6.2.2013 - Süddeutsche Zeitung

Die Angst der Bischöfe

Von Andreas Ross

Es hat inzwischen schon fast tragische Züge: Wo immer derzeit im Lande ein prall gefüllter Fettnapf herumsteht - die katholische Amtskirche tritt mit Wucht hinein. Sei es die Auseinandersetzung um die wissenschaftliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, sei es die Debatte um die 'Pille danach' für vergewaltigte Frauen, sei es das locker dahingesagte Wort von Erzbischof Gerhard Ludwig Müller über eine Pogromstimmung gegen Katholiken oder sei es das Nürnberger Predigtverbot für Helmut Schüller, den Vorsitzenden der österreichischen Priesterinitiative, und die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel. Muss man sich da noch wundern, wenn sich immer mehr Menschen von der Kirche abwenden? Die jüngste Milieu-Studie zur Befindlichkeit der Kirche, die das Sinus-Institut in kirchlichem Auftrag erstellt hat, sollte inzwischen auch dem letzten Bischof klar gemacht haben, wie ernst die Lage ist: Selbst bei den treuesten Katholiken hat die Amtskirche an Vertrauen und Glaubwürdigkeit massiv eingebüßt.

Noch in seiner Neujahrsbotschaft hatte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick selbstkritische Töne angeschlagen und die Erneuerung der Kirche durch Buße und Umkehr gefordert. Welche Umkehr meint der Bischof? Ganz offensichtlich nicht die Erneuerung, die aus der Kirche selbst kommt. Von Priestern und engagierten Laien, die nicht mehr länger zuschauen wollen, wie ihre Kirchenoberen selbstherrlich, ignorant und weit entfernt von der Lebenswirklichkeit ihrer Gläubigen das Kirchenschiff auf Grund laufen lassen. Wie groß muss denn die Angst der Bischöfe vor der Zukunft sein, wenn Themen wie 'Wir sind Gottes Volk! Haben Kirchen-Bürger Rechte?' oder 'Unser Pfarrer ist eine Frau? Mehr als nur ein Traum?' nicht Thema einer Fastenpredigt oder wenigstens einer kirchlichen Veranstaltung im Anschluss an den Gottesdienst sein können?

Mit Verboten werden die Kirchenoberen die heilsame Unruhe, die sich im katholischen Kirchenvolk auszubreiten beginnt, nicht mehr eindämmen können. Der österreichische Priesterrebell Helmut Schüller ist noch immer ein Mann der Kirche. Ihn nicht predigen zu lassen, ist ein Armutszeugnis für die Bischöfe.

http://www.sueddeutsche.de/m5u38k/1125230/Die-Angst-der-Bischoefe.html

Zuletzt geändert am 06­.02.2013