30.5.2014 - Süddeutsche Zeitung

Der Schüler folgt dem Lehrer

Bischof Voderholzer wird Mitglied der Glaubenskongregation, der sein Mentor vorsteht
Regensburg – Wer Politiker war und eine der größten Gruppen des Landes vertritt, ist naturgemäß mit einem gerüttelt Maß an Diplomatie versehen. Also sprach Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK): Sein Dank gelte Gerhard Ludwig Müller, der den Katholikentag überhaupt erst nach Regensburg eingeladen habe. Wer aber weiß, dass es angeblich dem Einfluss des früheren CSU-Fraktionschefs Glück geschuldet war, dass die Beförderung des Regensburger Bischofs Müller ins Erzbistum München einst am Veto der Staatsregierung scheiterte, dürfte geschmunzelt haben.

Inzwischen ist Müller in der Kirchenhierarchie bekanntlich viel höher empor gestiegen, als Glaubenspräfekt hat er Bayern weit hinter sich gelassen. Im ZdK soll Erleichterung geherrscht haben, die Planungen ohne ihn bestreiten zu dürfen. Und doch ist Müller in Regensburg präsent. Vor knapp vier Wochen feierte er hier seine Erhebung zum Kardinal nach, auch mitten in die erste Pressekonferenz des Katholikentags platzt eine Meldung aus seinem Haus: Sein Nachfolger in Regensburg, Rudolf Voderholzer, werde als Mitglied in die Glaubenskongregation berufen. Es ist der nächste Schritt eines langen Weges, auf dem ein Schüler seinem Lehrer folgt.

Fast zehn Jahre arbeitete Voderholzer seinem Mentor Müller als wissenschaftlicher Assistent an der LMU zu. Als der Dogmatikprofessor 2002 Bischof in Regensburg wurde, holte er Voderholzer, um das Papstinstitut Benedikt aufzubauen. Als er nach Rom gerufen wurde, setzte er sich für Voderholzer als Nachfolger auf dem Bischofsstuhl ein. Nun also die Glaubenskongregation. Als im Dom unlängst mitgeteilt wurde, dass Müller seinen zweiten Vornamen nicht mehr führen wolle, war es Voderholzer, der die Botschaft verkündete. Müller ruhte daneben in sich und schwieg. Auch wegen solcher Szenen rätselt mancher: Wie viel Müller steckt in Voderholzer? Wie eigenständig ist der Bischof?

Für Fritz Wallner und Johannes Grabmeier sind das entscheidende Fragen. Sie sind die bekanntesten von etwa 15 000 Katholiken im Bistum, wie sie sagen, die sich nach der von Müller verordneten Rätereform „verabschiedeten“. An ihren Gesichtern lassen sich die alten Kämpfe mit Müller am besten ablesen. Auch heute noch setzen sie sich unvermindert für eine größere Mitsprache von Laien ein, die durch Wahlen von Mitchristen legitimiert seien – anstatt von oben bestimmt.

Johannes Grabmeier referiert bei einer Pressekonferenz gerade über den „Katholikentag plus“, der vom Bistum als „Gegenveranstaltung“ gegeißelt wird. Er ist richtig in Fahrt, freut sich, dass der Bischof gescheitert sei mit dem Plan, innerkirchliche Themen zu unterdrücken. Als er von Voderholzers Berufung in die Kongregation erfährt, prustet er los. Es gebe den Spruch vom Flaschenzug statt der Seilschaft, ätzt Grabmeier. Außerdem habe Müller offenbar noch keine Freunde in Rom, wenn er welche aus Deutschland holen müsse.

Der von Müller abgesetzte Diözesanratsvorsitzende Fritz Wallner ist der bedächtigere der beiden, schon das Wort Kritiker gefällt ihm nicht. Er hege weiterhin die Hoffnung, dass der Bischof in Anlehnung an Papst Franziskus mit allen Menschen im Bistum im Gespräch bleiben wolle. „Wir wissen bestimmt nicht alles besser“, sagt Wallner, „aber wir müssen miteinander reden, nicht übereinander“.

Prallten Wallner und Grabmeier an Müllers Härte ab, so erfahren sie von Voderholzer freundliche Nichtbeachtung. Sie erhalten Briefe von seinem Generalvikar, aber keine persönliche Audienz. Dieser Stil ist es wohl, der den Schüler von seinem Lehrer am auffälligsten unterscheidet. Umgänglicher als Müller sei Voderholzer, schwärmen viele, zugewandter. Das sei doch auch etwas.


WOLFGANG WITTL

Die größten Widersacher Müllers setzen sich für mehr Mitsprache der Laien im Bistum ein

Zuletzt geändert am 02­.06.2014