Aufgelesen
Mit Volldampf gegen die Meinungsfreiheit: Vatikanische Rechtssprechung 2006
"Wir sind Kirche" - Österreich
Presseaussendung vom 6. April 2006


Die römische Kleruskongregation hat den Rekurs, den der Religionslehrer und Vorsitzende von "Wir sind Kirche" in der Diözese Regensburg gegen die Entziehung der Missio canonica durch Bischof Gerhard Ludwig Müller eingelegt hat, zurückgewiesen. "Wir sind Kirche" ist empört über diese Entscheidung. Selbst wenn man als subjektives Motiv "die Gläubigen sollen nicht verunsichert werden" unterstellt, wird eine hoffnungslos veraltete Theologie sichtbar und drängt sich der Anschein auf, dass Autorität autoritär ins Spiel gebracht werden will. Die Zurückweisung des Rekurses wurde ohne in die Sache eingehende Begründung ausgesprochen. Wenn das Dekret behauptet, dass "die Forderungen, welche die Plattform "Wir sind Kirche" verfolgt, zum Teil der kirchlichen Lehre widersprechen", muss mit aller Entschiedenheit widersprochen werden.

Die kath. Theologie kennt zwar einen hierarchischen Aufbau jurisdiktioneller Normen (wie zB. Dogmen, ex cathedra Entscheidungen des Papstes, Konzilsbeschlüsse oder Lehrschreiben, Instruktionen, bis hin zu Predigten und andere gesprochene Worte). Der Grad ihrer Verbindlichkeit für Glaube und Leben ist aber nicht eindeutig geklärt. "Wir sind Kirche" verstößt jedenfalls mit ihren Forderungen weder gegen die Treue zum Evangelium noch gegen Glaubensbekenntnisse oder gegen Dogmen oder gegen ex cathedra Entscheidungen des Papstes oder gegen Konzilsbeschlüsse und somit nicht gegen den Kern katholischer Lehre. Jeden Beweis dafür, dass dies anders sei, sind die Kirchenleitungen bisher schuldig geblieben.

Die christlich-katholische Tradition und Praxis haben sich in ihrer zweitausend jährigen Geschichte bereits oftmals verändert. Diese Veränderungen gingen in den wenigsten Fällen vom kirchlichen Amt aus. Immer wieder waren es gläubige Frauen und Männer, die ihrem Gewissen gefolgt sind und die Kirchenleitungen darauf aufmerksam machten, wie weit sie sich von der Botschaft Jesu entfernt hatten.

Auch in unsrer Zeit gibt es viele Gläubige, Religionslehrer/innen, Pastoralassisten/innen, Krankenhausseelsorger/innen, Priester, Dechanten, Universitätsprofessoren, ja Bischöfe auf der ganzen Welt, die zumindest punktuell - auch in der Öffentlichkeit - auf Grund ihre Erfahrungen zu denselben Schlussfolgerungen kommen, wie die Plattform "Wir sind Kirche".

Offenbar hat die Plattform "Wir sind Kirche" in Österreich noch eine bessere Gesprächsbasis zu den Bischöfen, als sie in Regensburg gegeben ist. Wir können uns nicht vorstellen, dass eine solche Vorgangsweise in einer unserer Diözesen gewählt werden würde.

Trotzdem spricht die Plattform "Wir sind Kirche" aber ausdrücklich eine Solidaritätsadresse aus. Bei einem vergleichbaren Fall in einer österreichischen Diözese würden wir keine Sekunde zögern und unverzüglich Maßnahmen einleiten, die bis zum Boykott des Kirchenbeitrags gehen können. Dort, wo seit Jahrzehnten dringende Reformnotwendigkeiten nicht einmal mehr genannt werden dürfen, hören sich in der Kirche Leben und Entwicklung auf und die Kirchenleitung verspielt jegliches Recht auf Solidarbeiträge. Aber es gibt eine Alternative zum Kampf: nämlich Dialog. Und es gibt keinen Weg zurück in die Zeit vor dem Konzil!

Dr. Martha Heizer
Ing. Hans Peter Hurka
"Wir sind Kirche" - Österreich