24.9.2016 - Saarbrücker Zeitung

Katholischer Pfarrer, verheiratet, ein Kind

Entscheidung aus Liebe: Der frühere Oberthaler Pfarrer Michael Pauken und sein neues Leben als Ehemann und Vater

Von Matthias Zimmermann

Der Liebe wegen hat der katholische Geistliche Michael Pauken die Pfarreiengemeinschaft in Oberthal-Namborn verlassen. Mittlerweile führt der 43-Jährige ein glückliches Familienleben.

Zum Gebet ausgebreitete Arme im grünen Talar: So stand er da, ein letztes Mal am Altar der Kirche St. Donatus im Oberthaler Ortsteil Gronig. Ein letztes Mal zelebrierte er das Hochamt. Alles schien wie immer an diesem August-Morgen 2015. Bis er am Ende des Gottesdienstes verkündete, dass er die Gemeinde verlässt. Viele Gläubige reagierten völlig perplex, hatten nicht im Geringsten damit gerechnet. Allzu lange war er auch noch gar nicht hier. Viel zu kurz, um routiniert weiterzuziehen. Und nun der überraschende Weggang.

Seitdem hat sich einiges im Leben von Michael Pauken gewandelt. Er ist umgezogen, lebt in Kell am See. Keine 40 Kilometer entfernt von seiner einstigen Wirkungsstätte und doch irgendwie ganz weit weg. Hinter dem als natürliche Grenze zum benachbarten Rheinland-Pfalz wirkenden Hügel. Im Hunsrück, wo die Ortsgemeinde mit 1900 Einwohnern liegt. Das ist seine neue Heimat – mittlerweile auch für seine kleine Familie.

Seit dem 14. Mai ist der gebürtige Koblenzer mit Claudia verheiratet, bis auf Weiteres nur standesamtlich. Schon wenige Wochen später stellte sich das nächste freudige Ereignis ein: Am 22. Juli kam ihre gemeinsame Tochter Louisa zur Welt.

Ein glücklich dreinschauender Pauken kutschiert sie im roten Kinderwagen umher. Er dreht um den idyllischen kleinen See seines Dorfes an einem sonnigen Septembertag seine Runden. Auf einmal ein leises Wimmern, was sich recht zügig zu einem kräftigen Quengeln entwickelt. Kaum zu fassen, dass solch ein winziges Menschenwesen diese ohrenbetäubende Rebellionstöne ausstoßen kann. „Hier ist jemand wach geworden und will die Flasche bekommen“, sagt Pauken, dessen binnen kürzester Zeit geschultes Gehör das Jammern exakt zu deuten weiß. Der junge Papa hält an, wendet sich mit einem liebevollen Griff dem Winzling zu und füttert ihn. Es dauert nicht lang, bis wieder Stille einkehrt, Louisa in Paukens Arm zufrieden an der Flasche nuckelt. Nach ein paar Minuten legt er den Wonneproppen ins rollende Bettchen zurück und flaniert weiter.

Und beruflich? Der 43-Jährige verdient jetzt als stellvertretender Chef eines Seniorenheims seinen Lebensunterhalt. Durch und durch ein normales Leben. Wenn da nicht – wenn da nicht ein kleiner, aber entscheidender Unterschied wäre, der die Umstände alles andere als typisch erscheinen lässt: Paukens Berufung. Bis vor einem Jahr war er Pfarrer. In der Pfarreiengemeinschaft Oberthal-Namborn. Eine Aufgabe, die er anstrengend fand, die ihm aber auch gefallen hat. Doch ihm blieb als katholischer Geistlicher die Ehe verwehrt. Aber die Liebe zu einer Frau war stärker.

Claudia und er kennen sich bereits viele Jahre. „Aus Kennen wurde eine Freundschaft. Es hat sich entwickelt“, berichtet der Geistliche. Anfangs war nicht abzusehen, was daraus werden sollte, versichert er. Der Entscheidung sei ein Reifeprozess vorausgegangen. „Hierbei ging es nicht um eine Frage des Glaubens, sondern darum, was Gott von mir will.“ Er sei „mit voller Überzeugung Priester geworden“, habe sich dazu berufen gefühlt, seelsorgerisch tätig zu sein. Doch dann sei er zu einem „Kirchenbeamten“ geworden, wie er es nennt. Was ihn vor die Wahl gestellt habe, ob er sich diesem System anpasst oder besser aufhört. Nach knapp drei Jahren in Oberthal und Namborn war klar: „Ich will ein anderes Leben.“

Dabei ist Pauken auf seinen ehemaligen Chef, den Trierer Bischof Stephan Ackermann, nicht gut zu sprechen. Dieser habe trotz mehrerer Briefe, in denen der Pfarrer in dienstlichen wie persönlichen Dingen um Hilfe bat, nicht oder nur sehr spät reagiert. Pauken wörtlich: „Als ich mitteilte, dass ich gehen will, wurde ich nach zwei Tagen angerufen. Bei allem anderen habe ich keine Antwort bekommen oder musste drei Monate auf Antwort warten.“ Anders bei Ackermanns Vorgänger Reinhard Marx: „Er war für seine Priester da, wenn es ihnen schlecht ging.“ Pauken legt nach, weil er sich in seinem Amt alleingelassen fühlte: „Für mich war klar: Auf Claudia kann ich mich verlassen. Auf den Bischof und seine Behörde nicht.“ Er sei nicht der Einzige, der dies so verspürte. „Dass in zwei Jahren acht Priester den Dienst quittieren, davon fünf leitende, spricht für sich selbst.“

Trotz dieser Enttäuschungen bleibe er ein Mann des Glaubens, sagt Pauken. Seine christliche Einstellung habe sich nicht durch die Entscheidung gegen das Priesteramt geändert. Mehr noch: Seine neue Aufgabe als stellvertretender Leiter eines katholischen Seniorenheimes lasse ihm größeren Spielraum bei der seelsorgerischen Arbeit als der Dienst in einer Pfarrei. Als Priester „wirst du verheizt. Du musst Löcher stopfen“, kritisiert er. Heute sei ein Geistlicher dermaßen mit Verwaltungsaufgaben und Sitzungen beschäftigt, dass für Seelsorge kaum Zeit bleibe. Pauken kritisiert abermals Bischof Ackermann: „Es gibt von ihm keine Rückendeckung.“

Im Altenheim, sagt Pauken, könne er „die Liebe Gottes“ besser vermitteln als im Bistumsdienst. In seinem ersten Beruf als Pfleger stehe er mit den Heimbewohnern, deren Angehörigen sowie den Mitarbeitern in engem Kontakt. „Die seelsorgerische Ausbildung kann ich jetzt besser anwenden.“ Gerade die Angehörigen plagten oft Schuldgefühle.

An der Seelsorge will er auch an neuer Wirkungsstätte festhalten. So steht ein beruflicher Wechsel vom Hunsrück in die Region Trier an. Dort wird er die Leitung einer Altenpflegeeinrichtung übernehmen, dann eines nichtkirchlichen Trägers.

Gleichzeitig widmet er sich von ganzem Herzen seiner Familie. Und nach der standesamtlichen Heirat denken er und Claudia an eine kirchliche Hochzeit. Doch der steht sein bisheriger Priesterstatus im Wege. Damit ihm die Trauung in einem Gotteshaus möglich wird, muss ihn die katholische Kirche von seinen Pflichten und Rechten als Pfarrer entbinden, die er durch die Weihe zugesprochen bekam, auch von der Pflicht zur Ehelosigkeit. Ob der Zölibat noch lange Bestand haben wird, dazu hat Pauken eine klare Meinung: „Das ist wie bei der Berliner Mauer: Irgendwann wackelt sie, dann ist sie weg.“

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Zuletzt geändert am 26­.09.2016