17. 2.2010 - Badische Zeitung

Pfarrgemeinderatswahl: Es rumort an der Basis

In den römisch-katholischen Pfarrgemeinden werden am 13. und 14. März neue Pfarrgemeinderäte gewählt – und an der Basis herrscht Unmut.

Verunsicherung und Unlust sind nicht zu übersehen. Etwa die Hälfte derer, die sich bisher ehrenamtlich im Pfarrgemeinderat ihrer Gemeinde engagiert haben, kandidieren nicht mehr bei der Wahl für dieses Gremium am 13. und 14. März. Sie lassen sich auch nicht mehr bewegen von der innerkirchlichen Werbung wie "Beweg’ was! Unser Ehrenamt wirkt." Denn dieses Gefühl, etwas bewirken zu können, haben sie ganz und gar nicht. Eher haben sie erlebt, wie ihnen neue Strukturen übergestülpt wurden, die sie nicht wollten: Wegen des Priestermangels in der Römisch-Katholischen Kirche wurden Pfarrgemeinden zu sogenannten Seelsorgeeinheiten zusammengelegt. Zwölf sind es im Stadtdekanat Freiburg, die nach den Plänen der Erzbistumsleitung bis 2015 in acht solchen Großeinheiten aufgehen sollen.

"Man weiß nicht, wie das mit diesen großen Gebilden funktionieren soll", gibt Meinrad Drumm als Vorsitzender des Dekanatsrats (das ist die Ebene über den Pfarrgemeinderäten) die Stimmung an der Basis wieder, "man weiß nicht, wie dann das Gemeindeleben noch aufrechterhalten werden soll." Einer aus dem "Fußvolk" hat es in einem Brief an Erzbischof Robert Zollitsch deutlich formuliert: "Nun stehen wir vor der Fortsetzung des Fiaskos, und wieder soll dem Gottesvolk eine Verwaltungsreform übergestülpt werden. Gemeinden sollen aufgelöst und zu Groß-Pfarreien zusammengelegt werden."

Befürchtung eines Katholiken: "Kirche vor Ort stirbt"

Der seit seiner Jugend in der Kirche aktive Mann, dessen Sohn sich vor einigen Jahren zum Priester weihen ließ, befürchtet Schlimmes. Mit Blick auf die Kleriker: "Deren spärliche Gruppe wird in diesen Großraumverbänden einem permanenten Stress ausgesetzt, ihre Gesundheit wird übermäßig strapaziert, sie werden verheizt." Mit Blick auf die Liturgie: "Das Zentrum unseres Glaubenslebens, die Eucharistiefeier, wird zum Sondererlebnis, das man in der gewohnten Kirchenumgebung nur noch episodenhaft aufsuchen kann." Mit Blick auf die Gemeinden: "Kirche vor Ort stirbt, der Restkontakt zu den zwangseingemeindeten Nachbarkirchen scheitert an der Anonymität und den Distanzen." Kurzum, fragt der Katholik den Erzbischof: "Ist sich die Kirchenleitung bewusst, wie groß inzwischen die Diskrepanz zwischen der Administration und dem Leben des Gottesvolkes ist?"

Das schiere Gegenteil wollte das Zweite Vatikanische Konzil, dem sich die Pfarrgemeinderäte (PGR) verdanken. In ihnen sollten Nicht-Kleriker, sogenannte Laien, wesentlich die Kirche in ihrem Lebensraum mitgestalten. Von einer Demokratisierung der Kirche war damals die Rede. Ein Hauch von Gleichberechtigung sogar wurde spürbar, weil zunächst wenige, mit der Zeit aber immer mehr Frauen in den Räten mitmachten und sie vielerorts längst leiten. In der Werbung zur PGR-Wahl 2010 wird diese Beteiligung noch immer hochgehalten. Im Zusammenhang mit der"Initiative Wertvolle Zukunft" würdigt die Erzdiözese Freiburg, "dass Menschen, die ihre Zeit und ihr Engagement zur Verfügung stellen, in besonderer Weise an der Zukunft der Kirche von Freiburg mitbauen" – als Zeitspender, Ideenspenderinnen, Perspektivespender, Zukunftsspenderinnen.

Dennoch scheint es nicht ganz einfach, die Listen zur PGR-Wahl überall voll zu bekommen. Einigen Pfarreien gelingt das diesmal nicht, weiß Meinrad Drumm; andere bekommen ein paar mehr zusammen, als zu wählen sind; und nur wenige schaffen es, eine richtige Auswahl zu ermöglichen. So, wie es die Wahlordnung in ihrem Paragrafen 10 als Ziel formuliert: "Die Kandidatenliste soll doppelt so viele Namen enthalten wie Mitglieder zu wählen sind." Das gelingt noch am ehesten dort, wo die Ehrenamtlichen überzeugt sind: Wir müssen das Beste aus der Situation machen, deshalb wollen wir mitarbeiten. In anderen Pfarreien dagegen wollen etliche Frauen und Männer aufgrund ihrer Erfahrungen während der vergangenen Jahre nicht mehr mitmachen – oder sie können es nicht, weil sie gemerkt haben, dass die Anforderungen im Pfarrgemeinderat ihre ehrenamtlichen Möglichkeiten übersteigt.

Was der Dekanatsratsvorsitzende durchaus nachvollziehen kann. "Es gab in den letzten fünf Jahren eine enorme Dynamik mit der Verringerung der Zahl der Dekanate in der Erzdiözese und mit der Zusammenlegung von Pfarrgemeinden zu Seelsorgeeinheiten – das waren für die Verantwortlichen Kraftakte und brachte sehr große Arbeitsbelastungen mit sich."

In den nächsten fünf Jahren soll weiter umstrukturiert werden

Und in der kommenden fünfjährigen Amtszeit der Pfarrgemeinderäte wird es nicht weniger oder leichter werden. In der neuen Amtsperiode soll nämlich vorbereitet werden, was nach den Vorstellungen der Kirchenoberen 2015 Wirklichkeit sein soll: Eine Seelsorgeeinheit soll (staatskirchenrechtlich) eine Kirchengemeinde werden, dann nur noch einen einzigen Pfarrgemeinderat und ebenfalls nur noch einen gemeinsamen Stiftungsrat (der über die Finanzen einer Gemeinde entscheidet), aber auch ein sogenanntes Gemeindeteam haben, dessen Befugnisse noch etwas unklar sind.

"Die nächsten fünf Jahre", ist sich Meinrad Drumm sicher, "werden von einem enormen Umbruch geprägt sein." Wenn sich ehrenamtlich Engagierte indes alle paar Jahre mit neuen Strukturreformen befassen müssen, beobachtet er, "erzeugt das Unmut in den Gemeinden und den Eindruck einer wenig vorausschauenden Planung". Und dann ziehen bisherige PGR-Mitglieder (der Altersdurchschnitt liegt zwischen 50 und 60 Jahren) eben die Konsequenzen daraus und sich zurück, weil sie sagen:"Ich hab’ schon so viel Kraft gelassen, ich kann nicht mehr, und ich will auch nicht mehr."

Damit sich das nicht auf die Wahlbeteiligung (2005 waren es durchschnittlich etwa 25 Prozent) auswirkt, beginnt am 19. Februar um 19.30 Uhr im Jazzhaus eine Podiumsdiskussion unter der Überschrift "Lust und Frust im Pfarrgemeinderat?". An diesem für eine kirchliche Veranstaltung ungewöhnlichen Ort diskutieren, moderiert von Klaus Nientiedt, dem Chefredakteur des Konradsblatt, Domkapitular Peter Kohl, Meinrad Drumm, Stadtdekan Claudius Stoffel und die Pfarrgemeinderätin Barbara Henze.

Weitere Informationen auf der Seite http://www.pgr-wahl-freiburg.de

URL: http://www.badische-zeitung.de/freiburg/es-rumort-im-kirchenvolk--27095879.html

Zuletzt geändert am 28­.02.2010