Bußgottesdienst im Kölner Dom

Stefan Herbst: Kölner Bußgottesdienst ist Idolatrie

Am heutigen Donnerstag, 18. November 2021 fand um 11 Uhr ein Bußgottesdienst im Kölner Dom „ als Zeichen der Anerkennung von Schuld und Versagen der Kirche von Köln in Bezug auf sexualisierte Gewalt“ statt.

Die Spitze der katholischen Kirche von Köln richtet damit erneut ein kommunikatives Desaster an.

Denn was vor zwei, drei Jahren vielleicht noch ein befreiender Akt  gewesen wäre, steht nun unter dem Urteil  eines „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“  So jedenfalls, wenn viele Betroffene der sexualisierten Gewalt von „Hohn“ und Wiedertraumatisierung sprechen.

Die Betroffenen fühlen sich zu recht verhöhnt. Denn die Kluft zwischen Worten und Taten in der Bistumsleitung von Köln wird jeden Tag größer. Ein Bußgottesdienst kann dann Sinn machen, wenn den „frommen Worten“ ebenso ernsthafte Taten vorausgegangen sind oder gefolgt wären. Das ist aber nicht der Fall. Die Täter von Vertuschung, Heuchelei und falschem Kirchenverständnis sitzen weiter fest auf Ihren Stühlen. Kein einziger, derer, die maßgeblich Schuld auf sich geladen haben ist anwesend. Kein Einziger ist es, der wirklich Verantwortung im Sinne eines persönlichen Rücktritts auf sich genommen hätte oder von dem eine ernsthafte Richtungsänderung wahrnehmbar gewesen wäre.

Der Bußgottesdienst ist damit Teil in einer ganzen Reihe kommunikativen Versagens. Zu nahe ist die Erinnerung an die Weihnachtspredigt 2020 des Kölner Kardinals Woelki, der vor knapp einem Jahr um „Vergebung“ bat – aber nicht für das eigene Versagen, sondern für die schlechte Berichterstattung über ihn (> Bericht  > Wortlaut). Nicht das eigene Versagen war also damals das Problem, sondern nur die schlechte Berichterstattung darüber. Woelki nutzte einen Weihnachtsgottesdienst zur Medienschelte. Kardinal Woelki ist weiter im Amt, lässt den derzeitigen Administrator nun einen Bußgottesdienst feiern, während er in Eichstätt zu Exerzitien weilt.

Erst spät, zu spät – denn es war allen offensichtlich – kann Woelki von „persönlichen“ Fehlern sprechen. Hinzu kommt: Ein öffentliches Fehlereingeständnis, in dem er auch die Retraumatisierung der Betroffenen nennt, kommt erst, nachdem er vom Papst einen Freispruch – sein Verbleiben im Amt – bestätigt bekommen hat. So wird der Fehler verharmlost, kleingeredet und findet sich im Wunderlicht der Absolution von „höchster Stelle“ (wir reden hier vom Papst – nicht von Gott)  wieder.

Ein anderer Weihbischof ist schon wieder im Amt. Weihbischof Schwaderlapp, der als Konsequenz als einfacher Priester nach Kenia gehen wollte, lässt „Prunk-Fotos“ in vollem bischöflichen Ornat dort machen. Es deutet wenig auf persönliche Umkehr und Demut, auf echtes Schuldgefühl hin – vieles auf ein „Weiter so, wenn etwas Gras darüber gewachsen ist.“

Es ist fatal, wenn sich Bischöfe offensichtlich wie Puppen, wie Hörige einer anderen Instanz, hier dem Urteilsspruch aus Rom, benehmen. Ist persönliche Schuld weg deligierbar, sind persönliche Konsequenzen nur dann möglich, wenn ein Dritter zustimmt? Oder ist das der katholische Kadavergehorsam einer Bischofskaste? Welchen Wert aber haben „Schuldeingeständnisse“, die nicht von Taten, von  Verhaltensänderung, von Wiedergutmachung, von harten Konsequenzen unterlegt sind? Es ist jetzt nicht die Zeit weiterer frommen Worte, es ist auch nicht die Zeit bürokratischer Taten (Berichte, Gutachten, Fortbildungen, Mißbrauchsbeauftragte, etc. so wichtig diese auch sein mögen). Es ist die Zeit, dass die Verantwortlichen sich zu ihrer Verantwortlichkeit bekennen und endlich sichtbare Konsequenzen ziehen. Sonst macht sich Kirche zum Gespött. Sie fügt einem ihr heiligem Schatz, dem von Buße und Vergebung, von Wiedergutmachung und Versöhnung, schweren Schaden zu.

Der Papst in Rom war schlecht beraten, als er seinen Mitarbeitern empfahl, einfach weiterzumachen und sie im Amt bestätigte. Dies muss auf Opfer und Gläubige wie eine Autoamnestie wirken. Wenn das „wesenhaft“ andere der Weihe darin besteht, dass man sich nicht einmal an das Mindestmaß von Gerechtigkeitsempfinden und Anstand halten muss, dann setzt man Weihe, Buße, Schuldeingeständnisse aufs Spiel. Wenn die überzeugenden Taten fehlen, gerät ein Bußgottesdienst in die Gefahr der „Idolatrie“. Dieser Bußgottesdienst spaltet statt zu versöhnen. Er missbraucht einen Betroffenenbeirat, aus dem die kritischen Mitglieder längst schon ausgetreten sind. Er missbraucht die Laien, wenn er ihnen vorspiegelt, dass er deren Vorschlag nach zwei Jahren Aussitzen, Ablehnung und Verschlimmern nun aufgreift.

Die Propheten Israels haben immer wieder auf Glaubenskrise und Glaubensverlust hingewiesen: Mit ihnen wäre zu sagen: Eure Bußgottesdienste mag ich nicht. Das ist eine wahre Buße vor dem Herrn, dass ihr zurücktretet, dass ihr die Opfer aufsucht, dass ihr Hab und Gut verkauft um wieder gut zu machen, dass ihr endlich in Demut hört und aufhört von der Kanzel zu sprechen.

Stefan Herbst

Bonn, 18.11.2021
Ansprechpartner Wir sind Kirche im Erzbistum Köln

 

Zuletzt geändert am 18­.11.2021