Aufgelesen
Frohbotschaft oder Drohbotschaft?

Im Jahr 1996 haben Theologen in Linz Beratungen aufgenommen über die Frage "Wie konnte es kommen, dass so viele Menschen die kirchliche Botschaft als Drohbotschaft empfinden?" Ich habe mich gefragt: "Da müssen sie erst Beratungen aufnehmen?" Die kirchliche Botschaft ist doch wohl nicht ganz schuldlos, dass die Menschen so denken. Wer hat es ihnen denn so verkündet? Und tut man es heute nicht mehr?

Ich weiß von einem jungen Mann, den seine Frau nach kurzer, kirchlich geschlossener Ehe verlassen hat. Als er in seiner Verzweiflung die Telefonseelsorge anrief, erhielt er nur die kurze Drohung: "Sie müssen wissen, dass Sie, wenn Sie wieder heiraten, von den Sakramenten ausgeschlossen sind." Da ist er aus der Kirche ausgetreten. Hätte Jesus ihn auch so "getröstet"?

Bei der Telefonseelsorge wird das ein Ausnahmefall gewesen sein. Aber wird von der Kirchenleitung den Menschen, deren Ehe gescheitert ist, etwas anderes gesagt? Wie viele Ehen gläubiger Katholiken waren schwer belastet und sind zerstört worden durch kirchliche Vorschriften, die alle Methoden "unnatürlicher" Empfängnisverhütung als schwer sündhaft hinstellten und mit göttlichen Strafen drohten? "Ihr ladet den Menschen schwere und unerträgliche Lasten auf, die sie kaum tragen können", hat Jesus den religiösen Führern zu seiner Zeit gesagt. Trifft das heute etwa nicht zu?

Für die jungen Menschen von heute und die Ehepaare hierzulande ist das kein Problem mehr. Sie kümmern sich nicht um solche weltfremde Richtlinien. Auch die überwältigende Mehrheit gläubiger Katholiken nicht. Viele Menschen haben den Eindruck, "die Kirche" ist so weltfremd. Daher interessiert sie die Kirche nicht mehr, sie wollen höchstens ein paar schöne Zeremonien von ihr, wie Taufe und Erstkommunion der Kinder und allenfalls eine kirchliche Hochzeit. Das macht alle traurig, die die Kirche lieb haben, weil sie sie ganz anders erleben und wissen, was sie ihr verdanken: nämlich die Überlieferung der wirklichen "Frohbotschaft", die Jesus uns gebracht hat.

Er hat religiöse Vorschriften immer dem Wohl der Menschen untergeordnet und dadurch den wirklichen Sinn der Gebote aufgezeigt, nämlich dass sie eine Hilfe Gottes für ein gelingendes Leben sind.

Was für ein Bild von Gott steht hinter einer kirchlichen Botschaft, die von den Menschen als Drohbotschaft empfunden wird? Es ist das Bild eines strafenden Gottes, der durch seine Gebote den Menschen das Leben noch schwerer macht, als es ohnehin schon ist. Da hat mir einmal eine Frau geschrieben, die eine Radiopredigt von mir gehört hat: "Sie sprechen immer wieder von der Liebe Gottes - aber wenn Gott uns liebt, warum müssen wir dann immer wieder Angst vor ihm haben? Wir haben in diesem Leben schon so viel Angst gehabt, der Krieg, die Bomben, die Angst um unsere Väter, Brüder, Gatten und Söhne an der Front, die Schrecken der russischen Besatzung; und wir haben immer Angst und Sorgen um die Kinder, die Angst vor Krankheiten, vor Sterben und Tod. Und dazu predigt uns die Kirche immer wieder von Gott, dem "strengen Richter aller Sünder".

Und auch, wenn wir dem Tod entgegengehen, können wir uns nicht darauf freuen, dann von der Angst und Bedrängnis des Lebens befreit zu sein, da müssen wir uns ja erst recht fürchten vor Gericht und Strafe. Wo bleibt da die Liebe Gottes?" Ja, wo bleibt da die Frohe Botschaft? Diese Verkündigung hat zur Folge, dass viele Menschen den wahren Gott gar nicht kennen lernen. So leben sie in Angst vor diesem strafenden Gott, der ihr Leben furchtbar belastet, oder sie befreien sich von ihm. So haben viele nicht nur die Last der kirchlichen Vorschriften abgeschüttelt, sie haben sich auch von dem Gott befreit, in dessen Namen ihnen diese Vorschriften verkündet wurden und der ihr Leben vergiftet hat. Wie ist es denn dazu gekommen? Die Verkündigung Jesu begann doch bekanntlich mit dem Ruf "Kehrt um und glaubt der frohen Botschaft!"

Offenbar haben die Menschen vorher die frohe Botschaft nicht gehört oder nicht an sie glauben können. Sonst wäre ja keine Umkehr nötig gewesen. Dabei ist es nicht so, dass es diese "Frohe Botschaft" nicht schon im Alten Bund, im Gottesvolk Israel gegeben hätte. Aber dazwischen stehen immer wieder Texte, die diese Botschaft verdunkeln, Gott als bedrohlich darstellen und Angst machen.

Was ist denn die "Frohe Botschaft", an die wir glauben sollen, die wir Christen verkünden sollen?

Es ist die Botschaft, dass Gott "für uns Menschen und um unseres Heiles willen von den Himmeln herabgestiegen und Mensch geworden ist", dass er uns in Christus mit sich versöhnt und als Kinder angenommen hat. Nicht erst, wenn und weil wir uns bekehrt, von der Sünde abgewendet und Früchte der Umkehr gebracht haben. Sondern bevor wir das tun konnten, hat Gott sich uns zugewandt und mit uns Gemeinschaft aufgenommen.

"Er nimmt sich der Sünder an und isst sogar mit ihnen!" "Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder." Warum sollten wir dann Angst vor der Strafe Gottes haben, wenn wir gesündigt haben? "O felix culpa - O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!", jubeln wir in der Osternacht. Gott straft nicht. Die Menschen strafen. Die Menschen können nicht verzeihen, rufen nach Rache und Vergeltung. So sagt schon David: "Ich habe große Angst. Wir wollen lieber dem Herrn in die Hände fallen, denn seine Barmherzigkeit ist groß, den Menschen aber möchte ich nicht in die Hände fallen." (2 Sam 24,14)

Ja, Gott ist barmherzig. Er liebt nicht nur die, die ihn lieben. Er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten , und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45). Er ist auch gütig gegen die Undankbaren und Bösen (Lk 6,35). Aber die Menschen haben sich schon immer einen Gott nach ihrem Bild geschaffen, und dieser Gott ist eben oft auch eine Projektion der menschlichen Bosheit, Rachsucht und Gewalt.

Aber lesen wir in der Bibel nicht immer wieder von Lohn und Strafe? Haben wir nicht in der Schule gelernt: "Gott ist ein gerechter Richter, der das Gute belohnt und das Böse bestraft"? Ja, das ist eben das Problem. So wurde aus der Frohbotschaft die Drohbotschaft. Was hier Gott angelastet wird - Lohn und Strafe - ist das, was unser eigenes Tun bewirkt. Das Gute, das wir tun, trägt seinen "Lohn" in sich, und das unterlassene Gute und das Böse, das wir tun, trägt die "Strafe" in sich. Das erleben wir doch ständig. Im persönlichen Leben, in unseren Beziehungen und im Leben der Völker.

Aber es stimmt auch, dass die Formulierung vieler biblischer Schriftstellen ganz deutlich Gott dafür verantwortlich macht.

Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen. Letztere kommen zu spät zum Hochzeitssaal, und die Tür ist verschlossen. Sie rufen: Herr, Herr, mach uns auf!. Er antwortet: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Das Gleichnis von den Talenten. Der Diener hatte aus Angst das Talent vergraben. Das Urteil des Herrn: Den nichtsnutzigen Diener werft hinaus in die Finsternis; dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.

Das Gleichnis vom Jüngsten Gericht. Die Lieblosen hören den Urteilsspruch "Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist." - Frohbotschaft?

Das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl. Ein Gast ist ohne Festgewand gekommen. Der König sagt: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die Finsternis. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.

Was hat der Schreiber des Mt-Evangeliums nur aus dem Gleichnis vom großen Gastmahl gemacht, von dem Lukas berichtet? Dort kann die Ablehnung und Gleichgültigkeit der Eingeladenen den Gastgeber nicht davon abbringen, seinen Festsaal - den Himmel - mit Menschen zu füllen, mit Guten und Bösen. Das ist Frohbotschaft!

Das ganz andere Bild von Gott

Heulen und Zähneknirschen tut auch ein anderer. Ich meine den älteren Bruder im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Nämlich als der Vater den heimgekehrten jüngeren Bruder voll Freude aufgenommen hat und ein großes Freudenfest feiern lässt, da knirscht er mit den Zähnen und bleibt draußen in der Finsternis, voll Bitterkeit, Hass und Zorn.

Warum ist er wütend? Weil der Vater gut und barmherzig ist. Weil er den Bösen nicht bestraft, sondern geradezu belohnt. So ist der Mensch. So sind wir. Der Vater - Gott - ist ganz anders. Er liebt den Sünder, der nur aus Egoismus heimgekehrt ist, und weil er ihn liebt und wieder hat, ist er glücklich. Und den älteren Sohn, der jetzt böse und neidisch ist - straft der Vater den? Im Gegenteil. Er will ihn vielmehr herausholen aus seiner Hölle, sagt: Komm doch herein, in den Himmel, nimm teil an unserer Freude und Seligkeit, wir wollen sie mit dir teilen. Wir müssen uns doch freuen.

Nicht der Vater, nicht Gott straft. Weder den einen noch den anderen. Er will alle bei seinem Festmahl haben. Er will, dass alle glücklich sind. Strafen tut der Mensch sich selber, weil er nicht verzeihen, nicht lieben kann. Gott will ihn zum Liebenden machen. Dann wäre er im Himmel. Es kommt keiner in die Hölle, der nicht in der Hölle sein will.

Wie daraus die Drohbotschaft wurde

Aber wie ist es dazu gekommen, dass aus der Frohbotschaft eine Drohbotschaft geworden ist? Die Exegeten sagen uns, dass manche dieser Gleichnisse erst allmählich zu Gerichtsgleichnissen geworden sind. Und dass sich darin die Erfahrung der Urkirche spiegelt. Jedoch, wenn Gott nicht straft, werden dann nicht viele denken, also können wir tun und machen was wir wollen?

Wahrscheinlich, ja. Das ist ja wohl auch die Ursache für die Androhung von Strafe. Nicht nur in der Bibel sondern auch im kirchlichen Gesetzbuch und vor allem in der Moraltheologie. Freilich kann die Angst vor Strafe viel Böses verhindern Darum gibt es ja Gesetze und Sanktionen. Aber ist ein Mensch, der aus Angst vor Strafe und den Folgen die böse Tat unterlässt, dadurch schon ein guter Mensch? Ist einer, der nie etwas Böses tut, denn schon ein Liebender?

So geht das Paradies verloren

Natürlich muss man den Menschen klar machen, dass sie nicht tun können, was sie wollen. Das müssen die Eltern ihren Kindern ja schon von Anfang an sagen. Denn, machen wir, was wir wollen, dann werden wir oft Falsches und Böses tun, und das zerstört unser Leben und unsere Beziehungen zu den andern und macht uns unglücklich.

Wir sollen tun, was Gott will, denn Gott will, dass es uns gut geht und dass unser Leben gelingt. Das Leid und das Böse in der Welt sind keine Strafe Gottes. Wer Gott kennt, kann nicht bei Schicksalsschlägen sagen "Gott hat es so gewollt", oder gar, wie einer gedichtet hat: "Es ist bestimmt in Gottes Rat, dass man vom Liebsten, was man hat, muss scheiden." Also Gott zu einem grausamen Sadisten zu stempeln. Oder zu behaupten: "Gott lässt jene leiden, die er liebt".

"Wort des lebendigen Gottes"?

Aber da in viele Stellen der Heiligen Schrift und damit auch in die kirchliche Verkündigung dieser Monstergott eingedrungen ist, darf man nicht biblische Texte unterschiedslos das "Wort des lebendigen Gottes" nennen, wie das manche Lektoren nach dem Vorlesen einer Bibelstelle tun, und wofür manche Prediger diese Texte offenbar halten. Sie vergessen, dass die Verfasser der biblischen Texte eben Menschen waren, die sich nur im Denken und Wissen ihrer Zeit ausdrücken konnten. Christen sollten wissen, dass alles, was in der Bibel Gott in den Mund gelegt wird, unmöglich der Gott gesagt haben kann, der im Leben und Sterben Jesu offenbar wurde, den Jesus seinen "abba" genannt hat.

Wirklich gut, zum Liebenden, wird ein Mensch nicht durch die Androhung von Strafe, sondern nur dann, wenn er die Liebe erkennt, mit der Gott uns liebt. Das macht ihn dankbar und gut. Und an diese Liebe kann er glauben, wenn er weiß, dass Gott ihm alles verzeiht und nicht will, dass er leidet und stirbt. Gott sagt: Du sollst leben, weil ich dich liebe.

Du sollst leben, weil ich dich liebe!

Früher hat der Priester bei der Aschenauflegung gesagt: "Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und zu Staub werden wirst." Warum erinnert er daran? Das weiß man sowieso. Eine Erinnerung als Drohung.

Heute sagt der Priester bei der Aschenauflegung meistens: "Bekehre dich und glaube der frohen Botschaft!" Glaube, dass Gott dich liebt und nicht will, dass du stirbst. "Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen...Das Reich des Todes hat keine Macht auf der Erde...Denn der Herr der Heerscharen vernichtet den Tod für immer. Er wischt ab die Tränen von jedem Angesicht." Das ist Frohe Botschaft schon im Alten Testament. In der Auferweckung Jesu ist die Verheißung Wirklichkeit geworden. Auch für uns?

Der Priester zeichnet mit der Asche ein Kreuz auf die Stirn. Am Kreuz ist Jesus gestorben. Das Kreuz erinnert uns daran, was Gott alles auf sich genommen hat, um uns trotz aller Widerspenstigkeit zu sich zu holen. Der Priester macht mit der Asche das Kreuz und sagt "Glaube der frohen Botschaft!" Glaub doch endlich, dass Gott in Jesus Christus sein Leben gegeben hat, damit er dich dem Tod entreißt. Soviel bist du ihm wert.

Helmut Blasche, Pfarrer, Schwechat