2.1.2014 - Süddeutsche Zeitung

Hirte auf Zeit

Katholische Bischöfe verweigern vielen Priestern eigene Pfarrei

Wer heute katholischer Pfarrer werden will, braucht mehr als einen festen Glauben: Er sollte auch flexibel sein. Denn anders als früher können viele Priester von einem Tag auf den anderen versetzt werden, ohne dass der Bischof einen Grund angeben müsste. Wie Leiharbeiter. Viele deutsche Bischöfe beschreiten einen Schleichweg durchs kirchliche Dienstrecht. Sie ernennen junge Priester und kritische Geistliche nicht mehr zu Pfarrern, sondern zu „Pfarradministratoren“.

Blättert man durch Amtsblätter der Diözesen und hört man sich unter Priestern um, zeichnet sich dieser Trend deutlich ab. Beispielsweise wurden im Bistum Regensburg im Jahr 2013 etwa zwei Dutzend Geistliche „oberhirtlich angewiesen“, Pfarreien als Pfarradministratoren zu übernehmen. Die Stellen würden „in einem Übergangsmodus“ offen gehalten, sagt ein Sprecher des Bistums. Bei Priestern aus Indien und Afrika basiert diese Einstufung auf alten Bestimmungen, wonach Pfarrer nur werden kann, wer im jeweiligen Land ausgebildet worden ist. Angewendet wird diese Praxis aber auch bei deutschen Priestern; ihnen trauen die Bischöfe das Pfarreramt offenbar nicht mehr zu.

Pfarrer und Pfarradministrator – wo ist der Unterschied? Ein Pfarradministrator ist, bei exakt gleichem Einkommen und exakt gleichen Aufgaben wie ein Pfarrer, rechtlich gesehen lediglich ein kommissarischer Verwalter der Pfarrstelle. Ein Pfarrer auf Abruf. Ihn kann der Bischof beliebig versetzen. Vom südlichsten Zipfel seines Bistums an den nördlichsten. Bei einem Pfarrer geht das nicht. Denn seine Stellung ist vom Kirchenrecht, dem Codex Iuris Canonici (CIC), klar definiert. „Der Pfarrer muss Beständigkeit im Amt besitzen und ist deshalb auf unbegrenzte Zeit zu ernennen“, heißt es dort im Kanon 522. Obendrein legt der CIC, der weltweit gilt, unmissverständlich fest: Ein Bischof hat die Seelsorge einer Pfarrei „einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten“ anzuvertrauen. Einem Pfarrer, nicht einem Ersatzpfarrer.

Wer betroffene Priester darauf anspricht, hört massive Kritik an der bischöflichen Personalpolitik. Ein Jungpriester aus Bayern sagt, er habe sich lang genug bewähren müssen, erst im Priesterseminar, dann als Kaplan, als dass er sich nun als Priester zweiter Klasse einstufen lassen müsse. Ein älterer Kollege, der seit Jahren in einer Pfarrei tätig ist, fühlt sich gegängelt als Pfarradministrator. Im Bistum Augsburg sei die Ernennungspraxis mit dem Priesterrat abgesprochen worden, erzählt ein älterer Priester. Man wollte Jungpriester auf Probe in eine Pfarrei schicken. „Gerade junge Konservative führen sich gleich auf wie Graf Rotz. Dem wollte man vorbauen.“ Allerdings werde die Pfarradministratoren-Lösung nun dauerhaft als Druckmittel verwendet.

Wenn Bischöfe gnädig sind, setzen sie die Administratoren mit dem „persönlichen Titel ,Pfarrer‘“ ein. Diese Männer dürfen sich Pfarrer nennen, auch wenn sie laut Kirchenrecht gar keine sind. Ein Priester aus dem Erzbistum München erzählt, er sei gemaßregelt worden, als er den Pfarrbrief als „Pfarrer“ unterzeichnet habe. Das gilt als Amtsanmaßung. Seine Gemeinde frage sich indessen: Warum haben wir nur einen Pfarrer zweiter Klasse? Rudolf Neumaier

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Zuletzt geändert am 02­.01.2014