17.9.2012 - Badische Zeitung

Hoffnung für die Ausgegrenzten?

Theologe Schockenhoff will seine Kirche bewegen, Katholiken in Zweitehe tolerant zu behandeln.

EHRENKIRCHEN. Sein Staunen macht Hoffnung: Eberhard Schockenhoff, Professor für Moraltheologie an der Universität Freiburg, hat zu seiner Überraschung bisher keinen Ärger mit der vatikanischen Glaubenskongregation, obwohl er in seinem jüngsten Buch darlegt, wie künftig auch geschiedene und wieder verheiratete Katholiken wieder zur Kommunion gehen dürfen. Weil Rom ruhig bleibt, setzt er darauf, dass seine Kirche doch einen Weg findet, Katholiken in Zweitehe nicht länger auszugrenzen. Und dass Pfarrer, die ihnen die Sakramente schon jetzt spenden, nicht mehr gegen geltendes Kirchenrecht handeln müssen.

Der 59-jährige Theologe nutzte am Sonntagvormittag eine Veranstaltung der Seelsorgeeinheit Obere Möhlin, um in Ehrenkirchen den Papst daran zu erinnern, dass dieser als Theologieprofessor schon vor 40 Jahren gefordert habe, für diese Katholiken eine Lösung zu finden. "Weshalb hält Benedikt XVI. nicht an dem fest, was er als Joseph Ratzinger einst selbst befürwortet hat?", fragte Schockenhoff. Er verteidigt die vom Vatikan abgeschmetterte Initiative der oberrheinischen Bischöfe Oskar Saier, Walter Kasper und Karl Lehmann von 1993 als wegweisend, diesen Katholiken die Sakramente, also vor allem die Kommunion, nicht zu verweigern. Und schließlich wolle auch der bisherige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der jetzt an der Spitze der vatikanischen Glaubenskongregation steht, einen Weg suchen, um die Betroffenen mit ihrer Kirche zu versöhnen.

Schockenhoff nennt es paradox, dass geschiedene Katholiken, die mit einem neuen Partner unverheiratet zusammenleben, die Sakramente empfangen dürfen, von diesen aber sofort ausgeschlossen werden, wenn sie diesen Partner heiraten und der frühere Partner noch lebt. Heiteres Grummeln im Publikum, als Schockenhoff dann noch die vatikanische Festlegung zum Besten gibt, dass auch geschiedene und wiederverheiratete Katholiken kommunizieren dürfen, wenn sie dem Pfarrer glaubhaft versichern, dass sie keusch zusammenleben…

Weil Erzbischof Zollitsch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz für Katholiken in Zweitehe mehr "Barmherzigkeit" verlangt, stellt sich Schockenhoff vor, dass die deutschen Bischöfe vorangehen und als erste Ortskirche ihren Priestern eine gemeinsame Handreichung verfassen. Und dass der Papst für diese pastorale Instruktion sogar ein paar anerkennende Worte finden könnte. Schließlich habe Benedikt XVI. beim katholischen Familienweltkongress im Juni Mailand selbst von einem "großen Leiden der heutigen Kirche" gesprochen.

Schockenhoff hält an Jesu Wort fest, die Ehe sei unauflöslich. Aber er setzt auch auf die von Jesus immer wieder bekundete "grenzenlose Vergebungsbereitschaft und Güte meines Vaters". Die Instruktion der Bischöfe, wie Schockenhoff sie sich vorstellt, könnte oder sollte deshalb beinhalten, dass die geschiedenen und erneut heiratenden Katholiken statt der – natürlich ausgeschlossenen – zweiten kirchlichen Trauung eine kirchliche Segensfeier erhalten, die ihre zweite Ehe nicht nur duldet, sondern sogar anerkennt.

Treue und Vergebung, betonte Schockenhoff am Sonntag in Ehrenkirchen, seien keine Gegensätze, sondern sie gehörten für Jesus untrennbar zusammen. Die Kirche müsse einfach einen Weg finden, um pastoral jenen eine Chance auf Versöhnung zu geben, die am Anspruch der Treue gescheitert sind. Die Protestanten hätten es da einfacher: Für Luther sei die Ehe kein Sakrament gewesen, deshalb gebe es auch kein evangelisches Eherecht.

Schockenhoff selbst hat nach eigenen Worten kein Problem damit, schon jetzt pastoral zu handeln gegenüber jenen, die zwar nicht exkommuniziert, "aber von der Kirche an den Rand gedrängt" seien: Er habe, sagte der Theologe unlängst in einem BZ-Interview, noch nie jemandem die Kommunion verweigert.

– Eberhard Schockenhoff: Chancen zur Versöhnung? Die Kirche und die wiederverheirateten Geschiedenen. Herder-Verlag Freiburg 2012, 200 S., 27,95 Euro.

DAS ZITAT

Brüder in Christo


"Mit dem Wort vom Mitbruder ist es in der Deutschen Bischofskonferenz oft ebenso wie in der Politik mit dem Begriff Parteifreund"

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff in Anspielung auf die in der Politik verbreitete Steigerung "Freund – Feind– Parteifreund".

Zuletzt geändert am 22­.09.2012