14.5.2010 - Süddeutsche Zeitung

Bischof fordert Ende des Zölibats

Wien – Paul Iby, Bischof der österreichischen Diözese Eisenstadt, hat in deutlicher Form das Ende des Pflichtzölibats in der katholischen Kirche gefordert. Angesichts der Zweifel, Verwerfungen und Engpässe „wäre es für die Weltpriester sicher eine Erleichterung, wenn der Pflichtzölibat aufgehoben würde“, sagte der Oberhirte des Burgenlandes. Er „würde es sehr begrüßen“, wenn man die Priesterweihe verheirateter Männer zulassen würde. Viele bewährte verheiratete Diakone könne man zu Priestern weihen. Iby schlägt vor, es jedem Priester persönlich zu überlassen, „ob er zölibatär lebt oder in einer Familie“. Auch in der Frage, ob Frauen Priesterinnen werden könnten, müsse sich die katholische Kirche mittelfristig bewegen. Dass ein amtierender Bischof so klare Worte findet, ist überraschend. Iby ist allerdings bereits oberhalb der Altersgrenze von 75 Jahren, hat pflichtgemäß seine Demission in Rom eingereicht und amtiert nur noch bis Ende des Jahres. Österreichs Episkopat und Rom schweigen zu seinen Forderungen, die Laienorganisationen begrüßen sie einhellig.






Kommentar

Ein Anfang vom Ende des Zölibats


Seit dem unglückseligen Wiener Kardinalerzbischof Hans Hermann Groer, der des schweren Kindsmissbrauchs beschuldigt worden war, ist Österreichs Kirche nicht mehr zu Atem gekommen. Skandale und die auf reaktionäre Kleriker fixierte Besetzungspolitik Roms haben die einst erzkatholische Republik so ernüchtert, dass sich etwa in der Hauptstadt Wien gerade noch die Hälfte der Bewohner konfessionell deklariert. Der Episkopat reagierte – wie anderwärts auch – mit gewundenen Erklärungen und Höflichkeiten, beharrte aber letztlich auf allen alten dogmatischen Positionen.

Nun bahnt sich ein Wandel an. Der hinter unverbindlichem Reden stets eisenharte heutige Wiener Kardianalerzbischof Schönborn müht sich neuerdings als Seelsorger der Gemeinde. Und urplötzlich kommt der milde burgenländische Bischof Paul Iby mit der Forderung, dem Zölibat als unausweichlicher Lebensform der Priester abzuschwören. Er fordert das noch eindeutiger, als es der Bamberger Oberhirte Ludwig Schick als erster Bischof Mitteleuropas gewagt hatte.

Der Missbrauchs-Skandal raubt gerade der Kirche als Institution ihren herrischen moralischen Anspruch, dem die menschlichen Bedürfnisse achtlos untergeordnet wurden. Diese kathartische Erfahrung lässt Iby und Schick endlich die bisher ignorierte Wahrheit aussprechen: Eine Hierarchie ohne die Menschen hat keine Zukunft. Bischöfe müssen wieder gute Hirten werden, müssen Bedrängnisse und Sehnsüchte von Gläubigen und Priestern kennen und nicht nur die Vorbehalte und Prinzipien einer altersstarren Hierarchie. Und sie müssen das wagen, wenn sie noch jung sind und in Saft und Macht stehen, nicht erst wie Iby vor dem Tor zum Ruhestand.
[br Fk.

Zuletzt geändert am 22­.05.2010