Aufgelesen |
"Gott mit dir, du Papst der Bayern!" Benedikt XVI. wird in seiner Heimat begeistert erwartet. Und rechte Kirchenkreise versuchen aus seinem Besuch Profit zu schlagen Die Bayern-Visite von Papst Benedikt XVI. vom 9. bis 14. September wurde vom Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller bereits zum Jahrtausendereignis erklärt. Von einem Gottesgeschenk, einem geistlichen Großereignis, ja einer »großen spirituellen Lokomotive« ist da die Rede. Es sollen neue Impulse und Aufbrüche ebenso zu spüren sein wie eine Renaissance des Religiösen, ausgelöst durch den ersten Bayern auf dem Stuhl Petri nach rund 950 Jahren. Wenn das kein Grund zu Freude und Euphorie ist! Auch der Papst erwartet »mit Freude« seine Reise nach Bayern. Der päpstliche Zeremonienmeister, Erzbischof Piero Marini, meinte: »Der Papst hat Sehnsucht danach, in seine Heimat zu kommen.« Schon bei seiner ersten Audienz am 25. April 2005 hatte Benedikt XVI. gesagt: »Ich bin natürlich ein Bayer geblieben, auch als Bischof von Rom.« Später fügte er hinzu: »Mein Herz schlägt bayerisch. In meinem Amt gehöre ich der Welt.« Großzügig wies der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber darauf hin, mit dem Besuch in Bayern komme der Papst »natürlich« auch nach Deutschland. So darf denn auch der Bundespräsident den hohen Gast aus Rom am Münchner Flughafen begrüßen, doch dabei wird nicht die deutsche Nationalhymne, sondern die Bayernhymne »Gott mit dir, du Land der Bayern« gespielt. Mehr als 7 Millionen der 12,5 Millionen bayerischen Bürgerinnen und Bürger sind katholisch. Doch der Papstbesuch gilt nur den drei Bistümern München, Regensburg und Passau. Einladungen nach Bamberg und Würzburg fanden keine Berücksichtigung. Der Bamberger Bischof Ludwig Schick zeigte Verständnis für die Absage, schließlich habe Joseph Ratzinger von Anfang an gesagt, dass er seine Reise nach Deutschland biografisch gestalten möchte, er wolle an die Orte gehen, in denen er einmal gelebt hat. Was ist dann aber mit Bonn, Münster und Tübingen? Möchte er diese Orte lieber vergessen, weil sie zu sehr an den einstmals progressiven Theologen Ratzinger erinnern? In Bayern ist alles anders. So verwies der Münchner Kardinal Friedrich Wetter auf die Verbindung zwischen Rom und Bayern, die nie abgerissen, sondern lebendig geblieben sei, »weil sie tiefe Wurzeln im Herzen der Gläubigen hat«. Und Benedikt XVI. sprach bei einem Empfang für 170 CSU-Politiker im Apostolischen Palast überschwänglich von seiner »geliebten bayerischen Heimat«: »Es zeichnet Bayern aus, dass sich auf seinem Boden zukunftsgerichtete Wissenschaft, Technik und Industrie mit einer überreichen kulturellen und religiösen Überlieferung harmonisch verbinden. Gerade in dieser Harmonie liegt auch die Verheißung einer wahrhaft menschenfreundlichen Zukunft.« Da wundert es nicht, dass ihm zu Ehren ein Lied komponiert wurde, in dem es unter anderem heißt: »Wir sind entzückt, wir sind beglückt, Heiliger Vater Benedikt ... Edel, nobel, frei und gut ist dein bayerisch Herz und Blut.« Und zum Besuch selbst gibt es das offizielle Papstlied »Wer glaubt, ist nie allein« als Choral. Feierstimmung, Freude, Begeisterung, ungeduldige Erwartung überwiegen. Aber was konkret soll der päpstliche Heimatbesuch für die Menschen, für die Kirche bringen? Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch meint, es sei für die Kirche in Deutschland, die derzeit vor tief greifenden Veränderungen stehe, Ermutigung und Bestätigung zugleich, vor den anstehenden Herausforderungen nicht zu kapitulieren. Während der Trierer Bischof Reinhard Marx verharmloste, beim Besuch des Papstes gehe es nicht um die Klärung strittiger Fragen, da er nur seine Heimat besuche, erwartet der Bischof von Bamberg »Stärkung des Glaubens, der kirchlichen Gemeinschaft, der Einheit zwischen dem Papst und der deutschen Kirche«. Anton Schlembach, Bischof von Speyer, wurde deutlicher: »Es würde der Kirche in Deutschland gut anstehen, auf die Wünsche des Papstes einzugehen und nicht immer neu gewisse alte Wünsche bisweilen sogar als Forderungen und Rechtsansprüche an den Papst zu richten.« Das zielt wohl in erster Linie auf Reformgruppen wie Wir sind Kirche sowie auf das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ab. Dabei sind deren Einstellungen zu Papst und Papstbesuch keineswegs identisch. So überraschte Stefan Vesper, der Generalsekretär des ZdK, mit seiner Aussage, er knüpfe große Erwartungen an die Visite. Gerade aus Sicht der Laien sei der Stil von Benedikt XVI. zu begrüßen, weil er die Bedeutung der Laien schätze. Und was ist mit Donum vitae, was mit dem rigorosen Kahlschlag bei der Laienmitverantwortung im Bistum Regensburg? Beim Katholikentag in Saarbrücken hatte das ZdK noch »dankbar« festgestellt, dass sich kein deutscher Bischof dem Vorgehen des Regensburger Bischofs Müller angeschlossen habe. Wenig später berichtete der Regensburger Prälat Heinrich Wachter, bei einem Abendessen habe ihn Benedikt XVI. als Erstes nach den »Streitigkeiten« im Bistum gefragt und dann gesagt, er hoffe, »dass mehr Bischöfe dem Beispiel des Regensburger Bischofs folgen würden«. Papstbruder Georg Ratzinger, der in der Vergangenheit der wichtigste Informant des Präfekten der Glaubenskongregation über Vorgänge in der Kirche Deutschlands gewesen sein soll, hatte schon vorher Stellung bezogen: »Die Tragik ist, dass in Regensburg offensichtlich Laien am Werk sind, die nicht aus der Mitte des Glaubens heraus leben. Der bischöfliche Auftrag ist, dies in Ordnung zu bringen.« Unermüdlich sind rechte Gruppierungen am Werk, um Errungenschaften des Konzils zu diskreditieren und zu Fall zu bringen. Sie überschütten Rom mit Beschwerden und Denunziationen. Mit der Erklärung der deutschen Bischöfe zur Unvereinbarkeit von Funktionen in der Kirche und bei Donum vitae haben diese Kreise einen ersten Erfolg errungen. Das bestärkt sie offensichtlich, nun weitere Forderungen zu stellen. Dabei geht es vor allem um die Laien. Sicherlich nicht ohne Zustimmung des Papstes hat der neue Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Joseph Levada, Ende vorigen Jahres den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz aufgefordert, nicht nur Stellung zu beziehen zu dem Beschluss des ZdK vom April 2005, mehr kirchliche Mitbestimmungsrechte für Laien zu verlangen, sondern auch über »getroffene oder geplante Maßnahmen« zu informieren. Levada wies den ZdK-Beschluss zurück, weil katholische Bistümer ja keine protestantischen Landeskirchen seien. Außerdem würden die Aussagen des Lehramtes über den Dienst und die Verantwortung der Bischöfe und Priester ebenso wenig berücksichtigt wie eine Reihe von Kirchenrechtsartikeln. Schon 2002 hatte Kardinal Ratzinger gesagt: »Wir kümmern uns zu sehr um uns selbst, um Strukturen, um den Zölibat, Frauenpriestertum, Pastoralräte, Rechte dieser Räte und Synoden.« Und da erwartet Kardinal Wetter, dass durch den Papstbesuch die Ehrenamtlichen in Räten und Verbänden ermutigt werden? Die Kampagnen von rechts gegen das ZdK werden verstärkt. Die Einhaltung des Verbots der Laienpredigt wird überwacht. Der Druck auf den Papst, so genannte Liturgie-Missbräuche zu ahnden und die lateinische alte Messe wieder zuzulassen, zeigt bereits erste Erfolge. Und jetzt soll auch noch die »Königsteiner Erklärung« gekippt werden, mit der die deutschen Bischöfe 1968 mit dem Hinweis auf die Gewissensentscheidung der Eheleute auf die Enzyklika Humanae vitae reagierten. Warum können die Bischöfe in all diesen Fällen nicht die gleiche Argumentation gegenüber Rom gebrauchen wie im Fall des Streits um die deutsche Praxis der Exkommunikation bei einem Kirchenaustritt: Wir wenden »die weltkirchlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der deutschen Rechtstradition« an? Da all diese Themen aber die Harmonie stören könnten, sollen sie beim Besuch möglichst tabu bleiben. So ist es weitgehend Wir sind Kirche vorbehalten, Kritik zu üben und mit einem »Offenen Brief« (s. Seite 36) sowie zahlreichen Aktionen auf Defizite und notwendige Reformen hinzuweisen. Kommt der Papst 2010 erneut nach Bayern, zum zweiten Ökumenischen Kirchentag? Kardinal Walter Kasper nannte als Voraussetzung, dass alles in einem »positiven Geist« verlaufe und nicht wieder solche »etwas unangenehmen Dinge« wie in Berlin passieren. Das wird wohl niemand garantieren können oder wollen. Norbert Sommer |