Aufgelesen |
Wider das Gerede vom kirchlichen „Kerngeschäft“ Menschliche Verelendung: Eine Herausforderung an Glauben und Kirche Geld ist knapp und wird noch knapper werden. Auch in der Kirche. Einige Diözesen schrappen nur knapp an der Pleite vorbei. Gespart werden muss, so scheint es, überall. In der Not rufen die Verantwortlichen der Kirche „Fachleute“ zu Hilfe. Die verstehen was vom Geld und müssen wissen, wie und wo man sparen kann. Deren Rezepte sind eindeutig, die Medizin ist bitter: eine „schlanke Kirche“ heißt die Losung, eine Konzentration auf das „Kerngeschäft“. Damit blasen diese Unternehmensberater in das gleiche Horn, das schon innerhalb der Kirche zu hören war: Wir brauchen eine Rückkehr zum Eigentlichen! Unsere Kräfte dürfen wir nicht verzetteln. Viele Aktivitäten rund um den Kirchturm mögen gut und schön sein. Aber wenn jede Randgruppe bedient werden will, wie soll das auf die Dauer gut gehen? Der Altar muss wieder Mittelpunkt sein! Priester müssen sich erinnern, wozu sie geweiht worden sind. Sünde muss wieder offen Sünde genannt werden. Die Sakramente müssen wieder neues Leben bekommen. Dann wird sich auch wieder die Freude am Glauben einstellen. Kurzum: die Besinnung auf das „Kerngeschäft“ der Kirche ist das Gebot der Stunde, das Eigentliche der Pastoral. Denn für das Übernatürliche besitzt die Kirche ein Monopol. Soll sie sich von Konkurrenten in der Sinnfrage auf dem Markt der Weltanschauungen ihren Vorsprung nehmen lassen? „Das religiöse Leben nahm seinen gewohnten Gang.“ Das war das Resümee eines meiner Vorgänger mitten im Krieg, in der Chronik der Kirchengemeinde. „Draußen“ wurde getötet und gestorben, waren ganze Völker von Ausrottung bedroht. Für ihn war die Welt noch in Ordnung. Ob die Blickverengung auf seine religiösen Alltagsgeschäfte zu der Zeit ein Einzelfall in Deutschland war? An diese Formulierung „Das religiöse Leben nahm seinen gewohnten Gang“, zu der Zeit, als der nazistische Terror und seine Verbrecherbande ganz Europa zugrunderichtete, werde ich zwangsläufig oft erinnert. Wenn das angeblich „Eigentliche“ als Ausrede benutzt wird, die Sorge für den Nächsten hintanzustellen und deshalb soziale Einrichtungen im Raum der Kirche zu vernachlässigen, dann meldet sich – wie mir scheint – der Supranaturalismus, den man (vor allem nach dem Konzil) überwunden glaubte. Wider das Gerede vom kirchlichen „Kerngeschäft“: darauf richtet sich deshalb das Thema der kommenden AGP-Jahresversammlung, in der wir die vielfachen Nöte unserer Mitmenschen und deren Folgen als Nagelprobe für die Echtheit von Glauben und Kirche ins Auge fassen und nach Alternativen fragen wollen. Welche bieten sich auf Ortsebene an, welche müssen politisch vertreten werden und wie können wir in unseren Gruppen diese Kehrtwende fördern? Als Referenten konnten wir Dr. Hans-Udo Schneider gewinnen, Industrie- und Sozialpfarrer im Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten. Er wird uns einführen in den Konflikt zwischen kirchlicher Introvertiertheit und der sozialen Wirklichkeit unserer Kirchengemeinden andererseits. Wir werden uns fragen müssen, welchen Stellenwert der Kult und andere herkömmliche Frömmigkeitsübungen haben und ob sie ausgespielt werden dürfen gegen soziale Verpflichtungen, dem Dienst am Nächsten. Muss es wieder einmal nach schlechtem Vorbild (Lk 10,31f) heißen: „Er (über)sah ihn und ging vorüber?“ Carl-Peter Klusmann |