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Freundlicher Bewahrer - aber nie ein Reformer? Interview im NDR mit Hans Küng NDR Info: Heute endet der Besuch von Papst Benedikt dem XVI. in seiner bayerischen Heimat. Sein möglicherweise letzter, wie der Papst vor Beginn der Reise gesagt hat. Eine Reise, die bei strahlendem Wetter mehr einem Triumphzug glich - überall Jubel, Freude über Benedikt. Die Straßen waren voll - doch die Kirchen bleiben leer. Ich habe darüber mit dem Theologen Hans Küng gesprochen. Ein kritischer Theologe - ihm war unter Papst Woytila, der von Kardinal Ratzinger beraten wurde, die Lehrerlaubnis entzogen worden. Ich habe ihn gefragt, wie er den Besuch Ratzingers als Papst erlebt hat. Küng: Ich habe, muss ich leider sagen, zwiespältige Gefühle. Benedikt hat keine der Hoffnungen reformorientierter Katholiken erfüllt. Natürlich, wie man ihn kennt, persönlich sympathisch, er hat sich nicht als Medienpapst aufgeführt, wie oft sein Vorgänger, der um Beifall heischte. NDR Info: Hat der Besuch keine Bewegung in die Ökumene gebracht? Es gab doch Äußerungen, die man durchaus hätte so deuten können? Küng: Ja, man hat vor allem erwartet, dass er auf die Bitte des Bundespräsidenten, dass auch Fortschritte erzielt werden müssten in der Ökumene, dass er auf die zwar rhetorisch sehr gut eingegangen ist, mit Herz und Verstand wollte er für die Annäherung der katholischen Protestanten wirken, aber der Empfang der Evangelischen, die Vesper ja nun waren alles andere als sehr ökumenisch. Er hat sie nicht einmal auf Kirchen angeredet, er hat nichts gesagt, von der Anerkennung der anderen Ämter und natürlich erst recht nichts von der Abendmahlsgemeinschaft. NDR Info: Sind denn Ihrer Ansicht nach überhaupt Reformen von Benedikt zu erwarten? Küng: Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Er muss mit der Zeit sehen, dass, wenn er ständig die Leute enttäuscht, er in eine schwierige Situation kommt. Die Pfarreien veröden und da eben nur zu bitten, mehr Priesterberufe zu haben und dafür zu beten, das hat sein Vorgänger 27 Jahre lang gemacht ohne Erfolg. NDR Info: Auch Sie haben es angedeutet, der Papst kommt, die Straßen waren voll doch die Kirchen bleiben leer. Wie ist Ihr Eindruck, nehmen die Menschen diesen Papst noch als Oberhaupt der katholischen Kirche wahr, oder sieht man ihn inzwischen losgelöst von all dem? Küng: Es ist einfach für viele ein Erlebnis, den Papst aus der Nähe zu sehen. Aber man muss auch sagen, es waren viel weniger Menschen als erwartet, und ein voller Marienplatz mit Prominenz garantiert keine besser gefüllten Kirchen. NDR Info: Wie ist ihr persönliches Verhältnis zu Benedikt? Als er noch Kardinal Ratzinger war, gab es große Spannungen? Küng: Da gab es sehr große Spannungen. Wir haben natürlich die beiden Flügel, den reformerischen Flügel einerseits und den konservativen Flügel anderseits, verkörpert. Sein Vorgänger hat mir 27 Jahre lang keine Antwort gewürdigt, und Papst Ratzinger hat sofort geantwortet, selbstverständlich würde er mir diese Unterredung gewähren. Und immerhin, es war glaube ich die längste, die er je gegeben hat, vier Stunden habe ich mit ihm persönlich freundschaftlich geredet. Also meine Kritik kommt jetzt nicht aus einer Konfrontation heraus, wie das vorher der Fall war bei seinem Vorgänger, der einem die Konfrontation aufgezwungen hat, nicht zuletzt durch den Entzug der kirchlichen Lehrbefugnis, sondern kommt aus Solidarität heraus. Aber das muss eine kritische Solidarität sein. NDR Info: Das heißt aber auch, er hat in diesem vierstündigen Gespräch mit Ihnen keine Bewegung gezeigt? Küng: Ich hatte vorgeschlagen, es hat keinen Zweck, über die kontroversen Fragen zu reden. Wohl aber gab es eine Übereinstimmung in Fragen christlicher Glaube und Naturwissenschaft. Er war sich auch im Klaren darüber, dass der Dialog der Religionen wichtig ist, das hatte er übrigens in Regensburg sehr deutlich gesagt, auch Dialog mit dem Islam. Er war auch überzeugt davon, dass es so etwas wie ein gemeinsames Menschheitsethos, ein Weltethos braucht, einfach einmal einige elementare ethische Standards, die von den Menschen verschiedener Regionen und Religionen beachtet werden müssen. |