Aufgelesen |
Liebe Leserinnen und Leser, vor Ihnen liegt eine neue PIPELINE. Wundern Sie sich darüber? Vielleicht dachten Sie, die Redaktionsmitglieder hätten es satt, ständig angefeindet zu werden und Androhungen über sich ergehen lassen zu müssen. Ich möchte Ihnen vermitteln, warum die PIPELINE trotzdem erscheint. Es ist Begeisterung, die das Mitteilungsblatt am Leben erhält. Der Begriff Begeisterung weckt zwar gerne das Bild eines Strohfeuers, das sich schnellstens und leuchtend ausbreitet, um dann in Kürze zu erlöschen. Die Begeisterung, von der jetzt die Rede ist, hält sich aber bereits seit über 39 Jahren. Die Aufbruchstimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils hat die PIPELINE entstehen lassen, und wenn sie jetzt im Jahr 2004 erneut und immer wieder erscheint, ist das ein - wenn auch winziges - Zeichen dafür, dass die päpstliche Idee des Johannes XXIII. von den geöffneten Fenstern in der Kirche nicht vergebens war. Das Konzil war ein Aufbruch, der noch lange nicht zu Ende ist. Diesen Geist kann uns niemand nehmen Keine Instruktion kann dieses Feuer zum Erlöschen bringen, weil wir zusammen mit Millionen anderer Katholiken überzeugt sind, dass es aus guten Gründen leuchtet. Der AKR ist geprägt von einer kritischen Zusammenarbeit zwischen katholischen Priestern, laisierten Priestern sowie Frauen und Männern, die „Laien" genannt werden. Niemand fragt, wer mehr oder weniger Rechte hat Unsere Gespräche und Diskussionen handeln von Gott und der Welt. Niemand deckt uns mit Dogmatik zu, denn nicht das Gesetz regt zum Nachdenken an, sondern die unterschiedlichen Meinungen. Auf diesem Boden gedeiht Begeisterung, andauernde Begeisterung. Was kann schief laufen in einem Kreis, in dem theologische Kompetenz gepaart ist mit der demütigen Erkenntnis, dass wir vor Gott alle gleich sind? Jesus konnte seine Jünger nur um sich sammeln, indem er überzeugte. Er begann sein Lebenswerk mit der Idee von einer besseren Welt, und er hatte das Talent mitzureißen, zu begeistern. Niemand gab Jesus die Erlaubnis zu predigen. Er informierte sich nicht, nach welchem Rezept das Brot gebacken war, das er teilte; er fragte keine Behörde, ob und mit wem er Abendmahl feiern dürfe. Und noch etwas: Jesus liebte die Sprache der Bilder. „Macht weiter so!", steht in vielen Leserbriefen an die PIPELINE-Redaktion. Dabei vermuten viele interessierte Leserinnen und Leser, dass wir uns der Illusion hingeben, die Amtskirche könne christliche Züge annehmen. Das ist nicht ironisch gemeint, denn selbstverständlich kann eine Institution nicht lieben, verzeihen oder barmherzig sein. Das heißt, Seelsorge von Amts wegen gibt es eigentlich nicht; die Tugenden sind dem einzelnen Menschen vorbehalten. Der Amtskirche fällt es offenbar schwer, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Institution Kirche nur ein Gebäude ist, das von Menschen mit Leben erfüllt werden muss. In erster Linie sind es die Gemeindepfarrer, die im Namen Christi die Botschaft vermitteln und verständlich machen Allerdings benötigen sie dazu Freiraum, damit Intuition und Charisma zur Entfaltung kommen und konkrete Situationen vor Ort berücksichtigt werden können. Seelsorge in der Pfarrei ist keine leichte Aufgabe. Sie wird vor allem dann zur Belastung, wenn von der Obrigkeit Steine in den Weg gelegt werden. Es fällt auf, dass gerade solche Priester, die die Verkündigung fortschrittlich im Sinne des Konzils mit optimalem Erfolg umsetzen, von ihren Vorgesetzten immer wieder ausgebremst werden. Die jüngsten Beispiele aus unserer Diözese, bei denen der Bischof von Regensburg nicht einmal vor der Suspendierung eines Pfarrers zurückschreckt, sind bestimmt keine Zufälle. Leben wir also tatsächlich in einer Illusion, wenn wir glauben, der Welt und der Kirche ein frohes und zuversichtliches Gesicht geben zu können? Ein eingeschränktes „Ja" ist die Antwort. Illusionen werden nie sofort Wirklichkeit! So wie die Baumeister des Regensburger Domes von Anfang an wussten, dass sie seine Vollendung nicht erleben werden und sich trotzdem abmühten, so wollen wir mit bescheidenen Mitteln an einer besseren und christlicheren Kirche weiterarbeiten. Wo ein erstrebenswertes Ziel in unerreichbare Ferne rückt, wird der Weg zum Ziel. Diesen Weg gehen wir! Unsere kritischen Artikel und Karikaturen sollen auf Fehler im System Kirche aufmerksam machen. Weit über 30 Jahre war diese Kritik, wenn auch nicht erwünscht, so doch respektiert. Wir werden die Richtung nicht ändern, nur weil sich der Wind dreht und uns ins Gesicht bläst. Wer sich gegen Kritik wehrt, hat sie am nötigsten. Die letzten Wochen und Monate haben uns allen, nicht nur den unmittelbar betroffenen Pfarrern, sehr weh getan. Wir wissen sehr wohl, wer austeilt, muss auch einstecken können. Dass aber der Bischof aus allen Rohren auf den AKR geschossen hat, war nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch unredlich und schädlich. Bischof Gerhard Ludwig weiß offenbar über den Inhalt der PIPELINE besser Bescheid als über das Gelingen der Seelsorge in den Gemeinden. Ließe er sich in der Bevölkerung von Oberalteich, Kohlberg oder Bad Abbach auf Gespräche ein, würde er erfahren, dass die Arbeit der Pfarrer nicht durch Hauruck-Aktionen des Bischofs ersetzt werden kann. Wer als Bischof ohne jede Rücksicht auf die Seelsorge vor Ort kritiklosen Gehorsam verlangt, zerstört das Selbstverständnis der Pfarrgemeinden. Darüber hinaus wird er einsam, weil er sich objektiver Beratung entzieht. Einsame Menschen aber, die in der Öffentlichkeit stehen, neigen dazu Fehler zu begehen. Ein gravierendes Beispiel ist die Bischofspredigt zur Eröffnung der Wolfgangswoche, in der Gerhard Ludwig Müller unseren Pfarrern unterstellte, sie seien „Heuchler und Pharisäer", „Wölfe im Schafspelz", verstünden nichts von der Heiligen Schrift, hätten keine Ahnung vom zweiten Vatikanischen Konzil und würden die Verfassung der Kirche untergraben. Gerhard Ludwig Müller ist nicht unfehlbar. Er zeigt immer wieder, wie sehr er trotz oder wegen seines hohen Amtes leider ein ganz gewöhnlicher Mensch mit äußerst gewöhnlichen Fehlem geblieben ist. In hohen Ämtern können sich jedoch auch gewöhnliche Fehler katastrophal auswirken. Es dürfte ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bistums Regensburg sein, dass ein Oberhirte in einer Festtagspredigt seine Priester öffentlich beschimpft. Nach all den Erfahrungen mit Bischof G.L. Müller sah einer der betroffenen Priester als einzigen gangbaren Weg die Unterlassungsklage, worauf der Bischof bekanntlich mit der sofortigen Suspendierung reagierte. Ist das die oberhirtliche Art, seine eigenen Fehler zu bereinigen? Was mag in einem Bischof vorgehen, der einen in der Seelsorge bewährten Pfarrer suspendiert? Empfindet er Triumph, oder tut es ihm Leid? Denkt er darüber nach, ob er vielleicht selbst etwas falsch gemacht haben könnte? Oder lässt das sein Amt nicht zu? Was ist wertvoller: bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem Bischof oder beispielhafte Gemeindeseelsorge über Jahrzehnte hinweg? Wollen wir selbstbewusste Pfarrer oder willenlose Marionetten, an deren Schnüren der Bischof zieht? Gehorsam hat seine Grenzen! Die breite Öffentlichkeit begnügt sich damit, die neuesten Nachrichten über den Bischof zu lesen, um sich dann wieder dem Alltag zuzuwenden. Mit dem Trümmerhaufen, der zurück bleibt, müssen die leben, die sich ernsthafte Sorgen um die katholische Kirche machen. Doch wer auch nur ahnt, welch angenehmer Sommerwind in der Kirche wehen könnte, wenn nur die Fenster offen wären, der fühlt die ungebrochene Begeisterung, die auch diese PIPELINE ermöglichte. Verehrte Leserinnen und Leser, wenn Sie unser Mitteilungsblatt schon länger kennen, dann haben Sie eben bestimmt zuerst einen Blick auf das Impressum geworfen. Seien Sie nicht enttäuscht, dass einige Namen fehlen. Auch wir müssen mit der neuen Situation erst lernen umzugehen. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir trotz allem unsere Begeisterung, unsere Träume und Visionen weiterhin mit Ihnen teilen dürften! Wenn Sie in dieser Aufgeschlossenheit und mit ein bisschen zuversichtlicher Fantasie die Rückseite dieses Heftes noch einmal ganz genau betrachten, dann werden Sie feststellen: Die Namen stehen alle noch da! Und nicht einmal durchgestrichen sind sie! Herzlichen Dank für die vielen Mut machenden Rückmeldungen! Ein paar stressfreie Stunden beim Lesen dieser PIPELINE 1/2004 wünscht stellvertretend - nicht nur für die dezimierte Redaktion - Berthold Starzinger |