10.6.2010 - Die Presse

Katholische Kirche: Priester für Ende des Pflichtzölibats

GEORGIA MEINHART (Die Presse)

Umfrage der Kepler-Universität unter Weltpriestern: Jeder zweite Geistliche würde Frauen zur Weihe zulassen, wenn er es könnte. Die Erhebungen zur Studie stammen aus der Zeit vor den aktuellen Missbrauchsvorwürfen.

LINZ. Die Einstellung der österreichischen Priester zu heiklen Zukunftsfragen der katholischen Kirche mag manche überraschen: Laut einer Umfrage der Johannes Kepler Universität Linz unter Weltpriestern (Ordenspriester wurden nicht befragt) sind 59 Prozent der Geistlichen für eine Abschaffung des Pflichtzölibats, 31 Prozent für die Beibehaltung, zehn Prozent enthalten sich der Stimme. Auch was die Frage nach der Rolle von Frauen in der Kirche betrifft, kommt die Studie, die von Soziologiestudenten durchgeführt wurde, zu bemerkenswerten Ergebnissen: 51 Prozent halten Frauen für die Priesterweihe geeignet und 47 Prozent würden sie auch zur Priesterweihe zulassen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten.

Die Fragebögen wurden an alle insgesamt 1713 Weltpriester verschickt, 406 haben geantwortet (Rücklauf etwa ein Viertel). Studienleiter Josef Lins hält die Ergebnisse dennoch für aussagekräftig: „Wir haben die Rückmeldungen mit der Altersstruktur verglichen. Der Vergleich ist zufriedenstellend, Verzerrungen schließen wir aus.“

Problem Einsamkeit

Die Diözese Linz, die zuletzt durch den Fall des Ungenacher Pfarrers Friedl, dessen Bekenntnis zu seiner Lebensgefährtin zum Problemfall wurde, der auch in Rom behandelt wurde, ist in der Frage der Frauenpriesterschaft noch eindeutiger als der Österreichschnitt: Zwei Drittel der Linzer Priester befürworten die Frauenweihe (dicht gefolgt von Eisenstadt mit 65 Prozent) – die größte Zahl der Gegner befindet sich in der Erzdiözese Wien, wo sich 31 Prozent der Befragten dagegen aussprechen. Bei der Frage nach den Nachteilen des Zölibats stimmten 62 Prozent der Priester der Aussage zu, dass der Zölibat sie einsam mache. Insgesamt 53 Prozent glauben, dass die katholische Kirche durch die Aufhebung des Zölibatsgebots von den Kirchenmitgliedern als offener und lebensnaher empfunden würde. Dass sie andere Männer um ihr gemeinsames Leben mit einer Partnerin beneiden, bestätigen 18 Prozent, bei 60 Prozent ist das eher nicht oder gar nicht der Fall. Für einen Vorteil des Zölibats halten 70 Prozent der Befragten die Tatsache, dass so mehr Zeit und Verfügbarkeit für andere Menschen bliebe.

Etwa 80 Prozent halten die verpflichtende Ehelosigkeit zusammen mit dem frühen Zeitpunkt, an dem sich Priesteranwärter für das ehelose Leben entscheiden müssen, für einen wichtigen Faktor beim Problem des Priestermangels. Interessant erscheint, dass sich mit zunehmendem Alter der Priester eine zölibatskritischere Haltung manifestiert, lediglich die Über-75-Jährigen gleichen sich wieder mehr den Stellungnahmen der jüngsten Alterskategorie an. Lins führt das auf unerfüllte Erwartungen jener zurück, die sich rund um die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils für den Weg als Priester entschieden hätten und ihre Hoffnung auf Liberalisierung nun enttäuscht sähen.

Missbrauchsopfer: Rechtliche Schritte

Die Erhebungen zur Studie stammen aus der Zeit vor den aktuellen Missbrauchsvorwürfen. Diese werden nun zum Teil auf juristischem Wege ausgetragen: 131 Betroffene von Gewalt in Kircheninstitutionen planen rechtliche Schritte gegen die Kirche, das gab die Plattform „Betroffene kirchlicher Gewalt“ gestern bekannt. Vorgesehen sind Aufforderungsschreiben an die Kirche bis hin zu Klagen auf Schadenersatz. Die Betroffenen meldeten sich in den vergangenen Wochen bei der von der Plattform eingerichteten Hotline, vertreten werden sie durch den Anwalt Werner Schostal.

Indes verstärkt die von Kardinal Christoph Schönborn eingerichtete Opferanwaltschaft unter Waltraud Klasnic den Druck auf die Regierung, eine staatliche Stelle zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen einzurichten. Insgesamt hat sich die Klasnic-Kommission bereits 193 Fälle, zwei Drittel davon betreffen Männer, angenommen. Fünf davon gelten als abgeschlossen.

URL: http://diepresse.com/home/panorama/religion/572463/index.do

Zuletzt geändert am 11­.06.2010