7.6.2011 - Süddeutsche Zeitung

Undank ist des Pfarrers Lohn

Würzburger Bischof verabschiedet unbequemen Priester ohne die übliche Anerkennungsformel in den Ruhestand

Schweinfurt – Pfarrer Roland Breitenbach hat nicht viel Zeit gerade, es reicht nur zu ein paar grundlegenden Anmerkungen über den Mann, den er „meinen Bischof“ nennt. Breitenbach ist 75 Jahre alt, üblicherweise hat man in dieser Lebensphase etwas mehr Muße, bei dem katholischen Pfarrer aus Schweinfurt aber ist das anders. Gleich muss er wieder in die Palliativstation, später warten noch etliche soziale Projekte, die Breitenbach betreut, und also müsste es nun bitte zügig gehen. Grundsätzlich, sagt Breitenbach, sei es so: „Ich wirke auf viele Gläubige aufbauend, ich war aber auch immer kritisch. Und das verträgt mein Bischof nicht.“

Hätte es noch Zweifel daran gegeben, dann wären diese spätestens seit jenem Tag aus der Welt, als der Text von Breitenbachs Ruhestandsurkunde im Würzburger Diözesanblatt abgedruckt war. Seit dem Tag können alle Kollegen nachlesen, mit welchen Worten das Bischöfliche Ordinariat in Würzburg den rastlosen Pfarrer aus Schweinfurt in den – zumindest offiziellen – Ruhestand verabschiedet hat. Eine Formel findet sich in solchen Urkunden üblicherweise, sie gehört sozusagen zum Standardrepertoire: Mit „Dank und Anerkennung“ werden die Seelsorger von ihrem Bischof verabschiedet. In der Urkunde für Pfarrer Breitenbach freilich fehlt genau diese Formel. Das fühle sich ungefähr so an, sagt der Pfarrer, „als hätte ich mich an Kindern vergriffen oder in die Kirchenkasse gegriffen“. Breitenbach hat dem Ordinariat einen Brief geschrieben. Er nehme die ihm zugestellte Urkunde definitiv nicht an – diese sei „unter meiner Würde, die ich mir bewahren werde“.

Es ist nicht der erste Konflikt, den der Schweinfurter Sozialpfarrer und der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann miteinander ausfechten – aber es dürfte der unrühmlichste sein. Über Kreuz geraten sind die beiden erstmals über die Rolle des früheren Bischofs von Evreux, Jacques Gaillot, der sich für Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung einsetzt. Gaillot war 1995 vom damaligen Papst Johannes Paul II. als Bischof abgesetzt worden, Breitenbach hieß Gaillot in seiner Gemeinde weiter willkommen – und fiel in Ungnade.

Den Mund verbieten ließ sich Breitenbach trotzdem nicht: Er stellte den Zölibat in Frage, kritisierte die Hierarchie der katholischen Kirche, plädierte für einen lebendigen Glauben in einer lebendigen Kirche. Er erarbeitete sich eine regelrechte Fangemeinde: In seiner Gemeinde St. Michael ließen sich mehr als 2000 Paare trauen, mehr als sonst irgendwo in Schweinfurt. Der Pfarrer bietet einen Ehe-TÜV an, zu seinen Motorradgottesdiensten pilgern Hunderte. „Papst von Schweinfurt“ nennen sie ihn – natürlich scherzhaft.

All das wurde am Bischofssitz in Würzburg nicht mit reiner Freude beobachtet. Eskaliert aber ist die Situation vor einem Jahr. Breitenbach beschwerte sich darüber, vom Bischof aus seiner Dienstwohnung vertrieben zu werden, obwohl er von dort aus auch weiter soziale Projekte betreuen wolle. Das Ordinariat wies dies scharf zurück. Und auch jetzt fällt die Reaktion über die Beschwerde Breitenbachs betont kühl aus. Der Würzburger Bischof habe sich über den Pfarrer „geärgert“, erklärt ein Bistumssprecher, einiger „polemischer Äußerungen“ wegen. Deshalb sei die Formel „Dank und Anerkennung“ aus der Urkunde gestrichen worden: „Und das bleibt auch so. Punkt.“

Breitenbach will trotzdem seelsorgerisch weiterarbeiten, ehrenamtlich. Mehr als 7000 Euro braucht er pro Monat, um seine sozialen Projekte aufrechterhalten zu können, etwa jenes für benachteiligte Jugendliche oder das Schweinfurter Kirchenrestaurant. Er schreibt Bücher, der Erlös kommt den Projekten zugute. 50 Stunden pro Woche, erzählen sie in seiner Gemeinde, sei das Mindeste, was der 75-Jährige noch arbeite. Notfalls ohne Dank und Anerkennung.

Olaf Przybilla

Zuletzt geändert am 09­.06.2011