29.10.2008 - Radio Vatikan

Vatikan: Der Zeremonienmeister im Interview

Die Art, wie Papst Benedikt XVI. die Heilige Messe feiert, unterscheidet sich von der seines Vorgängers. Für die Umsetzung des Ratzingerschen Liturgieverständnisses in die Praxis eines Papstgottesdienstes sorgt der Päpstliche Zeremonienmeister. Und Benedikt XVI. hat sich einen neuen gesucht: Guido Marini ist seit einem Jahr im Amt, am 2. November 2007 gestaltete er seinen ersten Papstgottesdienst. Gudrun Sailer bat aus diesem Anlass Guido Marini vors Mikrofon.

Monsignor Marini, wie würden Sie den liturgischen Stil von Papst Benedikt definieren?
Das ist keine einfache Frage, weil der liturgische Stil sowohl die äußere als auch die innere Dimension des Zelebrierens umfasst - und natürlich das jeweilige Liturgieverständnis. Ich denke, der liturgische Stil Papst Benedikts betont sowohl die rechte Nüchternheit, die seit jeher die römische Liturgie kennzeichnet, als auch den Sinn für das Mysterium und das Heilige. Und dann sehe ich eine starke Hinwendung zum Herrn, der schließlich in jedem Moment des Zelebrierens anwesend ist.

Im Lauf der Monate bekamen die Gläubigen bei den Papstmessen nach und nach liturgische Elemente zu Gesicht, die sie lange nicht gesehen hatten: alte goldgewirkte Messgewänder und Mitren, das Kreuz in der Mitte des Altares, Mundkommunion für alle, die den Leib des Herrn aus den Händen des Papstes empfangen; beim Fest der Taufe des Herrn in der Sixtinischen Kapelle zelebrierte Papst Benedikt „ad orientem“, und seit Palmsonntag trägt er einen Kreuzstab aus dem 19. Jahrhundert, während der moderne Kreuzstab Papst Paul VI. zurück in die päpstliche Sakristei wanderte. Sind diese Elemente nun definitiv für die Papstmesse?
Ich würde sagen – ja, zumindest gilt das für einige der bedeutendsten Elemente, die in diesem Jahr eingeführt wurden; einige davon haben Sie eben genannt.

Bleiben wir kurz beim Kreuzstab. Der moderne Stab aus den 60-er Jahren mit der Figur des Gekreuzigten darauf war vielen Gläubigen zum gewohnten Bild geworden. Warum benutzt Papst Benedikt nun einen älteren, vergoldeten Kreuzstab?
Der Heilige Vater suchte einen Hirtenstab, der leichter sein sollte als der von Paul VI. - also haben wir dem Heiligen Vater gezeigt, was wir in der Päpstlichen Sakristei im Moment zur Verfügung haben. Dort gibt es diverse Stäbe, freilich die meisten von Bischöfen oder Kardinälen und nur zwei oder drei von Päpsten. Aus diesen hat Benedikt dann den aktuellen Kreuzstab ausgewählt. Der Ausgangspunkt war also eine ganz praktische Frage!

Im Mittelpunkt eines jeden Gottesdienstes steht nicht der Priester, und das heißt: auch nicht der Papst, sondern der auferstandene Christus. Kritiker meinen nun, dass einige dieser neuen Elemente die Gläubigen eher ablenken, statt ihnen dabei zu helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das viele Gold und die Spitzen seien zu auffällig, so heißt es, besser wären ganz einfach gestaltete liturgische Instrumente und Gewänder, die die Zelebranten praktisch unsichtbar machen. Wie stehen Sie dazu?
Ich glaube nicht, dass diese Elemente ablenken. Natürlich ist darauf zu achten, dass der Herr im Mittelpunkt bleibt. Die Gefahr der Ablenkung besteht immer, und deshalb braucht es eine Erziehung, die immer in den Mittelpunkt zurückführt. Doch alles, was in der Liturgie, auch in ihren Details, Schönheit, Harmonie und Pracht vermittelt, lenkt nicht vom Geheimnis Gottes ab, sondern hilft geradezu, ihn zu treffen, der unendliche Schönheit ist.

Inwieweit regt Papst Benedikt selbst Änderungen in seinen Gottesdiensten an? Oder sind Sie es, der sie ihm vorschlägt?
Um die Wahrheit zu sagen: In dieser Zeit, in der ich die Gnade hatte, dem Heiligen Vater nahe zu sein, ist es nicht so, dass ich von Mal zu Mal Anweisungen von ihm erhalten hätte. Es ist eher ein Gespräch, ein Meinungsaustausch, eine Zusammenarbeit. Meinerseits versuche ich dem Papst liturgische Elemente vorzuschlagen und zu unterbreiten. Er wägt das Für und Wider ab, bekundet seine Ansicht und gibt eine Orientierung, die dann klarerweise befolgt wird.

Zum Beispiel?
Sie haben vorhin einige “Neuerungen”, unter Anführungszeichen, in der Liturgie benannt. Zum Beispiel also die Kommunion: Wer sie aus den Händen des Papstes empfängt, empfängt sie im Knien. Diesen Vorschlag hat der Heilige Vater aufgegriffen und seine diesbezüglichen Anordnungen getroffen. Nicht wenige Gläubige, zumal in westlichen Ländern, sträuben sich gegen die Mundkommunion, auch aus hygienischen Gründen.

Wird die Mundkommunion die Norm in der Eucharistiefeier werden?
Die Frage nach der Modalität der Kommunionspendung kann ich nicht beantworten. Ich kann aber sagen, dass die Entscheidung, in den Papstmessen die Mundkommunion zu verwenden, getroffen wurde, um ein allgemeines Prinzip zu bestätigen. Nämlich dass die Mundkommunion die gewöhnliche Form der Kommunionspendung ist. Die Praxis der Handkommunion ist ein Indult (eine Ausnahme von der universalen Regel der Kirche, Anm.) des Heiligen Stuhles an jene Bischofskonferenzen, die darum gebeten hatten.

Worin liegt der tiefere Sinn der Mundkommunion?
Diese Modalität hebt den Sinn der realen Präsenz des Herrn in der Eucharistie hervor. Somit hilft sie den Gläubigen, sich dem Geheimnis der eucharistischen Kommunion mit größerer Hingabe anzunähern - ohne den Werten Abbruch zu tun, die gewiss auch die Handkommunion hat. Im Übrigen bestehen die beiden Formen in den Papstgottesdiensten nebeneinander: Einige Gläubige empfangen sie in den Mund, andere in die Hand.

Im Juli 2007 hat Papst Benedikt XVI. mit seinem Motu Proprio „Summorum Pontificium“ die „außerordentliche“ Form des Römischen Messritus auf breiter Basis wieder zugelassen. Worin sehen Sie die Stärken der Alten Messe?
Sie trägt in sich die Kraft der Tradition der Kirche. Und sie bringt es zuwege, einen tiefen Sinn für das Sakrale, das Heilige zu kommunizieren, was immer ein wichtiges Element der liturgischen Feier ist.

Und die Stärken der „ordentlichen“ Messform?

Ich glaube, die Stärke der Liturgiereform durch Paul VI. liegt darin, dass die Liturgie von dem Staub und der Asche befreite, die sich im Lauf der Zeit auf ihr angesammelt hatte. Insofern ist diese Liturgiereform ein Segen gewesen, eine Gabe, die mit großer Dankbarkeit vom Herrn anzunehmen ist. Gewiss, wenn diese Reform, wie es in einigen besonderen Fällen geschehen ist, zum Missbrauch wird, zur Entstellung, zum Verrat an der großen liturgischen Tradition der Kirche, dann büßt sie ihren Reichtum ein.

Wie kann es gelingen, im Gottesdienst einen Sinn fürs Mysterium zu begünstigen?
Ich denke, das ist eine Frucht des Verstehens dessen, was die liturgische Feier ist, was das Geheimnis ist, das zelebriert wird. Wenn man sich wirklich bewusst ist, dass der Protagonist der Herr ist, das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung, das erneuerte Heil für die Welt, kann man die Dimension des Heiligen überhaupt nicht übersehen. Es handelt sich deshalb, so meine ich, darum, ins Herz der Feier zurückzukehren.

Würden Sie mehr Latein in dem Papstgottesdiensten begrüßen?
Ich muss sagen, in den Papstgottesdiensten gibt es bereits Latein in vielen Teilen. Mir scheint da ein ganz gutes Gleichgewicht erreicht zu sein. Auf diese Art unterstreicht der Papstgottesdienst die Bedeutung des Lateinischen in der Feier und gleichzeitig die Bedeutung der lokalen Sprachen dort, wo es angemessen ist.

Monsignor Marini, Sie sind Jahrgang 1965 und damit unter der jüngsten Generation der Priester in Diensten des Heiligen Stuhles. Im Jahr Ihrer Priesterweihe 1989 war die Liturgiereform bereits abgeschlossen. Heute beobachten wir in der katholischen Kirche eine neue Debatte über die Liturgie, oft in ziemlich aggressiven Tönen. Welchen Eindruck haben Sie davon?
Als ich geboren wurde, war man im II. Vatikanischen Konzil gerade mit der Abfassung der Konstitution „Sacrosanctum concilium“ beschäftigt. Das, was heute der „außerordentliche Ritus“ ist, habe ich also nicht direkt erlebt. Ich muss sagen, gelegentlich nehme ich diese lauten Töne in der Liturgiedebatte schon mit etwas Überraschung zur Kenntnis. Auch weil ich denke, dass gerade die Liturgie ein Grund zur Einheit und nicht zur Spaltung sein sollte. Ich glaube aber, in dem Maß wie man ideologische Sichtweisen ablegt und stattdessen demütig und aufmerksam zuhört, was die Kirche und das Lehramt des Papstes in diesem Punkt zu sagen haben, können wir zu Einheit und Gelassenheit zurückfinden. Natürlich schreiten wir voran – denn man muss immer voran schreiten, man kehrt niemals zurück - aber ohne die große Tradition der Kirche aus den Augen zu verlieren. Deshalb wünsche ich mir wirklich, dass es Gelassenheit geben möge, fortzufahren mit einer Entwicklung in der Kontinuität.

(rv 29.10.2008 gs)

http://storico.radiovaticana.org/ted/storico/2008-10/241023_vatikan_der_zeremonienmeister_im_interview.html

Zuletzt geändert am 11­.01.2011