Prof. Dr. Hermann Häring

Reaktion auf die römische Zurechtweisung

1. Der Text vom 21.07.2022, in dem der „Apostolische Stuhl“ meint, den Synodalen Weg massiv zurechtweisen zu müssen, trägt keine Unterschrift. Deshalb verdient der Inhalt dieses anonymen Schriftstücks solange keine Beachtung, als seine Autorschaft nicht geklärt ist. Nach allen Regeln einer geschwisterlichen Kommunikation haben sich Autor bzw. Autoren des Textes durch ihr Verhalten vorerst diskreditiert.

2. Der Bischof von Rom als oberster Repräsentant des Apostolischen Stuhls muss zu diesem erstaunlichen Vorgang äußern. Angesichts seiner reformwilligen Kirchenführung ist es schwer vorstellbar, dass er ihn gutheißt. Auch erwarten wir, dass er sich zukünftig in öffentlichen Interviews suggestiver Bemerkungen enthält, die die Ziele des Synodalen Wegs diskriminieren. Dieser Stil verträgt sich nicht mit der Verantwortung seines Amtes.

3. Der jetzt angestoßene Meinungsaustausch zwischen dem Synodalen Weg und den (vorerst anonymen) Instanzen sollte sich nicht auf autoritäre Maßregelungen und beschwichtigende Verteidigungen beschränken. Der Synodale Weg sollte seine theologischen Argumentationen in starkem Maße vertiefen, die Kritiker aus kurialen bzw. vatikanischen oder bischöflichen Kreisen sich offen diesen theologischen Argumenten stellen, statt sich auf autoritäre Positionen zurückzuziehen.

4. Mit Gewissheit berührt diese theologische Auseinandersetzung auch Positionen, die gemeinhin als irreformabel gelten und derentwegen unter den vorhergehenden Pontifikaten noch gravierende Sanktionen ausgesprochen wurden. Geholfen haben diese drastischen Maßnahmen nur wenig. Wer eine solche Auseinandersetzung nicht wagt, kann auch in Sachen Missbrauch und Vertuschung auf keine grundlegende Erneuerung hoffen, denn beide Wirklichkeiten gehören zusammen.

5. Wie bekannt, verlassen immer mehr Gläubige die Institution der römisch-katholischen Kirche, um außerhalb ihrer ein glaubwürdiges christliches Leben führen zu können. Solange die anonymen Personen und Instanzen dies nicht erkennen und die Reformversuche in unserem Land nicht als letzten Rettungsversuch in einer dramatischen Situation begreifen, sollten sie sich nicht wundern, wenn ihnen in wachsendem Maße alle Glaubwürdigkeit abgesprochen wird und sie nicht mehr als Bürgen der apostolischen bzw. christlichen Botschaft anerkannt werden. Das ist keine Drohung, sondern die faktische Entwicklung.

22.07.2022

Prof. Dr. Hermann Häring, Tübingen

Zuletzt geändert am 23­.07.2022