26.2.2012 - kath.web

Ordensfrauen zwischen "mutigen Aufbrüchen" und Tradition

Deutscher Neutestamentler Bruners ruft Ordensfrauen bei Tagung in Vöcklabruck auf, "mutiger" in die Zukunft zu gehen - Sr. Feuerstein: Mut und Profil gefordert

Linz (KAP) Frauenorden zwischen "mutigen Aufbrüchen" und Tradition: Der deutsche Neutestamentler Wilhelm Bruners hat im "Kathpress"-Gespräch am Rande der derzeit laufenden "Jahrestagung für Höhere Oberinnen" in Vöcklabruck Ordensgemeinschaften aufgerufen, "mutiger" zu sein. "Gerade Ordensfrauen hätten schon von ihren Gründerinnen her die Möglichkeit, wirklich progressiv zu sein", sagte Bruners mit Blick auf die anfänglichen Widerstände, auf die viele Gründerinnen gestoßen seien. "Wie schwer hatte es die Gründerin der 'Englischen Fräulein' Mary Ward? Welche Kämpfe hat eine Hildegard von Bingen mit dem Mainzer Domkapitel gehabt? Das waren starke Frauen - und es hat eine ganze Reihe von ihnen gegeben."

Bruners bedauerte zwar generell, dass nach einem anfänglichen großen Aufbruch bei Ordensgründungen in der konstitutiven Phase vieles wieder zurückgenommen worden sei und Orden heute "an manchen Stellen Horte der Tradition" seien. Gleichzeitig betonte der Neutestamentler aber, dass es bereits Gemeinschaften gebe, die schon "neue Wege" einschlugen.

Im Bereich der Frauenorden nannte er etwa die "Schwestern vom Guten Hirten", die in Deutschland ihre Provinzen zusammengelegt, Großkonvente aufgelöst und den Ordensfrauen die Möglichkeit gegeben, sich in kleinen Gruppen "mitten in eine völlig areligiöse Umgebung zu begeben". Auch andere Orden, etwa die Salvatorianerinnen mit ihrem Gesundheitszentrum am Wiener St. Josef-Krankenhaus oder die Steyler Schwestern mit ihrer Ausbildung für Ordensfrauen im Medienbereich, seien neue Wege gegangen.

Bruners: "Das sind mutige Aufbrüche, weil diese Frauen anmahnen, was eigentlich passieren müsste. Denn sie merken, dass man die Pastoral mit traditionellen Mitteln nicht mehr einfach so weiterführen kann." Die Gefahr dabei sei, dass solche Gruppen auf ihrem Weg schließlich an einen Punkt kommen, an dem ihnen ein "absolutes Verbotsschild" geboten werde und sich dann Resignation breit mache.

Sr. Feuerstein: Mut und Profil gefordert

Positiv aufgegriffen wurden die Impulse Bruners von der Generalsekretärin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs (VFÖ), Sr. Cordis Feuerstein. Die von Bruners biblisch grundierten Ansätze ermutigten die Ordensfrauen, sich "zu öffnen und freier" zu machen. "Es stärkt das Selbstbewusstsein und damit auch das Sendungsbewusstsein", so Sr. Feuerstein gegenüber "Kathpress".

Positiv wertete die Generalsekretärin auch, sich bewusst zu machen, dass Ordensgründerinnen oftmals gegen Widerstände weitergemacht und so oberflächlich betrachtet immer wieder einmal nicht dem Rollenbild der Gesellschaft entsprochen hätten, aber für die religiöse Entwicklung immer wichtig gewesen seien. Es sei heute auch nötig zu sagen, "wir haben als Frau und als Ordensfrau eine Aufgabe in der Kirche - und wir bringen sie auch ins Wort".

Mehr denn je ist laut Sr. Feuerstein heute auch ein klares Profil der einzelnen Frauenorden gefordert. Im Gegensatz zu früher sei das Angebot für Frauen generell größer geworden und auch das spirituelle Angebot sei enorm gewachsen, es gebe sozusagen nicht mehr nur die Kirche als Anbieter. "Das Bedürfnis nach Spiritualität ist da, aber es ist unspezifisch geworden", erklärte die Generalsekretärin. Es sei wichtig, sein "Kerngeschäft" zu kennen und unter den vielen "Anbietern" klar Profil zu zeigen: "Sonst dümpel ich irgendwo in der Mitte herum". Nachsatz: Auch die großen Frauen in der Bibel und die Ordensgründerinnen hätten "alle ein Profil gehabt", so Sr. Feuerstein.

Nicht von Nachwuschssorgen lähmen lassen

Diskutiert wurde bei der Jahrestagung auch die Frage des Ordensnachwuchses und der Überalterung in den Ordensgemeinschaften. So erklärte Sr. Cordis Feuerstein gegenüber "Kathpress", dass mangelnder Nachwuchs und Überalterung gerade auch für die von Ordensfrauen geleiteten Werke große Herausforderungen darstellen. "Die Herausforderungen sind die Veränderungen." So müssten etwa in Krankenhäusern oder Schulen zunehmend weltliche Mitarbeiter eingesetzt werden, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Hier stehe die Frage im Mittelpunkt, wie die Werke im Sinne der jeweiligen Ordensgemeinschaft weitergeführt werden können.

In ein anderes Licht wendete der als Referent geladene Neutestamentler Wilhelm Bruners die Nachwuchs-Frage: Ein "radikaleres Leben nach dem Evangelium" führe stets zu einer "Qualitätssteigerung und zur Quantitätsminderung", so Bruners gegenüber "Kathpress". Zwar verließen auf der einen Seite Menschen die Kirche, auf der anderen Seite aber kämen andere neu hinzu. Dazu tragen auch neuere Lebensmodelle bei.

Als Beispiel nannte er etwa den deutschen Ordensmann P. Andreas Knapp von den "Kleinen Brüder vom Evangelium", der gemeinsam mit einigen Mitbrüdern in einer DDR-Plattenbausiedlung am Stadtrand von Leipzig wohnt. Jedes Ordensmitglied geht einer "normalen" Arbeit nach. "Das interessiert die Menschen - und sie kommen und fragen: Was macht ihr da?", so Bruners. Und etwas Besseres könne es gar nicht geben, als dass Menschen neugierig auf die Gemeinschaften würden.

Angesichts einer sich wandelnden Gesellschaft könnten Orden somit Vorbilder für gute Formen des Zusammenlebens sein und Modelle entwickeln, "wie man sich in kleinen Gruppen gegenseitig stützt", sagte Bruners. Mit Verweis darauf, dass auch Jesus mit seinen Anhängern nicht allein gelebt hätte, meinte der Neutestamentler, hier müsse man in der Kirche generell zu einer "größeren Vielfalt" kommen.

Neben den klassischen Betätigungsfeldern wie etwa dem sozialen Bereich würde sich Bruners mehr Ordensfrauen im Bildungs- bzw. Weiterbildungsbereich wünschen, so z.B. mehr Dozentinnen an Universitäten.

Große Frauen der Bibel

In seinem Referat hatte Bruners zuvor darauf hingewiesen, dass es - auch wenn es scheint, als hätten Männer im Leben Jesus die Hauptrolle gespielt - immer wieder Frauen waren, die zu "Lebensmeisterinnen Jesus" geworden seien. "Es ist nicht nur die Mutter, von und durch die er lernt. Er begegnet immer wieder Frauen, die ihm zur Lehrerin werden. Er lässt das zu, verändert an entscheidenden Stellen seines Lebens durch diese Begegnungen sein Verhalten bzw. lernt eine Lektion, die ihn sein Leben besser verstehen lässt", so Bruners.

Neben der Gottesmutter Maria nannte er z.B. die Begegnung Jesus mit der kanaanäischen Frau. "Jesus wusste fortan, dass er nicht nur einen Auftrag für sein jüdisches Volk hatte - er hatte ihn auch für Menschen außerhalb des Judentums." Auch erinnerte der Neutestamentler an die Ostergeschichte und daran, dass es eine Frau gewesen sei, die den Jüngern vom leeren Grab berichtet habe.

Angesichts der heutigen Situation von Frauen in der Kirche meinte der Neutestamentler, "wir stehen immer noch dem Evangelium nach". Er sehe aber "Hoffnungszeichen": Frauen würden sich zunehmend gegen das lange erfolgte Zurücktreten und Zurückgedrängt-Werden wehren und damit "die Gesamtkirche an das Evangelium erinnern".

Feier mit Bischof Schwarz

Die am Freitag gestartete "Jahrestagung für Höhere Oberinnen" steht unter dem Motto "Jesus - Schüler der Frauen. Was Jesus in der Begegnung mit Frauen gelernt hat". Am Samstag feierte Diözesanbischof Ludwig Schwarz mit den rund 100 Schwestern aus ganz Österreich eine Eucharistiefeier. Die Tagung endet Montagmittag mit einem gemeinsamen Abschlussgottesdienst. (Infos: www.vfoe.at)

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Zuletzt geändert am 26­.02.2012