8.1.2009 - Österreichische Pastoraltagung 2009

"Kirche muss Nahversorgerin für die Seele bleiben"

Österreichische Pastoraltagung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil eröffnet - Im Mittelpunkt der Tagung steht die Situation der "Ämter und Dienste" in der Kirche angesichts des Priestermangels

Salzburg, 8.1.09 (KAP) Die Kirche muss "Nahversorgerin für die Seele bleiben": Dies betonte der Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz - der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Fragen der Pastoral zuständig ist - bei der Österreichischen Pastoraltagung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil in einem "Kathpress"-Gespräch. Im Blick auf pastorale Engpässe in manchen Diözesen mahnte Schwarz zur "Zurückhaltung" bei der Aufgabe gewachsener Pfarrstrukturen. Skeptisch zeigte sich der Bischof im Hinblick auf Strukturreformen, die Seelsorgeräume und Pfarrverbände "über die Köpfe der Menschen hinweg" schaffen wollen. Verordnete Reformen könnten allzu leicht das Engagement und die eigenständig von Pfarrgemeinden entwickelten Formen der Zusammenarbeit zerstören und damit Frustrationen hervorrufen.

Bischof Schwarz betonte, dass der Blick auf die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils am Beginn der Pastoraltagung neue Perspektiven gebracht habe. Dazu zähle auch die Einsicht, dass der Amtsbegriff "nicht zu eng" gedacht werden dürfe.

Auf den Spuren des Konzils

Der Tübinger Pastoraltheologe Prof. Ottmar Fuchs meinte im "Kathpress"-Gespräch, die "pastorale Krise" lasse sich zwar nicht allein auf die Frage Neupriesterzahlen reduzieren. Doch zeige der zögerliche Umgang der Kirche mit dieser Frage eine "mangelnde Solidarisierung des kirchlichen Leitungsamtes mit den tatsächlichen Gemeindeproblemen".

Berufungen gäbe es unter Frauen wie Männern "genügend", meinte Fuchs weiter; die Kirche schaffe es jedoch nicht, diese Berufungen "offen anzunehmen". Es sei falsch, diese Frage immer auf Rom abzuschieben. Offenbar sei hier der Leidensdruck noch nicht groß genug, so der Pastoraltheologe. Als einen möglichen ersten Schritt, auf den Priestermangel zu reagieren, nannte Fuchs die Weihe von "viri probati" (bewährten verheirateten Männern). Es gebe "absolut keine theologischen Hindernisse", hier erste Schritte zu wagen. Es sei ihm daher "ein Rätsel, warum es keine deutlicheren Bemühungen gibt, diese Möglichkeit in Rom vorzutragen und offen zu diskutieren".

Fuchs hatte den ersten Hauptvortrag der Pastoraltagung über "Pastoraltheologische Grundlagen der Ämter und Dienste im Volk Gottes" gehalten. Dabei hatte Fuchs einen betont weiten Begriff von "Pastoral" entfaltet, der pastorale Arbeit nicht auf Tätigkeiten im unmittelbar kirchlichen Umfeld beschränkt, sondern "alle Orte, an denen Menschen leben" als "Orte der Kirche und damit als Orte der Pastoral" bezeichnet. Das Zweite Vatikanische Konzil habe diese weite Dimension des Pastoralbegriffs etwa in der Konstitution über die Kirche in der Welt von heute "Gaudium et spes" dargelegt.

Rolle der Laien stärken

Die kirchenrechtlichen Möglichkeiten einer angesichts des Priestermangels notwendigen weiteren Einbindung der Laien in kirchliche Leitungsaufgaben lotete der Innsbrucker Kirchenrechtler Prof. Wilhelm Rees aus. Eine Kirche, der es um das Heil des Menschen gehe, könne "ihre Augen nicht vor dem Priestermangel verschließen" und müsse daher "die Teilhabe der Laien an der Verkündigung, an den Heiligungsdiensten sowie an der Leitung der Kirche verstärken".

Die kirchenrechtliche Basis hierzu bilde das heute geltende kirchliche Gesetzbuch, der "Corpus Iuris Canonici" (CIC) von 1983, der wiederum in seiner Bestimmung des Amtsbegriffs wesentlich auf der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils basiere. Das Konzil habe durch seine Entfaltung des "dreifachen Amtsbegriffs" (priesterlich, königlich, prophetisch) die frühere Gegenüberstellung von Klerikern und Laien aufgesprengt.

Dennoch sei die Theologie des Konzils im CIC nicht vollständig rezipiert worden, so Rees, da es gerade bei der Gemeindeleitung weiterhin Vorbehalte gegenüber der Rolle der Laien gebe (so etwa in Kanon 129, wo es heißt, dass nur diejenigen zur Übernahme von Leitungsämtern in der Kirche befähigt seien, "die die Heilige Weihe empfangen haben"). Auf der anderen Seite gebe es mit Kanon 517 eine Bestimmung, die den Bischöfen die rechtliche Möglichkeit eröffne, in pastoralen Notsituationen Leitungsfunktionen auch an Laien zu delegieren. Dieser Kanon werde jedoch heute zunehmend kritisch gesehen, so Rees, da offensichtlich befürchtet werde, dass er "die Einheit von Weihe und Leitungsvollmacht unterlaufe" und Laien zunehmend zu "Hirten der Gemeinden" werden.

Kritik übte Rees darüber hinaus an der von einigen Diözesen derzeit betriebenen Bildung von Seelsorgeräumen und Pfarrverbänden. Diese basierten zumeist auf einem "alten Amtsverständnis, in dem der Priester im Mittelpunkt des Pfarrlebens" steht. Zugleich verschärfe dies den Mangel an Priesteramtskandidaten weiter, so Rees, da sich zunehmend ein Bild eines Priesters als "Manager und Blaulicht-Priester in pastoralen Notsituationen ohne Zeit für den Kontakt mit den Menschen" herausbilde. Dieses Bild könne junge Menschen abschrecken, die sich für den Priesterberuf interessieren.

Kothgasser: "Symptome einer tiefer gehenden Krise"

Eine "offene Diskussion der real bestehenden Probleme" und eine "gleichzeitige geistig-geistliche Stärkung für die Lösung dieser Fragen" wünscht sich der "Gastgeber" der Österreichischen Pastoraltagung, der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser. Wie Kothgasser im Gespräch mit "Kathpress" betonte, stellen die bestehenden Probleme jedoch "nur Symptome einer tiefer gehenden Krise der Glaubensfestigkeit" dar. Bei allen notwendigen Umstrukturierungen des pfarrlichen Lebens wie etwa der Zusammenfassung von Pfarrgemeinden zu Pfarrverbänden dürfe nicht aus dem Auge verloren werden, dass Strukturreformen die Glaubenskrise nicht lösen können, so Kothgasser.

Scheuer: Erinnerung an "Dialog für Österreich"

Für eine differenzierte Sicht der "heute oftmals schnell im Munde geführten Krise" des kirchlichen und pfarrlichen Lebens plädierte der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer. Im "Kathpress"-Gespräch erinnerte Scheuer etwa an die Delegiertenversammlung zum "Dialog für Österreich", die vor zehn Jahren, im Oktober 1998, ebenfalls Bildungszentrum St. Virgil stattgefunden hatte. Man dürfe heute nicht aus dem Blick verlieren, dass die Diskussion dieser Probleme bereits seit zehn Jahren im Gange sei. "Trotz mancher Enttäuschung" gebe es im Gefolge der Salzburger Delegiertenversammlung auch "zahlreiche Aufbrüche und Früchte" wie etwa das Ökumenische Sozialwort der Kirchen in Österreich oder die Jugendaktion "72 Stunden ohne Kompromiss". Auch erhoffe er sich von der heurigen Pastoraltagung ein erneutes "Aufeinanderzugehen" zwischen Priestern und Laien.

Dennoch erfordere die heutige Situation einen "nüchternen Blick auf eine oftmals durchwachsene Glaubenslandschaft", so der Innsbrucker Bischof. Auf den faktischen Priestermangel habe er in seiner Diözese etwa mit der Schaffung von Seelsorgeräumen reagiert, "eine Initiative, die jedoch auch der Glaubensvertiefung dient", sagte Scheuer. Die ersten Erfahrungen mit den Seelsorgeräumen seien "insgesamt besser als es manchen Untergangspropheten lieb wäre". Daher sei es "voreilig" und "falsch", angesichts der Bildung von Seelsorgeräumen und Pfarrverbänden von einer "Depression" oder einem "reinen Krisensymptom" zu sprechen, so der Bischof.

400 Teilnehmer

Mit mehr als 400 angemeldeten Teilnehmern - unter ihnen neun Bischöfe - erfreut sich die Pastoraltagung eines hohen Publikumszuspruchs. Außer Erzbischof Kothgasser, Diözesanbischof Alois Schwarz und Diözesanbischof Scheuer nehmen auch die Diözesanbischöfe Egon Kapellari (Graz), Klaus Küng (St. Pölten), Ludwig Schwarz (Linz), Elmar Fischer (Feldkirch) Paul Iby (Eisenstadt) sowie der Salzburger Weihbischof Andreas Laun an der Tagung teil.

Die vom Österreichischen Pastoralinstitut (ÖPI) veranstaltete Tagung steht unter dem Motto "Ämter und Dienste. Entdeckungen ? Spannungen ? Veränderungen". Eröffnet wurde die Tagung am Donnerstag mit einem Wortgottesdienst durch den Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz sowie durch die Präsentation von Auszügen der "Apostelgeschichten der Gegenwart" durch ÖPI-Generalsekretär Walter Krieger.

Wie Krieger betonte, stellen diese "Apostelgeschichten" einen "guten Spiegel des pfarrlichen Lebens" und ein "Zeugnis für die Buntheit und Vielfalt" der österreichischen Pfarren dar. Auffallend sei dabei laut Krieger, dass in den meisten "Apostelgeschichten" der Wunsch nach klaren Vorgaben und Ratschlägen für den Umgang mit der Nachwuchskrise laut wurde. 2007 waren insgesamt 638 dieser "Apostelgeschichten der Gegenwart" bei einer Audienz im Vatikan an Papst Benedikt XVI. überreicht worden.


Mehr Informationen:
http://www.pastoral.at/oept/fs_oept.html

Zuletzt geändert am 09­.01.2009