Aufgelesen
Entzugserscheinungen im Vatikan

Wenn Lehrer in der katholischen Reform-Organisation „Wir sind Kirche“ mitarbeiten, bekommen sie zunehmend Probleme

Ausgerechnet die Bischöfliche Pressestelle Regensburg meldete Anfang April auf der offiziellen Internet-Seite des Bistums, es werde der „hierarchische Klerus wegen mangelnder Rechtsgrundlage zurückgewiesen“. Dieses „Wunder von Regensburg“ erwies sich leider schnell als Schreibfehler. Zurückgewiesen wurde der „hierarchische Rekurs“, also eine Beschwerde in Rom, die der Religionslehrer Paul Winkler eingereicht hatte. Diesem hatte der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller vor über einem Jahr die „Missio canonica“, also die Bevollmächtigung zur Erteilung des katholischen Religionsunterrichts, entzogen. Mit dem Bescheid aus Rom erhielt der Bischof erneut Rückendeckung durch die „Kongregation für den Klerus“ für seine umstrittenen Entscheidungen zu Lasten der Laien in der Kirche.

Nachdem diese Kongregation bereits die Auflösung des Diözesanrates und die massiven Eingriffe in Räte und Gremien im Bistum Regensburg mit fragwürdigen juristischen Auslegungen gerechtfertigt hatte, gab sie jetzt auch ihre Zustimmung zum „Missio“-Entzug. Und auch diesmal muss man fragen, wieso sich die Kleruskongregation für zuständig erklärt. Es geht um Rechte von Laien, die vom Bischof beschnitten werden. Deshalb wäre doch entweder die Kongregation für die Bischöfe oder der Päpstliche Rat für die Laien zuständig. Oder der Päpstliche Rat für die Interpretation von Gesetzestexten – nicht aber die Kleruskongregation.

Die Argumentationskette in dem neuen Dekret aus Rom reicht von Canon 804 des Kirchenrechts, wonach die „Erteilung des katholischen Religionsunterrichts an Schulen jedweder Art der kirchlichen Autorität“ untersteht, über entsprechende Rahmenrichtlinien der Deutschen Bischofskonferenz bis zu einer dazu gehörigen Rahmengeschäftsordnung. Dabei geht es in erster Linie um die beiden Kriterien für die Erteilung der „Missio“: „Der Religionslehrer beachtet in der persönlichen Lebensführung die Grundsätze der Katholischen Kirche“.

In diesem speziellen Falle ging es um einen angeblichen Verstoß gegen das erste Kriterium, weil Herr Winkler Vorsitzender der regionalen Abteilung von „Wir sind Kirche“ ist. Die Kleruskongregation bestätigt dem Bischof, er habe im Rahmen seiner Verantwortung und unterstützt durch das Urteil verschiedener Bischöfe und Bischofskonferenzen „sowie durch die Empfehlungen des damaligen Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre“ Winkler zu Recht die „Missio“ entzogen wegen dessen Aktivitäten für „Wir sind Kirche“.

Nicht belegt wird die Behauptung, der Präfekt Ratzinger habe die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ verurteilt. Die Beschuldigten zitieren stattdessen einen Brief des Präfekten von 1998 an den damaligen Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, in dem es heißt, er habe keine „grundsätzlichen Einwände“ gegen die Einbeziehung der Kirchenvolksbegehrer in den von den österreichischen Bischöfen veranstalteten „Dialog für Österreich“. Auch dürfe die Kirche „vor keinen wichtigen Anliegen zurückschrecken“. Die Kleruskongregation dagegen behauptet jetzt einfach, die Forderungen von „Wir sind Kirche“ widersprächen zum Teil der kirchlichen Lehre und stünden in offenem Gegensatz zur kirchlichen Ordnung. Und das sagt ausgerechnet der Präfekt dieser Kongregation, Dario Castrillon Hoyos, der derzeit am heftigsten für eine Versöhnung mit den Anti-Konzils-Traditionalisten der Lefebvre-Bewegung kämpft.

Dem Beschwerdeführer Winkler wird persönlich vorgeworfen, in einem Leserbrief (!) Lehraussagen in Zweifel gezogen zu haben, die nach dem Lehramt der Kirche als definitiv einzustufen seien – „so zur Frage der Priesterweihe von Frauen“. Dabei handelte es sich um einen „Maulkorerlass“ von Johannes Paul II., nicht aber um eine verbindliche Lehre. Sonst müsste auch so mancher Priester und Bischof die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen bekommen … Mit dem „Missio“-Entzug für Paul Winkler sollte offensichtlich nur ein Exempel statuiert werden, um „Wir sind Kirche“ zu treffen. Dass dadurch ein engagierter Religionslehrer persönlich und beruflich diskriminiert wird, scheint weder den Bischof von Regensburg noch die Kongregation zu berühren. Leider ist dies kein Einzelfall.

Immer wieder droht kritischen Geistern in der Kirche das gleiche Schicksal. Geahndet werden zudem Verstöße in der persönlichen Lebensführung gegen die Grundsätze der katholischen Kirche. So droht jetzt einem Studienrat in Mannheim der „Missio“-Entzug durch den Freiburger Erzbischof Robert Zollitzsch, weil er, verheiratet mit einer evangelischen Pfarrerin, die gemeinsame Tochter evangelisch taufen ließ. Obwohl inzwischen allgemein anerkannt ist, dass die Taufe ein sakramentales Band der Einheit zwischen den Kirchen ist, also bei einem Konfessionswechsel keine erneute Taufe erfolgt, soll ein seit vielen Jahren engagierter und erfolgreicher Religionslehrer kaltgestellt werden wegen dieses „Verstoßes“ gegen einen überholten antiökumenischen Grundsatz. Wie sagte doch der Freiburger Bischof bei der „Missio“-Verleihung im März 2005: „Infolge der veränderten religiösen Situation unserer Kinder und Jugendlichen sind Sie heute für viele Schülerinnen und Schüler die wichtigsten Ansprechpartner in Glaubens- und Lebensfragen.“ Und diesen Partnern sollten die Bischöfe nicht ständig misstrauen und mit juristischen Spitzfindigkeiten die Ausübung ihres für die Kirche so wichtigen Dienstes verhindern.

Norbert Sommer in „Publik-Forum“ Nr. 8, 2006, S. 59 - 60