19.2.2011 - Nürnberger Nachrichten

„Meine Kirche muss sich unbedingt erneuern: Frauen an den Altar!“

Der überzeugte Katholik und CSU-Landtagsabgeordnete Hermann Imhof sieht in gegenwärtiger Krise eine große Chance zur Weiterentwicklung

Der Aufforderung zum Aufbruch der katholischen Kirche haben sich über 200 Theologieprofessoren und einige Politiker angeschlossen. Auch der CSU-Landtagsabgeordnete Hermann Imhof ist überzeugt, dass Veränderungen wie Aufgabe des Zwangszölibats und mehr Mitbestimmung anstehen.

Der in Ansbach geborene Kardinal Walter Brandmüller hat Politiker attackiert, sie würden sich in kircheninterne Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angehen. Sind Sie ein Wichtigtuer?

Imhof: Nein, ich bin kein Wichtigtuer. Natürlich mische ich mich ein, denn ich liebe meine katholische Kirche und ich stehe zu ihr. Aber sie muss sich unbedingt erneuern. Nach den Missbrauchs–Skandalen imvergangenen Jahr kann man nicht einfach so weitermachen. Die deutsche katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise. Sie sollte ihre Situation demütig und bescheiden annehmen, nicht selbstgerecht. Über die Krise muss man nicht verzagen, sondern sie als Chance zur Weiterentwicklung nutzen.

In welche Richtung?

Imhof: Es gibt viele Punkte. Der Zölibat muss endlich auf eine freiwillige Basis gestellt werden. Schließlich ist er kein Dogma, über Jahrhunderte hat es keinen Zölibat gegeben. Viele Pfarrer leben ihn überzeugend, aber das geht auch auf freiwilliger Basis. Zahllose gute Leute sind der katholischen Kirche wegen dieser Bestimmung schon verloren gegangen! Es wäre eine echte Bereicherung, wenn bewährte, verheiratete Männer Pfarrer werden könnten. In dem Zusammenhang ist die volle Gleichberechtigung der Frau zu fordern — auch am Altar als geweihte Priesterin. Das gemeinsame Abendmahl mit evangelischen Christen ist mein ganz großer Wunsch. Vielleicht erlebe ich es noch als ergrauter, alter Mann.

Ihre Forderungen sind bei der evangelischen Kirche Realität. Wie wäre es mit einem Übertritt?

Imhof: Kommt überhaupt nicht infrage, mir liegt meine Kirche wirklich am Herzen. Ich habe so positive Erfahrungen gemacht und viele Menschen kennengelernt, die für mein geistiges Leben wichtig geworden sind: Nürnberger Jesuiten, wie zum Beispiel Alfred Welker, Joe Übelmesser, Ossi Wopperer und Karl Kern oder auch der frühere Stadtdekan Theo Kellerer. Sie alle haben die Botschaft Gottes in verständlicher Form verkündet. Es geht um die Botschaft vom verzeihenden, barmherzigen und liebenden Gott, nicht um einen Katalog von Vorschriften und Sanktionen.

Das hört sich gut an, aber im kirchlichen Alltag gibt es immer wieder hartherzige Entscheidungen.

Imhof: Das stimmt, wenn man etwa an den Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten denkt. Oder auch an das Verhalten gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Die Kirche müsste die Menschen unvoreingenommen mit offenen Armen aufnehmen. Das geschieht leider oft nicht in dieser Weise.

Bei den Äußerungen stehen konservativen Katholiken die Haare zu Berge.

Imhof: Ich habe nach meinem öffentlichen Eintreten für das Memorandum der Professoren nicht nur Zustimmung bekommen. In etlichen Mails hat man mir vorgeworfen, ich würde zur Spaltung der Kirche beitragen, ihre Substanz zerstören und dem Zeitgeist frönen. Aber wir müssen uns der heutigen Zeit stellen, die Diskussion darf nicht versanden. Ich bin kein Meckerer, der alles niedermacht. Und unsere Kirche kann viel zu den aktuellen Problemen beitragen.

Woran denken Sie?


Imhof: Unsere Gesellschaft steckt in einer tiefen Sinnkrise. Die weltweite Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass die Unkultur der Gier, des Habenwollens, des Egoismus und Leistungsdrucks ein Gegenmodell braucht. Das gibt es in der weltweiten katholischen Kirche. Die katholische Soziallehre, die früher berühmte Theologen wie der Jesuit Oswald von Nell- Breuning ausformuliert haben, ist noch heute topaktuell.

Ein konkretes Beispiel?

Imhof: Denken Sie nur an die Leiharbeit bei uns — oft mit nur vier Euro Stundenlohn — und den ständig befristeten Verlängerungen der Arbeitsverträge, die eine dauerhafte Anstellung verhindern. Das konterkariert die Menschenwürde. Die Kirche hat sich in Deutschland immer wieder auf die Seite der Benachteiligten und Armen gestellt. Ihr Eintreten für Solidarität, Chancengerechtigkeit und Teilhabe ist absolut zeitgemäß.

Teilhabe kann man auch kirchenintern verstehen.

Imhof: Das ist richtig. Die Kommunikation muss angstfreier, die starre Hierarchie aufgeweicht werden. Was spricht gegen eine Beteiligung der Gemeinden, wenn ein neuer Pfarrer bestimmt wird? Oder kann nicht auch eine Synode bei der Bestellung wichtiger Amtsträger wie Bischöfe mitsprechen? Kirchliche Mitarbeiter und alle katholischen Christen sollten sich konstruktiv, selbstbewusst, mutig und — wenn nötig — auch mal unbequem, in den ganzen Prozess einbringen. Es gibt viele Baustellen in der katholischen Kirche. Aber ich möchte auch nicht missverstanden werden: Es ist nicht alles radikal falsch und verkehrt. Es fehlt nur häufig die Offenheit.

Interview: HARTMUT VOIGT

Zuletzt geändert am 21­.02.2011