Wir sind Kirche - Eichstätt
Aufgelesen
Was wünsche ich mir vom neuen Papst?

Vorschläge aus den "Budweiser Thesen"

Nach über 42 Jahren im priesterlichen Dienst sagte ich am Sonntag der geistlichen Berufe in der Predigt zum ersten Mal, daß ich bei den derzeitigen kirchlichen Strukturen es keinem gesunden jungen Mann mehr empfehlen kann, Priester zu werden. Ich habe nämlich meine bedrückenden Erfahrungen, die ich bei der Leitung von inzwischen vielen Priesterexerzitien habe machen müssen. Hier kommen eine derartige innere Not, Unverstandensein und Verzweiflung, vielfältige Ängste, Einsamkeit und Zerrissenheit bis hin zu noch Schlimmerem zutage, was ich mir so kraß nie vorgestellt hatte. Wissen denn dies unsere Bischöfe nicht? Einen Großteil der Schuld dafür tragen die unmenschlichen Kirchenstrukturen, an denen unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger krank werden.

Wollen wir hoffen, daß der neue Papst den innerkirchlichen Reformstau, der nach meiner persönlichen Erfahrung größer als 1958 ist, angeht und Lösungen auf den Weg bringt, die sich nicht dem Zeitgeist und der Beliebigkeit anbiedern. In den „Budweiser Thesen" zur Situation der Seelsorge heißt es:

„Es ist inzwischen eine pastoraltheologische Binsenwahrheit, daß die Kirche in wenigen Jahren eher geprägt sein wird von geistlichen Kristallisationspunkten, von ‚spirituellen Biotopen' (Bischof Joachim Wanke) und weit weniger von einem ausgeklügelten flächendeckenden Pfarreien-System, dessen lückenlose pastorale und sakramentale ‚Versorgung' schon sehr bald nicht mehr zu leisten sein wird. Gewiß gibt es im Moment keine Alternativen zu den Pfarrgemeinden, jenen überschaubaren Räumen, in denen Menschen durchaus Beheimatung und Geborgenheit erfahren können. Es kann also nicht darum gehen, die Pfarreien möglichst bald abzuschaffen, zumal eine lebendige und ausstrahlende Pfarrgemeinde jederzeit solch ein geistliches Biotop selbst sein kann. Will Kirche aber überleben, dann sind diese Strukturen zu transformieren, die zudem Seelsorger/innen zum Teil heillos überfordern und in vielfacher Weise krank machen. Den Pfarreien also ausschließliche und allererste pastorale Priorität zuerkennen, dürfte in keinster Weise die Zukunft von kirchlicher Seelsorge sein. Vielmehr sollte pastoral dahingehend motiviert werden, daß Pfarrgemeinden und Biotope (wie z. B. Kloster Helfta) einander ergänzen und bereichern und keine gegenseitige Bedrohung darstellen.

Zudem besteht das dringende Desiderat, einmal theologisch anzudenken (vgl. can 210 / CIC 1917), das sakramentale geistliche Amt stärker und differenzierter zu entfalten (z. B. Sakrament der Versöhnung sowie Krankensalbung in der Spitalseelsorge). Dies ist umso mehr geboten, als das Vatikanum II im Vergleich zu Bischöfen und Laien kein einheitliches Priesterbild entwickelt hat, und die Priester nicht zu Unrecht als ‚Stiefkinder des Konzils' (Gisbert Greshake) bezeichnet werden können. Die priesterliche ‚Ortslosigkeit' und die Frage nach dem Wesen des priesterlichen Amtes und Dienstes bedürfen einer gebührenden Klarheit. Wenn jahrzehntelanges Beten um geistliche Berufe keine Wirkung zeigt, sollte dies als ein spiritueller Fingerzeig und Anstoß gesehen werden, das Wesentliche des Priestertums und seine Zulassungsbedingungen neu zu definieren."

Prof. Dr. Karl Schlemmer, Nürnberg