelsorge in Deutschland, wie in der gesamten katholischen Kirche, steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Immer weniger junge Männer wollen sich für den zölibatären Priesterberuf entscheiden. Viele Gemeinden werden in Zukunft ohne Priester sein – oder ganz aufgelöst werden. Auch die Orden sprechen von dramatischem Nachwuchsmangel.

­ Die Zahl der Priester ist zwischen 1992 und 2004 um 29 Prozent zurückgegangen (von 19.266 auf 13.681), von denen viele auf Grund der schon jetzt hohen Altersstruktur nicht mehr im pastoralen Dienst sind. Nur noch gut ein Viertel (26,3 Prozent) aller Pfarreien entspricht dem vertrauten Bild von der Pfarrei mit einem Pfarrer, der die Pfarrei leitet.

­ Im Jahr 2004 kamen nur 112 neu geweihte Priester hinzu. Im selben Jahr starben aber 311 Priester und 37 gaben ihren Dienst auf. 359 traten in den Ruhestand.

Dieser Trend ist weltweit: In dem mehr als 26-jährigen Pontifikat von Johannes Paul II. ging die Zahl der Priester um 4 Prozent zurück, während die Zahl der Katholiken und Katholikinnen weltweit um 40 Prozent anstieg. Schon jetzt hat fast die Hälfte aller katholischen Gemeinden auf der ganzen Welt keinen eigenen Priester mehr.

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche kritisiert, dass die Diözesen in Deutschland dem dramatischen Priestermangel und der finanziellen Situation derzeit vorwiegend mit strukturellen Reformen nach dem Muster des Wirtschaftsmanagements (McKinsey etc.) begegnen. Anders als in den Nachbarländern Frankreich und in der Schweiz leiden die derzeitigen Reformansätze besonders an der Fixierung auf den geweihten Priester und lassen das allgemeine Priestertum aller Getauften außer Acht.

 

 

 

 

2. Kirche und Staat – nur bedingte Trennung


Formell sind Staat und Kirche in Deutschland getrennt. Doch der besondere öffentlich-rechtliche Charakter der Kirchen (Kirchensteuereinzug durch den Staat, Religionsunterricht an den Schulen, Militärseelsorge, Präsenz in den Medien, etc.) lassen die Kirchen als eine öffentliche Macht erscheinen, die trotz sinkender Gottesdienstbesuche und einer allgemeinen Entkirchlichung des Lebensstils immer noch erhebliche Beachtung findet.

In der Bundesrepublik Deutschland (82 Millionen Einwohner/innen) gibt es 27 Bistümer – darunter 7 Erzbistümer – von sehr unterschiedlicher Größe.

Mehr als in anderen Ländern gibt es in Deutschland offiziell eine gewisse Beteiligung der Ortskirchen an Bischofsernennungen. Nach dem norddeutschen Preußenkonkordat hat das jeweilige Domkapitel ein Mitspracherecht und darf aus einer Dreierliste des Papstes den neuen Bischof wählen. In Bayern sucht der Papst aus nichtöffentlichen Kandidatenlisten den neuen Bischof aus.

Angesichts einiger kontroverser Bischofsernennungen durch Rom setzen sich die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken als offizielle Vertretung der Laien für eine stärkere Mitsprache der Ortskirchen ein.

Das von Papst Benedikt besuchte Bundesland Bayern (mit 12 Mio EinwohnerInnen eines der größten Bundesländer) ist mit sieben Bistümern das am stärksten katholisch geprägte Bundesland Deutschlands.

In Deutschland gibt es 22 katholisch-theologische Fakultäten an staatlichen und kirchlichen Hochschulen. Der hervorragenden wissenschaftlichen Ausbildung an staatlichen Universitäten verdankt auch Joseph Ratzinger seine exzellente Ausbildung.

Die im Anschluss an das Erste Vatikanische Konzil (1870) entstandene alt-katholische Kirche in Deutschland – Hauptkritikpunkte waren die dogmatischen Definitionen vom Jurisdiktionsprimat und von der Unfehlbarkeit des Papstes – hat in Deutschland heute etwa 25.000 Mitglieder.

 

 

 

 

3. Ausgeprägte Laienstruktur – doch die Kluft zwischen Klerus und Laien wird immer größer


Neben den seit Jahrhunderten bestehenden flächendeckenden Bistümern, Pfarrgemeinden und Ordenshäusern gibt es in Deutschland eine ausgeprägte Struktur katholischer Verbände und Räte wie in keinem anderen Land.

Pastorale Räte auf der Ebene der Pfarrgemeinden, Dekanate und Diözesen, in denen auch Laien mitwirken, gibt es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) und den nachfolgenden Synoden auf nationaler und diözesaner Ebene.

Im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das auf das Jahr 1848 zurückgeht, sind Vertreter/innen der diözesanen Räte sowie der katholischen Verbände (z.B. der Frauen, der Arbeitnehmer/innen und der Jugend) zusammengeschlossen. Als katholisch anerkannte Verbände sind sie jedoch personell und teilweise auch finanziell von den Bischöfen abhängig.

Der „Deutsche Katholikentag“, die wichtigste Veranstaltung des Laienkatholizismus, wird alle zwei Jahre vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken zusammen mit dem jeweiligen Ortsbischof veranstaltet.

Seit einigen Jahren haben auch Reformgruppen wie die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, die Möglichkeit, sich mit Veranstaltungen (z.B. mit dem französischen Bischof Jacques Gaillot und Prof. Dr. Hans Küng) an den Katholikentagen zu beteiligen und erhalten große Zustimmung.

Bereits 1994, also vor dem 1995 durchgeführten KirchenVolksBegehren, hatte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit einem aufsehenerregenden Papier „Dialog statt Dialogverweigerung“ eine breite innerkirchliche Reformdebatte gefordert.

Jetzt hat das Zentralkomitee im April 2005 in einer Resolution an die Deutsche Bischofskonferenz kirchliche Mitbestimmungsrechte für Laien auf allen kirchlichen Ebenen gefordert und nicht nur ein beratendes Stimmrecht. Doch dass Laien in einer Diözese mitbestimmen wollen, stößt in Rom auf Ablehnung.

Im Juni 2006 mussten sich die deutschen Bischöfe dem Druck aus Rom beugen: Im kirchlichen Dienst stehende Hauptamtliche und Ehrenamtliche dürfen sich nicht mehr in der Schwangerschaftskonfliktberatung engagieren. Damit wurde jetzt ausgeführt, was Kardinal Ratzinger, damals noch als Präfekt der Glaubenskongregation, bereits im Jahre 2003 „erbeten“ hatte.

Mit großer Sorge verfolgt die KirchenVolksBewegung die Zerschlagung bewährter Strukturen und die so genannte Neuordnung der Laiengremien im Bistum Regensburg, die Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller derzeit gegen starken Protest der Laien und auch seiner Amtsbrüder, doch mit Unterstützung aus dem Vatikan vollzieht.

Die Kleruskongregation in Rom hat kürzlich bei der Abweisung einer Beschwerde gegen die Rätereform im Bistum Regensburg die seit der „Würzburger Synode“ (1972-1975) bestehenden Pfarrgemeinde-, Dekanats- und Diözesanräte unter Verweis auf das Kirchenrecht grundsätzlich in Frage gestellt.

 

 

 

 

4. Kirche und Geld: Immer noch eine der reichsten Kirchen weltweit und wichtige Unterstützerin des Vatikans


Deutschland gehört zu den wenigen Staaten, die ein Kirchensteuersystem besitzen. Die – im Auftrag der Kirchen vom Staat eingezogene - Kirchensteuer wurde im 19. Jahrhundert als Ausgleich für die Verstaatlichung kirchlicher Güter und Privilegien eingeführt.

Durch die Kirchensteuer ist die katholische Kirche in Deutschland eine der reichsten Kirchen der Welt. 2004 brachte die Kirchensteuer der katholischen Kirche bundesweit 4,15 Milliarden Euro; fünf Jahre zuvor waren es allerdings noch 300 Millionen Euro mehr. – Hinzu kommen die Spendeneinnahmen der großen sozialen und kirchlichen Hilfswerke wie Misereor, Adveniat und Renovabis, mit jährlich mehreren 100 Millionen Euro.

Die Kirchensteuern sind nicht die einzige Einnahmequelle der Kirchen. Nach dem Subsidiaritätsprinzip stellt der Staat kirchlichen Einrichtungen den Hauptteil der Mittel für ihre sozialen und kulturellen Aufgaben bereit, z.B. für den laufenden Betrieb konfessioneller Altenheime und Krankenhäuser, Konfessionsschulen und Kindergärten.

Auf Grund von Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche (Konkordaten) wird auch ein großer Teil kirchlicher Angestellter wie Religionslehrer, Gefängnispfarrer, Polizei- und Militärseelsorger, zum Teil auch die Bischöfe und ihre Sekretäre vom Staat bezahlt. Staatszuschüsse erhalten die Kirchen auch für die Priester- und Theologenausbildung an Universitäten und den Unterhalt kirchlicher Fachhochschulen.

Die Besitztümer der Kirchen sind eines der bestgehüteten Geheimnisse. Der Hamburger Kirchenkritiker Carsten Frerk taxiert das Vermögen der Großkirchen auf rund 500 Milliarden Euro.

Deutschland steht nach Angaben des Vatikans zusammen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und Italien an der Spitze der Geberländer zur Finanzierung des Vatikans. Nach einer anderen Schätzung finanziert Deutschland etwa ein Drittel der Ausgaben des Vatikans. Deshalb ist es vielleicht kein Zufall, dass Erzbischof Giovanni Lajolo, der von 1995 bis 2003 Apostolischer Nuntius in Deutschland war, demnächst für die Finanz- und Haushaltspolitik des Vatikans verantwortlich sein wird.

Zu einem dramatischen Einnahmeverlust der Kirchen haben in den letzten Jahren staatliche Steuerreform, hohe Arbeitslosigkeit, demographische Entwicklung und Kirchenaustritte geführt. Die Antwort der Kirchenleitungen ist jetzt ein drastischer Sparkurs: immer mehr Gemeinden werden zusammengelegt, gewohnte Dienste der Kirchen wie z.B. Kindergärten zur Disposition gestellt und sogar betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen.

Aber das Kirchenvolk hat nur wenig Möglichkeiten bei den Entscheidungen über Kirchenfinanzen mitzuwirken. Als innerkirchliche Reformbewegung fordert Wir sind Kirche deshalb von den Kirchenleitungen mehr Transparenz und Mitbestimmung.

Die Diskussion um die Möglichkeit des Austritts aus der Kirche und die damit verbundene Frage der Kirchensteuer hat in Deutschland durch ein von Papst Benedikt XVI. approbiertes Schreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte (PCI) an die Bischofskonferenzen in aller Welt neuen Auftrieb erhalten. Danach ist der – Kirchensteuer sparende – Austritt wegen des unverlierbaren Taufcharakters kein Kirchenaustritt im theologischen und kirchenrechtlichen Sinne.

Die deutschen Bischöfe versuchen derzeit allerdings immer noch, an ihrer dem Vatikan widersprechenden Position festzuhalten. Die KirchenVolksBewegung fordert deshalb, dass die bisherigen Drohbotschaften und Falschinformationen seitens der deutschen Bischöfe beendet werden, die behaupten, dass ein Kirchenaustritt automatisch die Exkommunikation (Sakramentenentzug, Verweigerung der Beerdigung, etc.) nach sich zieht.

 

 

 

 

5. Reformation und Ökumene in Deutschland


Deutschland ist das eigentliche Land der protestantischen Reformation, in der im 16. Jahrhundert Martin Luther Fehlentwicklungen wie den Ablasshandel in der katholischen Kirche beenden wollte.

Deutschland ist aber auch das Land der Ökumene vor allem zwischen den protestantischen und der römisch-katholischen Kirche, aber auch mit den orthodoxen Einwandererkirchen, den Freikirchen und der Alt-Katholischen Kirche.

Bei dem Ökumenischen Pfingsttreffen 1971 in Augsburg (wenige Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1962-65) forderten mehrere Tausend Christinnen und Christen konkrete Schritte für das Zusammenwachsen der christlichen Kirchen in Deutschland.

Ein herausragendes Ereignis nicht nur für Deutschland war die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung von Vatikan und Lutherischem Weltbund zur Rechtfertigungslehre Ende Oktober 1999. Neben den offiziellen Beschlüssen gibt es vielerorts eine lebendige ökumenische Zusammenarbeit auf der Ebene der Gemeinden und lokalen Kirchen.

Der erste bundesweite Ökumenische Kirchentag in Berlin 2003 war das bisher größte ökumenische Laientreffen. Strittigster Punkt war und ist die negative Einstellung der katholischen Kirche gegenüber jeder Form der Abendmahl- bzw. Eucharistiegemeinschaft.

Am Rande des ersten Ökumenischen Kirchentags haben die katholische KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche und die ökumenische Initiative Kirche von unten einen katholischen und einen evangelischen Mahlgottesdienst mit eucharistischer Gastfreundschaft gefeiert, d.h. dass jeweils auch die andere Konfession zur Kommunion bzw. zum Abendmahl eingeladen wurde.

Diese beiden theologisch gut begründeten Gottesdienste fanden große Zustimmung im Kirchenvolk. Die beteiligten katholischen Priester wurden jedoch von ihren Bischöfen hart abgestraft. Prof. Dr. Gotthold Hasenhüttl wurde vom Priesteramt suspendiert und sogar die Lehrerlaubnis („Missio canonica“) entzogen.

Besonders unverständlich sind die gegenüber Prof. Hasenhüttl verhängten Kirchenstrafen, nachdem der damalige Kardinal Joseph Ratzinger beim Requiem für Papst Johannes Paul II. dem evangelischen Prior von Taizé, Roger Schutz, die Kommunion reichte und nachdem Kardinal Walter Kasper beim Requiem für den ermordeten Roger Schutz auch an nichtkatholische Christen und Christinnen die Kommunion austeilte. Selbst die Eucharistie-Enzyklika von Papst Johannes Paul II. vom 17. April 2003 sieht Ausnahmen für nichtkatholische Gläubige vor.

Der Zweite Ökumenische Kirchentag, den die kirchlichen Reformgruppen schon 2003 in Berlin gefordert hatten, ist kürzlich für das Jahr 2010 in München festgelegt worden. Ein dritter Ökumenischer Kirchentag könnte 2017 stattfinden in dem Jahr, in dem sich der Thesenanschlag Luthers zum 500. Mal jährt.

Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, ist in Rom für die Ökumene zuständig. Er setzt sich auch für ein stärkeres Gewicht der Ortskirchen ein.



 

 

 

 

6. Umfragen zeigen: Das Kirchenvolk ist für Reformen bereit


Die große Mehrheit der deutschen Katholiken und Katholikinnen steht ganz selbstverständlich auf dem Boden des Zweiten Vatikanischen Konzils, das vor vierzig Jahren zu Ende ging und dessen Beschlüsse vor dreißig Jahren durch die Gemeinsame Synode in Würzburg und die Pastoralsynode in Dresden umgesetzt worden sind.

Wie internationale religionssoziologische Studien immer wieder belegen, erwartet die große Mehrheit der Katholiken und Katholikinnen nicht nur in Deutschland vom jetzigen Papst lange überfällige Reformen, die auch von der innerkirchlichen KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche vertreten und von namhaften Theologen und Theologinnen unterstützt werden.

Reformpotenzial der praktizierenden Katholiken und Katholikinnen Die Studie des renommierten Religionssoziologen Prof. Dr. Andrew Greely ergibt für Deutschland: ­

 

 

  • 79 Prozent finden, der Papst sollte Interesse am Leben der Laien zeigen.
  • 83 Prozent sind dafür, dass Priester heiraten dürfen.
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  • 75 Prozent sind für eine Wahl der Bischöfe durch das Volk, statt der Ernennung durch den Papst.
  • 81 Prozent sind dafür, Laienvertreter/innen mehr Mitspracherecht in der Kirche einzuräumen.
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  • 75 Prozent wünschen, dass der Papst den Diözesanbischöfen in ihrer Ortskirche größere Entscheidungsbefugnisse einräumt.
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  • 71 Prozent sind für die Zulassung von Frauen zum Priesteramt.
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  • 76 Prozent befürworten, dass der Papst offener für Veränderungen in der Kirche wäre.

> Tabelle: Reformpotenzial der praktizierenden KatholikInnen verschiedener Länder (PDF)
(> Originalstudie auf Englisch: Prof. Andrew Greeley und Prof. Michael Hout, The Laity and Reform in the Church: A Six Nation Study 1996
Ergebnisse für Deutschland durch Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim)

Eine Umfrage wenige Tage nach dem Tode von Papst Johannes Paul II. kommt zu sehr ähnlichen Ergebnissen: ­

  • 78 Prozent der deutschen Katholikinnen und Katholiken sind für eine Lockerung des Ehe- und Sexualverbots für Priester.
  • ­
  • 77 Prozent hoffen, dass der künftige Pontifex Priesterinnen zulassen wird.

(Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Polis im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur dpa, bei der vom 4. bis 6. April 2005 1010 Menschen ab 14 Jahren telefonisch befragt wurden.)

Katholiken für gemeinsame Abendmahlsfeiern Im Vorfeld des ersten Ökumenischen Kirchentages 2003 in Berlin befürworteten 88 Prozent der praktizierenden Katholiken und Katholikinnen gemeinsame Abendmahlsfeiern mit evangelischen Christen und Christinnen (Forsa-Umfrage im Auftrag des „Spiegel“).

Großer Vertrauens- und Imageverlust der Kirchen Die weltweit größte gesellschaftspolitische Online-Umfrage „Perspektive Deutschland“ (www.perspektive-deutschland.de) dokumentiert einen gefährlichen Vertrauensverlust der Kirchen. Auf einer Skala des „Vertrauens“ in die wichtigsten Institutionen landen die Kirchen weit im unteren Drittel. Nur noch 11 Prozent haben Vertrauen in die katholische Kirche, bei der evangelischen Kirche sind es immerhin noch 17 Prozent der Befragten. Der Imageverlust geht bis weit in die eigene Mitgliedschaft hinein: Nur noch jeder vierte Katholik hält seine Kirche für glaubwürdig.

 

 

7. Aufrüttelnde Studie: Katholische Kirche erreicht nur noch eine Minderheit der Deutschen


Aufrüttelnde Ergebnisse lieferte im April 2006 die Studie über religiöse und kirchliche Orientierungen, die das sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut "Sinus Sociovision" im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz vorgelegt hat: Die katholische Kirche erreicht mit ihrer religiösen Botschaft nur noch eine Minderheit der deutschen Bevölkerung. Von zehn verschiedenen Milieus, die die deutsche Gesellschaft prägen, lassen sich ganze drei, höchstens vier von der Kirche ansprechen.

„Dramatisch ist der Befund, dass man Kirche in der Gesellschaft jenseits der loyalen Kirchgänger und Klischees schlichtweg nicht wahrnimmt.“ Überraschend der Befund, dass die Akzeptanz der Kirchen auch in den traditionellen Milieus erheblich abnimmt.

Trotz der Pilgerströme während des Papstwechsels und des Weltjugendtages kann von „Bewunderung oder gar Ehrfurcht vor der katholischen Kirche keine Rede sein“. „Der Kirche haftet das Image an, unbeweglich und nicht an den Bedürfnissen der Menschen orientiert zu sein. Es gibt eine Art Kirchenverdrossenheit, weil man der Kirche eine Veränderung nicht zutraut und ein Bemühen nicht erkennt.“

Kirche hat einen phantastischen Bekanntheitsgrad von 100 Prozent, aber man „nimmt Kirche in der Gesellschaft“ schlichtweg nicht wahr. Kirche wird hauptsächlich mit dem Papst verbunden - obwohl es bei der Umfrage um die Kirche in Deutschland ging.

Soziale Institutionen werden nicht als Einrichtungen der Kirche erkannt. (Diese Einrichtungen werden allerdings auch nur zu einem sehr geringen Teil von der Kirche finanziert sondern vom Staat und durch die NutzerInnen).

„Es gibt ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Beteiligung, doch die meisten Menschen empfangen derzeit kaum Signale, dass die Kirche sie will.“

„Es gilt als Skandal, ... , dass Ökumene noch immer ein Problem ist ...“

„Kaum jemand sieht derzeit einen Bedarf und einen Nutzen im aktuellen Sinnangebot der Kirche“ obwohl eine „bemerkenswerte Renaissance urchristlicher Werte“ beobachtet wird.

„Die prachtvollen, 'protzigen' Kirchen seien typisch für eine Institution, die Armut predigt und selbst im Reichtum erstickt.“ „Das derzeitige Kirchensteuersystem findet in allen Milieus nur noch geringe Akzeptanz.“ Alle Zitate aus dem Milieuhandbuch „Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus 2005“ im Auftrag der MDG Medien-Dienstleistung GmbH, einer Beratungsgesellschaft der Deutschen Bischofskonferenz, Kapitel „Zusammenfassung und zentrale Tendenzen“

 

 

 

 

8. Kirchliche Reformgruppen in Deutschland


Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden auch außerhalb der offiziellen Laienverbände viele Reforminitiativen wie der „Kritische Katholizismus“, Priester- und Solidaritätsgruppen, die Initiative Kirche von unten (die vor allem durch die Katholikentage von unten bekannt wurde) und die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche.

Das 1995 in Österreich gestartete Kirchenvolks-Begehren hat allein in Deutschland mehr als 1,8 Millionen Unterschriften erhalten. Die hieraus hervorgegangene KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, in der auch viele Mitglieder aus Kirchengemeinden und Verbänden aktiv sind, setzt sich seitdem für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sowie der darauf aufbauenden Theologie und Praxis ein.

Ziele und Forderungen der KirchenVolksBewegung sind der Aufbau einer geschwisterlichen Kirche von Klerus und Laien, die volle Gleichberechtigung der Frau in den kirchlichen Ämtern und die Aufhebung des Pflichtzölibats für Priester. Weitere Punkte sind eine die Gewissensentscheidung anerkennende Sexualethik und die in Deutschland besonders wichtige Ökumene.

Mit konkreten Stellungnahmen und Arbeitshilfen begleitet Wir sind Kirche die derzeitigen pastoralen Umstrukturierungsprozesse und unterstützt neue Konzepte für eine eigenständige Gemeindearbeit der Laien auch ohne Priester.

Mit der Aktion „Lila Stola“ wird die volle Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche und vor allem der Zugang zum Diakonat und Priesteramt gefordert.

An den Katholiken- und Kirchentagen beteiligt sich die KirchenVolksBewegung mit vielbeachteten Veranstaltungen (z.B. mit dem französischen Bischof Jacques Gaillot und Prof. Dr. Hans Küng).

Der zur KirchenVolksBewegung gehörende Verein Frauenwürde e.V. betreibt mit öffentlichen Zuschüssen seit 2000 mittlerweile sechs Beratungsstellen zur Schwangerschaftskonfliktberatung, nachdem sich die Bischöfe daraus zurückgezogen haben. (siehe www.frauenwuerde.de)

Angesichts der bekannt gewordenen sexuellen Gewalt von Priestern und Ordensleuten an Kindern und Jugendlichen betreibt Wir sind Kirche seit 2002 das Wir sind Kirche-Not-Telefon“ und formulierte einen präzisen Forderungskatalog an die deutschen Bischöfe.

An den Gottesdiensten mit eucharistischer Gastfreundschaft am Rande des ersten Ökumenischen Kirchentages 2003 in Berlin war Wir sind Kirche wesentlich beteiligt und unterstützt das Bemühen vieler Christen um mehr Gemeinschaft in der Ökumene.

Die katholischen Weltjugendtage 2002 in Toronto und 2005 in Köln hat die Wir sind Kirche-Jugend kritisch und mit eigenen Veranstaltungen begleitet.

Zusammen mit der österreichischen Kirchenvolksbewegung hat die deutsche KirchenVolksBewegung 1996 den Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche erhalten.

Wir sind Kirche ist Mitglied der 1996 in Rom gegründeten Internationalen Bewegung Wir sind Kirche sowie des Europäischen Netzwerks Kirche im Aufbruch. Die Internationale Bewegung Wir sind Kirche ist mittlerweile auf allen Kontinenten vertreten und mit gleichgerichteten Reformgruppen in mehr als 30 Ländern vernetzt.

Wie internationale Studien renommierter Religionssoziologen immer wieder bestätigen, vertritt Wir sind Kirche als innerkirchliche Reformbewegung die theologisch fundierte „Stimme des Kirchenvolkes“.

Mehr Informationen: www.wir-sind-kirche.de und www.we-are-church.org

 

 

 

 

9. Bischof von Regensburg: Vorreiter oder Außenseiter? – Mahnwachen beim Papstbesuch


Das von Papst Benedikt besuchte Bundesland Bayern (mit 12 Mio EinwohnerInnen eines der größten Bundesländer) ist mit sieben Bistümern das am meisten katholisch geprägte Bundesland Deutschlands.

Im Bistum Regensburg, seiner alten Heimat, wird der Papst mit einer der derzeit größten Streitigkeiten innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland konfrontiert. Innerhalb des letzten Jahres hat der 2002 in sein Amt eingeführte dortige Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller den Diözesanrat und die Dekanatsräte abgeschafft und kirchenkritische Priester und Laien mehrfach abgestraft.

Dies hat bundesweit heftige Proteste von Laienvertretern ausgelöst, auch viele seiner Amtsbrüder sind entsetzt. Ende 2005 demonstrierten 500 empörte Christen mehrfach vor dem Regensburger Dom gegen Bischof Müller. Selbst viele Konservative können den Kurs des Bischofs nicht akzeptieren. (siehe www.wsk-regensburg.de)

Der Deutschlandbesuch des Papstes im September 2006 wird zeigen, wie sich der Papst zum Laienapostolat generell und vor allem zum Außenseiterkurs des Regensburger Bischofs innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz positioniert. Das Verhalten des Papstes, wie immer es ausfällt, wird ein deutliches Signal setzen, wie es um die Kirche in Deutschland und um die Bereitschaft gestellt ist, die „Laien“ nicht nur zur – möglichst ehrenamtlichen – Mitarbeit in der Kirche aufzufordern, sondern ihnen als „Volk Gottes“ auch Mitverantwortung und Mitentscheidung zu übertragen.

Dabei ist der Papst über die Lage im Bistum Regensburg bestens informiert, denn mit Regensburg hat Benedikt XVI. eine enge Verbindung. 1969 wurde der Theologe als Dogmatik-Professor an die Regensburger Universität berufen, später war Joseph Ratzinger Vize-Präsident der Hochschule. Bis zu seiner Papstwahl kam er mehrmals im Jahr in die Oberpfalz, um seinen älteren Bruder Georg, den ehemaligen Chef der Regensburger Domspatzen, zu besuchen.

Chancen auf ein Einschreiten des Papstes im Regensburger Streit dürften aber kaum bestehen. Gegenüber einem Vertreter des Bistums soll der Papst kürzlich geäußert haben, er hoffe, dass mehr Bischöfe dem Beispiel des Regensburger Bischofs folgen würden.

Müller ist als möglicher Nachfolger des vergleichsweise moderaten Münchner Kardinals Friedrich Wetter im Gespräch, der 2008 – noch vor dem zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 – seine Altersgrenze erreichen wird.

Mahnwachen in Regensburg
Der neu gegründete Verein „Laienverantwortung Regensburg“ wird zum Papstbesuch mit Mahnwachen am 2. und 9. September 2006 jeweils um 11:55 Uhr vor dem Hauptportal des Regensburger Doms jeweils gegen Müllers Kurs protestieren. Diese Mahnwachen werden vom Aktionskreis Regensurg und Wir sind Kirche im Bistum Regensburg unterstützt. Am Sonntag, dem 10. September 2006 ist ein Informationsstand von 14:00 - 18:00 Uhr auf dem Neupfarrplatz in Regensburg. (siehe www.laienverantwortung-regensburg.de)

 

 

 

 

10. Das erste Amtsjahr von Papst Benedikt ist vorüber ...


Trotz mancher neu gesetzter hoffnungsvoller Zeichen: das bisherige Pontifikat von Papst Benedikt kann in mehrfacher Hinsicht nicht so milde und positiv bewertet werden wie in vielen Bilanzen des ersten Jahres geschehen, was die folgenden Beispiele belegen:

 

 

 

  • Das von Papst Benedikt im Juni 2005 herausgegebene „Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche“ - eine inhaltlich unveränderte Zusammenfassung des unter Ratzinger 1992 veröffentlichten „Weltkatechismus“ - entspricht nicht dem Stand der heutigen katholischen Theologie, der Exegese und der theologischen Ethik.
  • Bei der Eucharistie-Synode der Bischöfe im Oktober 2005 war zunächst eine neue Offenheit im Diskussionsstil zu beobachten, doch fanden reformorientierte Positionen keine Aufnahme in die Beratungsdokumente.
  • Sehr enttäuschend nicht nur für die direkt betroffenen Menschen war die Tatsache, dass eines der ersten vom neuen Papst approbierten Dokumente, die Vatikanische Instruktion über Homosexualität und Weiheamt, eine Diskriminierung homosexueller Männer bezüglich des Priesteramts vornimmt.
  • Die von vielen mit großer Hoffnung aufgenommene Meldung, der Papst hätte eine Studie zur Neubewertung der kirchlichen Position zum Gebrauch von Kondomen in der Aids-Prävention in Auftrag gegeben, wurde im Mai 2006 dementiert.
  • Die Kardinalsernennung des Erzbischofs von Bologna, Carlo Caffarra, der als Leiter des päpstlichen Familieninstituts die Empfängnisverhütung mit Mord verglichen hatte, ist für sehr viele ihrem Gewissen folgende Katholikinnen und Katholiken äußerst verletzend.
  • Dem gemachten Zugeständnis, dass über mehr Raum für Frauen in der Kirche und ihre stärkere Beteiligung an kirchlichen Leitungsaufgaben „nachgedacht“ werden müsse, steht in enttäuschender Weise die immer wiederholte, doch biblisch nicht begründbare Aussage gegenüber, dass die Priesterweihe nur Männern vorbehalten sei.
  • Benedikt XVI. sagte zu Beginn seines Pontifikats, er wolle seine ganze Kraft der Einheit der Kirchen widmen. Doch den ökumenischen Bemühungen mit den orthodoxen Kirchen steht der Stillstand in der Ökumene mit den Kirchen der Reformation gegenüber, die von Rom nach wie vor noch nicht als Kirchen anerkannt werden. Schärfer als sein Vorgänger fordert Benedikt XVI. die Anerkennung des päpstlichen Primats auch durch die anderen christlichen Kirchen (Ansprache in der Generalaudienz am 7. Juni 2006).
  • Die Antrittsenzyklika „Deus Caritas est“ hat solange noch keine Überzeugungskraft, solange es gerade innerhalb der katholischen Kirche an Liebe als Grundlage ihres Handelns mangelt.
  • Bei dem überraschenden Treffen mit dem kirchenkritischen Theologen Prof. Dr. Hans Küng im September 2005 - von vielen als Beweis für die Offenheit und Dialogfähigkeit Joseph Ratzingers gedeutet - waren Reformthemen von vorne herein ausgeklammert. – Auf die mehrfachen Bitten der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche um ein Gespräch hat Rom bisher in keiner Weise reagiert.

Mehr als ein Jahr nach dem Papstwechsel sind noch keine konkreten Schritte zur Lösung der seit langem aufgeschobenen grundlegenden pastoralen Fragen und Probleme zu erkennen. Zwar hat sich das öffentliche Erscheinungsbild Joseph Ratzingers als Papst Benedikt XVI. – auch unter dem großen Einfluss der Medien – in bemerkenswerter Weise gewandelt. Aber der unter seiner 23-jährigen Ägide als oberster Glaubenshüter entstandene theologische und pastorale Stillstand sowie das Klima der innerkirchlichen Angst und Erstarrung wirken nach.

 

 

 

11. Joseph Ratzinger und die Kirche in Deutschland

 


Am 16. April 1927 in Marktl am Inn geboren, wurde Joseph Ratzinger zusammen mit seinem älteren Bruder Georg am 29. Juni 1951 in Freising zum Priester geweiht. Anders als z.B. Hans Küng oder Kardinal Lehmann, der langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hat Ratzinger nicht in Rom studiert sondern in Freising und München.

Als ordentlicher Professor wirkte Joseph Ratzinger an den Universitäten Bonn (1959-1963), Münster (1963-1966), Tübingen (1966-1969) und Regensburg (1969-1977). Ein einschneidendes Erlebnis der Verunsicherung waren für Ratzinger sicher die Studentenunruhen der 1968er Jahre, die sich auch gegen ihn, den jungen fortschrittlichen Theologen richteten.

Im März 1977 wurde Joseph Ratzinger – ohne pastorale Praxiserfahrung – zum Erzbischof von München und Freising ernannt. Am 29. Juni 1977 wurde er ins Kardinalskollegium aufgenommen, schon Ende 1981 holte ihn Johannes Paul II. als Präfekt der römischen Glaubenskongregation nach Rom.

Nicht vergessen und an den Auswirkungen nach wie vor deutlich spürbar ist, wie sehr Ratzinger in seiner Funktion als Präfekt der römischen Glaubenskongregation mehr als 23 Jahre lang Lehrverbote ausgesprochen, die Theologie der Befreiung verurteilt, Frauen in der Kirche ausgegrenzt und die Ökumene mit den Kirchen der Reformation eingegrenzt hat. Dies steht in einer Linie mit zahlreichen weiteren von ihm beeinflussten Entscheidungen wie z. B. der Liturgie-Instruktion, Synoden-Instruktion, der Laien-Instruktion sowie den Anweisungen zur Behinderung und Ausgrenzung der KirchenVolksBewegung.

Für die katholische Kirche in Deutschland eine besonders schwere Zerreißprobe waren die jahrelangen Auseinandersetzungen um die Schwangerschaftskonfliktberatung. Kardinal Ratzinger gilt als maßgeblich verantwortlich für den auf die deutschen Bischöfe ausgeübten Druck, aus dem gesetzlichen System der Konfliktberatung auszusteigen (nach deutschem Recht ist eine Abtreibung nicht legal aber innerhalb bestimmter Fristen straffrei, wenn vorher eine Beratung in Anspruch genommen wurde).
Im Juni 2006 nahmen die deutschen Bischöfe auf erneuten Druck Roms eine Ausgrenzung all derer vor, die in Laienverbänden wie Donum vitae und Frauenwürde e.V. die Schwangerschaftskonfliktberatung fortgeführt hatten. Damit wurde jetzt ausgeführt, was Kardinal Ratzinger, damals noch als Präfekt der Glaubenskongregation, bereits im Jahre 2003 „erbeten“ hatte.

Aktuelle Konfliktpunkte mit der katholischen Kirche in Deutschland, wenn auch nicht unter direkter Beteiligung von Papst Benedikt doch von ihm zumindest geduldet, betreffen vor allem die Stellung der Laien in der Kirche:
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  • die scharfe Kritik am Zentralkomitee der deutschen Katholiken, der offiziellen Laienvertretung, durch Ratzingers Nachfolger in der Glaubenskongregation, Kardinal Levada,
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  • die grundsätzliche Infragestellung aller Pfarrgemeinde-, Dekanats- und Diözesanräte der letzten 30 Jahre durch die römische Kleruskongregation,
  • ­
  • der konfliktreiche Außenseiterkurs des Regensburger Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller, der die Rechte der Laien in ganz erheblichem Maße eingeschränkt hat.


Zum Katholikentag Ende Mai 2006 in Saarbrücken schickte der deutsche Papst ein mahnendes Grußwort und deklassierte das alle zwei Jahre stattfindende große Laientreffen durch seine zeitgleich gelegte Polenreise.

Im November 2006 steht der nächste Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom an, die sich schon jetzt großem Druck ausgesetzt sehen.

Liste aller Personen, die direkt oder indirekt, von der Glaubenskongregation unter Joseph Ratzinger in irgendeiner Weise untersucht, diszipliniert oder exkommuniziert worden sind.
Zusammenstellung durch Catholics for a free Choice: Appendix of Moving Forward by Looking Back: Cardinal Joseph Ratzinger's Preparation for the Papacy. How "the Vatican's Enforcer" ran the Congregation for the Doctrine of the Faith (1979-2005)
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12. Frühe Zitate von Joseph Ratzinger (1966-1979)

 


Der junge Theologe Joseph Ratzinger hat als offizieller Berater (Peritus) des Kölner Kardinals Josef Frings das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) entscheidend mitgeprägt. Da er nach eigener Aussage „in allen wesentlichen Dingen doch identisch geblieben“ sei (Fernsehinterview am 13. August 2006), darf sein jetziges Wirken auch an seinen frühen Aussagen gemessen werden.

Papst: Moralische Bindung an die Stimme der Gesamtkirche (1966)
„(Der Papst untersteht) bei seinem Handeln keinem äußeren Tribunal […">, das als Appellationsinstanz gegen ihn auftreten könnte, wohl aber an den inneren Anspruch seines Amtes, der Offenbarung, der Kirche gebunden ist. Dieser innere Anspruch seines Amtes schließt aber auch eine moralische Bindung an die Stimme der Gesamtkirche ohne Zweifel mit ein. … (Der Papst hat die Verpflichtung), auf die Stimme der Bischöfe zu hören, und umgekehrt (haben die Bischöfe die Pflicht) von sich aus initiativ zu werden.“ (Kommentar zu den Bekanntmachungen [„Notae“"> im Anschluss an „Lumen gentium“, LThK, Ergänzungsband I, Freiburg 1966, 356)

Historisch-kritische Methode der Schriftauslegung (1967)
„Sicher ist, dass es keinen Weg mehr an der historisch-kritischen Methode (der Schriftauslegung, N.S.) vorbei gibt und dass sie gerade als solche einem Anspruch der Sache der Theologie selbst entspricht.“ (Kommentar zur Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung [„Dei Verbum“">: LThK, Ergänzungsband II, Freiburg 1967, 499)

Gottessohnschaft Jesu (1968)
„Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach dem kirchlichen Glauben nicht darauf, dass Jesus keinen menschlichen Vater hatte; die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre. Denn die Gottessohnschaft, von der der Glaube spricht, ist kein biologisches, sondern ein ontologisches Faktum.“ (Einführung in das Christentum, München 1968, 225)

Grundelemente der Kirche (1968)
„Als die Grundelemente der Kirche erscheinen Vergebung, Bekehrung, Buße, eucharistische Gemeinschaft und von ihr her Pluralität und Einheit: Pluralität der Ortskirchen, die aber doch nur Kirche bleiben durch die Einfügung in den Organismus der einen Kirche.“ (Einführung in das Christentum, München 1968, 288).

(Nicht) Die eigene Gestrigkeit verteidigen (1969)
„Sekundärer, selbstgemachter und so schuldhafter Skandal ist, es, wenn unter dem Vorwand, die Rechte Gottes zu verteidigen, nur eine bestimmte gesellschaftliche Situation und die in ihr gewonnenen Machtpositionen verteidigt werden, […"> wenn unter dem Vorwand, die Unabänderlichkeit des Glaubens zu schützen, nur die eigene Gestrigkeit verteidigt wird, […"> wenn unter dem Vorwand, die Ganzheit der Wahrheit zu sichern, Schulmeinungen verewigt werden, die sich einer Zeit als selbstverständlich aufgedrängt haben, aber längst der Revision und der neuen Rückfrage auf die eigentliche Forderung des Ursprünglichen bedürfen. Wer die Geschichte der Kirche durchgeht, wird viele solcher sekundären Skandale finden - nicht jedes tapfer festgehaltene Non possumus war ein Leiden für die unabänderlichen Grenzen der Wahrheit, so manches davon war nur Verranntheit in den Eigenwillen, der sich gerade dem Anruf Gottes widersetzte, der aus den Händen schlug, was man ohne seinen Willen in die Hand genommen hatte.“ (Das neue Volk Gottes, Entwürfe zur Ekklesiologie, Düsseldorf 1969, 317 f.).

„Die Freiheit der Theologen und der Theologie” (1969)
„In voller Loyalität und eindeutiger Treue zur katholischen Kirche sehen sich die unterzeichneten Theologen veranlaßt und verpflichtet, mit großem Ernst öffentlich darauf hinzuweisen: die durch das Zweite Vatikanische Konzil wieder gewonnene Freiheit der Theologen und der Theologie zum Dienst an der Kirche darf heute nicht erneut gefährdet werden ... Aber wir sind überzeugt, daß irrige theologische Auffassungen nicht durch Zwangsmaßnahmen erledigt werden können. In unserer Welt können sie wirkungsvoll nur durch eine unbehinderte sachliche wissenschaftliche Diskussion korrigiert werden, in der die Wahrheit durch sich selbst siegen kann. Wir bejahen mit Überzeugung ein Lehramt des Papstes und der Bischöfe, das unter dem Worte Gottes und im Dienste der Kirche und ihrer Verkündigung steht. Aber wir wissen zugleich, daß dieses pastorale Verkündigungsamt die wissenschaftliche Lehraufgabe der Theologen nicht verdrängen oder behindern darf. Jegliche Art von noch so subtiler Inquisition schadet nicht nur der Entwicklung einer gesunden Theologie. Sie fügt zugleich der Glaubwürdigkeit der gesamten Kirche in der Welt von heute unabsehbaren Schaden zu” (Erklärung „Die Freiheit der Theologen und der Theologie”, 1969, von etwa vierzig Theologen [u.a. auch Walter Kasper, Karl Lehmann und Joseph Ratzinger"> unterzeichnet).

Zukunft des Ökumenismus (1979)
„Nicht die Einheit bedarf der Rechtfertigung, sondern die Trennung“, und dies „in jedem einzelnen Fall“ (Prognosen für die Zukunft des Ökumenismus, in: Ökumene – Konzil – Unfehlbarkeit, Innsbruck 1979, 208-215).

Zusammenstellung: Prof. Dr. Norbert Scholl

Eine tiefgehende Analyse der Theologie Joseph Ratzingers ist nachzulesen bei Hermann Häring: Der Glaube der Kirchenväter? Zu den Grundlagen von J. Ratzingers Theologie (in niederländischer Sprache erschienen in Tijdschrift voor Theologie 40 (2000), 358-380; Übersetzt von Ted Schoof) English Summary imprimatur Nr. 8, 2005 und Nr. 1, 2006
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13. Kardinal Ratzinger und Wir sind Kirche


(Hervorhebungen durch Wir sind Kirche)

In seinem 1996 erschienenen Buch „Salz der Erde“ hat Kardinal Joseph Ratzinger sich ausführlich mit den Fehlern der Kirche, dem Kanon der Kritik und in kritischer Weise auch mit dem KirchenVolksBegehren befasst. In den Folgejahren hat er als Präfekt der Glaubenskongregation mehrfach brieflich gegen das KirchenVolksBegehren und die KirchenVolksBewegung interveniert, mit einem Brief im Vorfeld des „Dialogs für Österreich“ dann jedoch – zumindest zeitweise – einen bemerkenswerten Schwenk vollzogen.

Drei bekannt gewordene „Geheimbriefe“ an Bischöfe

neu Faksimile von Brief 1 und 2: > Link

Als Präfekt der Glaubenskongregation ersuchte Kardinal Joseph Ratzinger Anfang 1996 in einem Geheimbrief alle Bischöfe Österreichs, Deutschlands und der deutschsprachigen Schweiz, „die Entwicklung dieser Gruppen weiterhin aus der Nähe zu verfolgen und eventuell auch Vorkehrungen zu treffen, damit sich die Gläubigen – und besonders die Priester – nicht aktiv daran beteiligen.“ (siehe BRIEF 1 neu > Faksimile)

In einem zweiten Brief wies er im Vorfeld der Ökumenischen Versammlung 1997 in Graz Österreichs Bischöfe an, „daß dieser Initiative, die von der katholischen Kirche nicht als legitim anerkannt ist, weder in der Organisation noch im Verlauf der Ökumenischen Versammlung irgendein Platz eingeräumt werden darf.“ (siehe BRIEF 2 neu > Faksimile)

In einem Brief an den Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, den Grazer Bischof Johann Weber vom 7. März 1997 hieß es nach Ratzingers Schwenk: „Auch gegen eine eventuelle, genau zu umschreibende Beteiligung der Gruppe „Wir sind Kirche“ beim Delegiertentag bestehen keine grundsätzlichen Einwände. Allerdings müßte in diesem Fall öffentlich klargemacht werden, daß damit keine offizielle kirchliche Anerkennung der Gruppe verbunden ist.“ (siehe BRIEF 3)

Es ist sehr bemerkenswert, dass der Vatikan angesichts der katastrophalen Lage der Kirche in Österreich in diesem Fall der Beteiligung der KirchenVolksBewegung, mit der er früher jeglichen Dialog abgelehnt hatte, zustimmte. Doch vermutlich ging es angesichts der Affäre Groer/Krenn auf der einen Seite und des damals bevorstehenden Papstbesuchs in Österreich auf der anderen Seite weniger um einen echten Dialog als um Abwiegelung, Besänftigung und Vertröstung. Dies zeigt auch die Tatsache, dass der „Dialog für Österreich“ bald wieder abgebrochen wurde.

Der Disput von Ahaus um die Meinungsdiktatur

Beim theologischen Symposion zu Ehren des bekannten Münsteraner Theologieprofessors Johann Baptist Metz am 27. Oktober 1998 in Ahaus fragte der frühere Studentenpfarrer Dr. Ferdinand Kerstiens nach der Sensibilität der Kirche zum Beispiel für die in Schwangerschaft in Not geratenen Frauen, für die Geschiedenen und Wiederverheirateten, für Homosexuelle sowie für die Männer und Frauen, denen aus kirchenrechtlichen Bestimmungen das Priesteramt verweigert wird.

Kardinal Joseph Ratzinger erwiderte hierauf , ohne auf die Fragen einzugehen, in ungewohnter Schärfe: „Das ärgert mich - dass es in all diesen schwierigen Fragen, unter denen wirklich zu leiden ist, nur eine erlaubte Meinung gäbe. Und das lehne ich allerdings ab. So kann man die Dinge nicht verallgemeinern. Leiden werden und müssen wir alle, aber daß es dazu nur einen Weg gibt oder nur eine erlaubte Meinung, das ist abzulehnen und ist eine Meinungsdiktatur, gegen die ich mich mit allem Nachdruck zur Wehr setze.“
(nachzulesen in: Ausgerechnet Ratzinger. Der römische Glaubenshüter verbittet sich "Meinungsdiktatur" in der Kirche
imprimatur Nr. 8, 1998
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Bei dem Gespräch mit Prof. Küng ging es nicht um Kirchenreform

Bei dem überraschenden Treffen mit dem kirchenkritischen Theologen Prof. Dr. Hans Küng im September 2005 - von vielen als Beweis für die Offenheit und Dialogfähigkeit Joseph Ratzingers gedeutet - waren Reformthemen von vorne herein ausgeklammert. – Auf die mehrfachen Bitten der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche um ein Gespräch hat Rom bisher in keiner Weise reagiert.

Keine Bereitschaft zum Dialog mit Reformgruppen

Die internationale Bewegung Wir sind Kirche hatte Papst Benedikt XVI. nach seiner Wahl brieflich Gottes Segen gewünscht und dabei auch um ein Gespräch gebeten. Diese Bitte war ohne Antwort geblieben. Auf die erneute Bitte in diesem Jahr ließ das Staatssekretariat in Rom über die Apostolische Nuntiatur in Berlin mitteilen, "dass Ihrem Anliegen leider nicht entsprochen werden kann. Sie und die anderen Mitglieder können zu jeder Zeit mit den Bischöfen und Priestern der zuständigen Bistümer und Pfarreien einen konstruktiven Dialog über die aktuellen Fragen und Probleme in der Kirche führen."

> Brief der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche an Papst Benedikt XVI., Juli 2006

> Antwortschreiben der Apostolischen Nuntiatur in Berlin vom 23. August 2006 (PDF)

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BRIEF 1: Brief an die deutschsprachigen Bischöfe (1996)

Ausgehend von den deutschsprachigen Ländern, sind in letzter Zeit immer mehr Gruppen mit der Bezeichnung „Wir sind Kirche“ entstanden, die in sogenannten „Kirchenvolks-Begehren“ um Unterschriften von seiten der Gläubigen werben. Diese Initiativen richten sich an das ganze christliche Volk, wenn auch die eigentlichen Adressaten der Papst und die Bischöfe sind. Die rasche Ausbreitung der Initiativen in vielen Ländern Europas und darüber hinaus gibt Anlaß zu großer Sorge. Wie Sie wissen, besteht der Inhalt dieser „Kirchenvolks-Begehren“ aus einer Reihe von Forderungen, die zum Teil der kirchlichen Lehre widersprechen und in offenem Gegensatz zur kirchlichen Ordnung stehen. Es ist offensichtlich, daß solche Initiativen von der Kirche in keiner Weise gutgeheißen werden können. Darum ersucht Sie diese Kongregation, die Entwicklung dieser Gruppen weiterhin aus der Nähe zu verfolgen und eventuell auch Vorkehrungen zu treffen, damit sich die Gläubigen – und besonders die Priester – nicht aktiv daran beteiligen. Diese Gruppen gehen weit über berechtigte Anliegen hinaus, sie tragen zu einer Spaltung zwischen dem Volk Gottes und der kirchlichen Leitung bei, sie propagieren unter den Gläubigen ein unannehmbares demokratisches Kirchenmodell sowie eine Auffassung der Moral, die in manchen Punkten der katholischen Lehre direkt entgegensteht. In der gemeinsamen Sorge um die Einheit der Kirche verbleibe ich einstweilen im Herrn

Ihr Joseph Card. Ratzinger

BRIEF 2: Brief an die österreichischen Bischöfe (1996)

Wie Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte, hat die aus dem deutschen Sprachraum kommende Bewegung „Wir sind Kirche“ inzwischen auch außerhalb Europas Fuß gefaßt und in verschiedenen Ländern sogenannte Kirchenvolks-Begehren initiiert. Diese Initiative richtet sich zwar an das ganze christliche Volk, die eigentlichen Adressaten sind jedoch der Papst und die Bischöfe. Wie Sie wissen, sind die Forderungen des Kirchenvolks-Begehrens teilweise mit der katholischen Lehre nicht vereinbar und in offenem Widerspruch zur kirchlichen Disziplin. Da die Bewegung „Wir sind Kirche“ nun auch entschlossen ist, an der zweiten europäischen Ökumenischen Versammlung vom 23. bis 29. Juni 1997 in Graz aktiv teilzunehmen, hält es dieses Dikasterium für notwendig, darauf hinzuweisen, daß dieser Initiative, die von der katholischen Kirche nicht als legitim anerkannt ist, weder in der Organisation noch im Verlauf der Ökumenischen Versammlung irgendein Platz eingeräumt werden darf. In der gemeinsamen Sorge um die Einheit der Kirche verbleibe ich einstweilen im Herrn

Ihr Joseph Card. Ratzinger

BRIEF 3: Brief an den Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, den Grazer Bischof Johann Weber (7. März 1997)

Diese Kongregation ist von Bischof Dr. Kurt Krenn über verschiedene Vorgänge im Zusammenhang mit dem „Dialog für Österreich“ informiert und um Klärungen gebeten worden. Sie erachtet es für angemessen, die Antwort auf diese Bitte Ihnen als dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz zukommen zu lassen und Sie zu ersuchen, die Mitglieder der Bischofskonferenz darüber zu unterrichten. Dieses Dikasterium ist der Auffassung, daß es ein Gebot der Stunde ist, den „Dialog für Österreich“ mutig und zielstrebig weiterzuführen. Ein Dialog, der dem Heil der Menschen und der Ausbreitung des Reiches Gottes dienen will, wird sich einerseits allen Menschen guten Willens öffnen und vor keinem wichtigen Anliegen zurückschrecken, er wird aber andererseits den Schutz des Evangeliums und der Überlieferung sowie die missionarische Sendung der Kirche nicht aus dem Auge verlieren. Papst Johannes Paul II. schreibt in seiner Enzyklika „Redemptoris missio“: „Denken wir, liebe Brüder und Schwestern, an den missionarischen Schwung der ersten Christengemeinden. Trotz der Armseligkeit der damaligen Transport- und Kommunikationsmittel erreichte die Verkündigung des Evangeliums in kurzer Zeit die Grenzen der Welt. Und dabei handelte es sich um die Religion eines am Kreuz gestorbenen Menschen, ›für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit‹ (1. Korintherbrief 1,23)!

Zugrunde liegt diesem missionarischen Dynamismus die Heiligkeit der ersten Christen und der ersten Gemeinden“ (Nr. 90). Wenn dieser missionarische Geist, der ein Geist der Wahrheit und der Liebe ist, den Dialog beseelt, werden die geplanten Fachtagungen sowie insbesondere der Delegiertentag in Salzburg gute Früchte hervorbringen. Die konkrete Gestaltung dieser Initiative wird der Bischofskonferenz überlassen. Es sei aber darauf verwiesen, daß die Bischöfe die geplanten Veranstaltungen in ihrer Verantwortung als Lehrer und Hirten des Gottesvolkes klug begleiten mögen. Auch gegen eine eventuelle, genau zu umschreibende Beteiligung der Gruppe „Wir sind Kirche“ beim Delegiertentag bestehen keine grundsätzlichen Einwände. Allerdings müßte in diesem Fall öffentlich klargemacht werden, daß damit keine offizielle kirchliche Anerkennung der Gruppe verbunden ist. Diese propagiert nämlich Auffassungen, die in einigen Punkten nicht voll mit der Lehre und der Disziplin der Kirche übereinstimmen. In zwei vorausgehenden Schreiben dieser Kongregation, deren Veröffentlichung in den Medien Verwunderung ausgelöst hat, ist dies deutlich zum Ausdruck gebracht worden.

In der Hoffnung, daß diese kurzen Erwägungen hilfreich sind, um den „Dialog Österreich“ einmütig und kraftvoll weiterzuführen, so daß er zur notwendigen Erneuerung des Glaubenslebens in Österreich beiträgt, verbleibe ich mit den besten Grüßen und Segenswünschen im Herrn

Ihr Joseph Card. Ratzinger

 

 

 

 

14. Ökumenisches Rahmenprogramm in Berlin zum Papstbesuch in Bayern


In der Bundeshauptstadt Berlin feiern die christlichen Kirchen am 9. September 2006 – also genau an dem Tag, an dem der Papstbesuch beginnt - ein Ökumenisches Stadtkirchenfest (www.auf-gute-nachbarschaft.de). Unter dem Motto „Auf gute Nachbarschaft!“ will das Ökumenische Fest gemeinsame Aktivitäten, die zum ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 entstanden sind, fortführen und einen Akzent setzen auf dem Weg zum zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München.

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche ist durch die Berliner Gruppe „Kritische Katholiken“ mit einem Informationsstand beteiligt.

Am 15. September 2006 – also einen Tag nach Ende des Papstbesuches laden verschiedene kirchliche Reformgruppen, unter ihnen auch die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, zur Veranstaltung "Wo kämen wir hin ...? Ökumenische Gastfreundschaft - ein Tabubruch?" mit Prof. DDr. Gotthold Hasenhüttl und Pfarrerin Heike Krafscheck (ev. Referentin Ökumenischer Rat Berlin-Brandenburg) in die Berliner Gethsemanekirche ein (Beginn 19:30 Uhr).

Am Rande des ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin feierte Hasenhüttl in der evangelischen Gethsemanekirche einen ökumenischen Abendmahlsgottesdienst nach katholischem Ritus, bei dem explizit Protestanten und Katholiken zur Kommunion eingeladen wurden. Wegen dieser Abendmahlsfeier wurde Hasenhüttl durch den Trierer Bischof Reinhard Marx im Juli 2003 vom Priesteramt suspendiert, im Januar 2006 wurde ihm die akademische Lehrbefugnis „Missio canonica“ entzogen.

 

 

 

 

15. Buchtipps


Matthias Drobinski: Oh Gott, die Kirche. Versuch über das katholische Deutschland
Patmos, 03/2006, Buch, 180 Seiten Preis: 18.00 € (D), 18.50 € (A), 31.90 SFr (CH) ISBN: 3-491-72497-X

Hajo Goertz: Brückenschläge. Wirken und Wirkung der Katholikentage
Mai 2006. 127 Seiten, Paperback Matthias-Grünewald-Verlag GmbH | ISBN: 378678602x 7.90 EUR

 

 

Zuletzt geändert am 27­.02.2023