Aufgelesen |
Karl-Heinz Ohlig in Imprimatur 3/2006 Von der Jesusbewegung zur strukturierten Kirche Die Entwicklung des kirchlichen Amtes bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts Die folgenden Ausführungen stützen sich auf Ergebnisse der Bibelwissenschaften und historischen Forschung, geben diese aber nur in einigen wenigen Linien, somit auch Vereinfachungen, wieder. Jesus selbst hat sich als Reformer Israels gesehen, im Auftrag Gottes, den er, wie auch andere im Frühjudentum, Vater nannte; eine Sendung zu den Heiden lehnte er – für sich – ab. Es ist umstritten, aber doch wohl wahrscheinlich, dass er unter seinen Jüngern einen Kreis von „Zwölf“ hervorgehoben hat. Diese „Zwölf“ sollten seinen Anspruch auf eine Reform ganz Israels dokumentieren. Sie werden „Jünger" genannt, wie alle, die Jesus nachfolgten. Die Bezeichnung „Apostel“ entstand erst nach dem Tod Jesu mit Beginn der christlichen Mission. „Apostel“ bedeutet auf Griechisch das Gleiche wie, lateinisch, „Missionar“. Paulus versteht sich als Apostel, und er nennt in seinen Briefen weitere solche Missionare, auch Frauen. Erst relativ spät, in den lukanischen Schriften (Evangelium und Apostelgeschichte), wird – anders als bei Paulus – der Apostelbegriff rückwirkend auf „die Zwölf“ angewendet und mehr oder weniger auf sie beschränkt. „Die Zwölf“ können im Kontext des Lebens Jesu nicht als die ersten „Amtsträger“ verstanden werden, von denen – so die theologische Konstruktion – später eine Sukzession des Amtes ausging. Ämter gehören zur Struktur einer Gemeinschaft, hier der Kirche. Jesus aber hatte noch nicht die Gründung einer Kirche im Blick. Er stand selbst unter der Naherwartung, wenn er diese auch nicht, wie andere Apokalyptiker, berechnete; die Zeit nach seinem frühen und plötzlichen Tod hat er nicht in den Blick gefasst. Das spätere kirchliche Amt kann also, historisch, nicht in das Leben Jesu rückdatiert werden. Es entstand erst nach dem Tod Jesu, als sich die Kirche bildete. Die These, das (spätere) Priestertum sei im Kontext des „Letzten Abendmahls“ durch die Worte an seine zwölf Apostel „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (die sich nur bei Paulus, 1 Kor 11,25, finden) begründet worden, kann deswegen nicht aufrecht erhalten werden. Abgesehen von der Frage, ob die Abendmahlsberichte der Synoptiker und des Paulus – Johannes kennt nur ein feierliches Abschiedsessen mit Fußwaschung – tatsächlich ins Leben Jesu zurückreichen oder erst nach seinem Tod von den Gemeinden – in Analogie zur jüdischen Paschafeier – gestaltet wurden (dafür spricht die eindeutige Opfersymbolik, die wohl erst nach dem Tod Jesu entstand[1], sind die Teilnehmer des Abendmahls „die Zwölf“ (so Mk 14,17) oder die „zwölf Jünger“ (so Mt 26,20); nur Lukas verändert diese Tradition zu „Aposteln“ (Lk 22,14); Paulus macht (1 Kor 11,23-25) keine näheren Angaben. Die Teilnehmer gehörten also zum engeren Jüngerkreis Jesu; „Jünger“ ist im Neuen Testament jeder, der Jesus nachfolgt, also jeder Christ. Lediglich Lukas – er schreibt um das Jahr 90, also spät – bringt einen neuen Zug in die Erzählung.[2] Die Kirche entstand, in ersten Anfängen, nach dem Tod Jesu. Zwar fassten sich die frühen Christen – nennen wir sie schon so – zunächst noch als Reformgruppe des Judentums auf, besuchten Tempel und Synagogengottesdienste und richteten sich nach der Tora, dem jüdischen Gesetz. Aber dabei wurde die Erinnerung an Jesus und an seine Verkündigung immer wichtiger, bis bald das Bewusstsein entstand, nicht mehr richtig zur jüdischen Gemeinschaft zu gehören; man begann, neu gewonnene Jünger „auf den Namen Jesu“ zu taufen. Befördert wurde diese Verselbständigung durch den Ausschluss der Jünger Jesu aus der Synagoge. Die Evangelien, bis hin zum Johannesevangelium um das Jahr 100, spiegeln noch diese Trennungsprozesse. Die nun entstehende Gemeinschaft, die Kirche, kann aber zu Recht Kirche Jesu Christi genannt werden, insofern, als sie die über den innerjüdischen Kontext hinausreichenden (allgemein-) humanen Impulse Jesu aufgreift und ihr soziale Gestalt gibt; die Aufnahme von „Heiden“, in der Apostelgeschichte (Apg 10) mit einer Vision des Petrus – nicht mit einem Jesuswort – begründet, lag in der Konsequenz „der Sache Jesu“. Wahrscheinlich begann die christliche „Heidenmission“, schon vor Paulus, bei dem Kreis der sog. „gottesfürchtigen Männer“, d.h. Nichtjuden, die im Umkreis der Synagogengemeinden im Mittelmeerraum lebten und von der überlegenen Gottesvorstellung der jüdischen Religion angetan waren, ohne aber den Schritt zum Judentum (Beschneidung) zu tun. Die in den frühen Christengruppen zunehmende Konzentration auf Jesus ließ die ethnische Komponente zurücktreten und machte es solchen „Heiden“ möglich, ohne Beschneidung dazu zu kommen. Bald aber richtete sich der Blick engagierter Christen, also dann von Missionaren bzw. Aposteln, auch grundsätzlich auf die ganze damals bekannte Welt als Horizont ihrer Mission, wofür Paulus der gewichtigste Zeuge ist. Aber auch dann blieb es noch, bis zur Einigung auf dem Apostelkonzil im Jahre 48, umstritten, inwieweit das Christwerden die Beschneidung, also das Judewerden, voraussetzt. Ausgehend von Jerusalem, der Muttergemeinde, und Palästina bildeten sich kleine Christengemeinden bald auch in Syrien, Kleinasien und Griechenland, dann zunehmend in vielen Städten rund um das Mittelmeer – recht früh wohl auch schon in der Hauptstadt Rom. Diese Gemeinden besaßen naturgemäß keine eigenen Gebäude. Sie trafen sich in den Häusern etwas wohlhabenderer Christen, die zu diesem Zweck hinreichend große Räume zur Verfügung stellen konnten. Solche „Hausgemeinden“ umfassten also kleinere, überschaubare Gruppen, so dass in größeren Städten mit dem Erfolg der Missionierung mehrere oder viele Hausgemeinden bestanden. Wie bei allen Einladungen in das eigene Haus werden die Hauseigentümer und -eigentümerinnen zumindest bei den Versammlungen eine zentrale Rolle gespielt haben. „Wir wissen nicht genau, wer beim urchristlichen Herrenmahl den Vorsitz führte. Ich möchte annehmen, daß in den Hausgemeinden in Analogie zum jüdischen und teilweise auch heidnischen Mahlbrauch der Hausvater diese Aufgabe wahrnahm.“[3] Nichts spricht dagegen, dass einladende Hauseigentümerinnen die gleiche Funktion wahrnahmen. Es ist soziologisch unausweichlich, dass die kleinen, aber wachsenden Gemeinden nur auf Dauer funktionieren konnten, wenn sich in ihnen Leute in besonderer Weise engagierten. Paulus fordert in seinem frühesten Brief, dem Ersten Brief an die Thessalonicher, auf, diese auch anzuerkennen: „Erkennt die unter euch an, die sich solche Mühe geben, euch im Namen des Herrn zu leiten und zum Rechten anzuhalten“ (1 Thess 5,12). Von einer Beauftragung durch „Apostel“ ist z.Zt. des Paulus noch nicht die Rede. Wer den neuen Glauben für so wichtig hielt, sich ihm oder Aufgaben in den Hausgemeinschaften oder auch als Missionar, Apostel, zu widmen, machte es so. Paulus bittet darum, ihren Dienst auch zu respektieren. In dieser Anerkennung durch die Gemeinde hat man wohl die Anfänge einer „Beauftragung“ zu sehen (Wer z.B. gegen einen einladenden „Hausvater“ etwas hatte, ging nicht zu ihm; umgekehrt war die Befolgung einer Einladung so etwas wie eine stillschweigende Beauftragung zu einer Funktion). Paulus zählt im Ersten Korintherbrief eine Reihe von Aufgaben („Gnadengaben“) auf, die für die Gemeinde wichtig sind (1 Kor 12,4-31). In dieser frühen Phase ist natürlich am wichtigsten der Missionar, der Apostel, durch den Gemeinden überhaupt erst begründet werden. Darüber hinaus gibt es weitere Dienste, damit der Glaube in einer Gruppe lebendig bleibt. „So hat Gott in der Gemeinde einzelne eingesetzt erstens als Apostel, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer“ usf. Was in dieser frühen Zeit noch nicht erwähnt wird, ist die Aufgabe eines Gemeindeleiters. Wie immer unter Menschen gab es natürlich auch damals Streit, und nicht jeder wollte einen anderen anerkennen, der z.B. als „Lehrer“ auftrat. Paulus bittet deswegen die Christen um Gemeinsamkeit; im Bild von dem Leib, der „eine Einheit ist, doch viele Glieder hat“ (1 Kor 12,12), beschwört er die Christen, die je anderen in ihren besonderen Fähigkeiten anzuerkennen. Nicht jeder kann „Apostel“ oder „Lehrer“ sein; aber er fordert trotzdem diejenigen, die es wollen und können, auf, auch wichtigere Funktionen zu übernehmen: „Doch strebt nach den Gnadengaben, die höher stehen“ (1 Kor 12,31). Noch in dieser paulinischen Tradition zählt der recht spät, in den neunziger Jahren, entstandene pseudopaulinische Epheserbrief folgende Funktionen auf: „Und er setzte die einen zu Aposteln ein, die anderen zu Propheten, wieder andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, zur Bereitung der Heiligen (= Christen) für das Werk ihres Dienstes, zum Aufbau des Leibes Christi (Eph 4,12.13); auch hier wird die Bitte geäußert: „ertragt einander in Liebe“ (Eph 4,2). Immerhin aber taucht im Epheserbrief eine Bezeichnung auf, die Paulus noch nicht hatte; er spricht von „Hirten“. Zwar wird nichts Näheres dazu gesagt, aber mit dem Bild eines Hirten, zu dem ja eine „Herde“ gehört, könnte hier ein neuer Dienst gemeint sein, der der Gemeindeleitung. Jedenfalls scheint ein solches Amt, wie andere zu dieser Zeit entstandene neutestamentliche Schriften (Apostelgeschichte, Erster Petrusbrief, die pseudopaulinischen Pastoralbriefe [der Erste und Zweite Timotheusbrief]) zeigen, notwendig geworden zu sein. Warum? Mittlerweile hatten die Christen erkannt, dass die Wiederkunft Christi nicht schon bald, sondern noch – möglicherweise lange – auf sich warten lässt (das Empfinden der „sich dehnenden Zeit“). Das bedeutete für die Christengemeinden, dass sie sich auf Dauer einrichten mussten. Nun können aber Gemeinschaften, welcher Art auch immer, ohne stabile Strukturen nicht auf längere Zeit bestehen. Jetzt war die Situation gekommen, für die Gemeinden Ämter auszubilden, vor allem Leitungsämter, die für die Angelegenheiten der Gemeinden Sorge tragen; ad-hoc-Engagements reichten nicht mehr aus, so sehr sie für die innere Lebendigkeit der Gemeinden wichtig blieben. Das Amt des Missionars/Apostels spielte nur noch für neugebildete Christengruppen eine Rolle, nicht mehr in den mittlerweile schon generationenlang bestehenden Gemeinden. Die jetzt beginnende Ausbildung von Leitungsämtern war allerdings nicht unumstritten. Es gab kirchliche Regionen, die keinerlei Leitungsstrukturen kannten oder sich dagegen wehrten. So lehnt z.B. das zwischen 80 und 90 verfasste Matthäusevangelium (ein „bruderschaftliches Evangelium“) Leitungsämter polemisch ab (vgl. die Antipharisäerrede), der zentrale Begriff ist der „Jünger“, und die Gemeinde der Jünger ist die wichtigste Norm (vgl. die „Hausordnung Gottes“ in Mt 18). Das Johannesevangelium, um das Jahr 100 entstanden, kennt keinerlei Interesse an Gemeindestrukturen. In anderen Regionen, die von paulinischer und lukanischer Tradition geprägt waren und die für die Zukunft bestimmend wurden, bildeten die Gemeinden Leitungsämter aus. Wann dieser Prozess genau begann, lässt sich nicht mehr feststellen; dokumentiert ist er in neutestamentlichen Schriften seit den neunziger Jahren, könnte aber schon ein Jahrzehnt (oder etwas mehr) vorher im Raum Westsyrien und Kleinasien angefangen haben. Spätestens seit den neunziger Jahren gab es in diesen Gemeinden Presbyter und Episkopen „als Hirten für die Gemeinde“ (Apg 20,28) oder als „Vorsteher“ (1 Tim 5,17). Woher kommen diese Ämter und ihre Bezeichnungen? Als in bestimmten Gemeinden erkannt wurde, dass Leitungsämter für das Funktionieren des kirchlichen Lebens notwendig wurden, hatte man für ihre Konzeption keine Anweisungen Jesu oder aus den früheren Generationen von Christen zur Verfügung. Deswegen orientierte man sich an der Struktur der Synagogengemeinden rund ums Mittelmeer, aus denen heraus das Christentum entstanden war. Die Synagogengemeinden aber wurden von einem Kreis von Presbytern (wörtlich: „die Älteren“ bzw. „Ältesten“) geleitet, die keinerlei priesterliche Funktionen hatten, aber die notwendigen Entscheidungen, auch für die Durchführung der Gottesdienste, trafen. Die „Ältesten“ waren angesehene Männer der Gemeinden, nicht unbedingt alle hochbetagt. Dieses Modell haben Christengemeinden zunehmend übernommen. Das bedeutet: die Anfänge eines kirchlichen Leitungsamtes brachten eine kollegiale Leitung durch angesehene Männer der Christengemeinden. Man kann annehmen, dass diese Presbyter – wenigstens zu einem großen Teil – die Leiter von Hausgemeinden waren, die sich dann aber mit ihren Kollegen für alle Christen einer Stadt trafen und Verantwortung übernahmen. Ebenso ist zu vermuten, dass mit dieser Übernahme des jüdischen Leitungsmodells, das als Presbyter nur Männer kannte, die bis dahin vielleicht noch mögliche Funktion von Frauen als „Mütter“ der Hausgemeinden zurückgedrängt wurde; von jetzt an wird das Leitungsamt eindeutig von Männern wahrgenommen. Diesen Übergang zum Presbytermodell bezeugt der (pseudonyme) Erste Petrusbrief (geschrieben gegen Ende des 1. Jahrhunderts), für den diese Struktur schon so selbstverständlich war, dass er rückwirkend selbst den (fiktiven) Petrus zum Presbyter macht: „Eure Ältesten ermahne ich (Petrus), da ich ein Ältester bin wie sie …“ (1 Petr 5,1; vgl. hierzu auch 1 Tim 5,12.19; 4,14). In der Apostelgeschichte und in den Pastoralbriefen wird neben dem Begriff Presbyter auch die Bezeichnung Episkopos („Aufseher“) erwähnt; beide Begriffe bezeichnen dasselbe und werden wechselweise gebraucht: „Ein Ältester soll unbescholten und nur einmal verheiratet sein … Denn ein Bischof muss unbescholten sein …“ (Tit 1,6.7; vgl. Apg 20,17.28). Diese Gleichsetzung gilt wohl auch für den Ersten Timotheusbrief, der von den Anforderungen an einen Episkopos spricht (1 Tim 3,1-7), resümierend dann noch einmal von den Presbytern, „die das Amt eines Vorstehers gut versehen“ (1 Tim 5,17; vgl. Vv. 17-22). Die Bezeichnung Episkopos hat sich – als anderer Begriff für Presbyteros – wohl deswegen eingebürgert, weil in den Gemeinden zunehmend die Zahl der „Heidenchristen“ anwuchs. Für „Griechen“ aber musste die Bezeichnung Presbyteros seltsam klingen, vor allem, wenn ein solcher vielleicht erst dreißig Jahre alt war. Deswegen war Episkopos, „Aufseher“, unmittelbarer verständlich, wurde auch für Leitungsämter in hellenistischen Stadtverwaltungen gebraucht. Bis zum Ende der neutestamentlichen Zeit ist also das neugeschaffene Leitungsamt in der Kirche, von Presbytern/Episkopen wahrgenommen, kollektiv strukturiert. Das bezeugt auch der Erste Klemensbrief, ein Brief der römischen Gemeinde an die in Korinth um das Jahr 97/98; auch in Rom und Korinth wurden die Gemeinden von Presbytern geleitet. Dieses kollektive Leitungsamt war noch nicht mit sazerdotalen Assoziationen verbunden, obwohl sich später das deutsche Wort Priester etymologisch von Presbyter herleitet. Wenn die Presbyter die damaligen Hausgemeinden leiteten, dann haben sie wohl auch den Vorsitz bei der Feier des „Herrenmahls“ innegehabt. Diese Gedächtnisfeier Jesu wurde aber erst in der nachneutestamentlichen Zeit mit alttestamentlichen Kultvorstellungen und auch mit Rastern vergleichbarer Gottesdienstfeiern der polytheistischen Umwelt und in Mysterienkulten interpretiert. Dies führte dazu, dass die Presbyter mehr und mehr zu „Priestern“ im üblichen religionsgeschichtlichen Sinn wurden. Die Übertragung des Presbyter-/Episkopenamts geschah, laut Erstem Timotheusbrief, durch die gemeinsame Handauflegung der (anderen) Presbyter (1 Tim 4,14; ebenso durch den [fiktiven] Paulus 1 Tim 1,6]). Die Handauflegung war in der Antike ein gängiger Akt der Amtsübertragung. Im Ersten Timotheusbrief hat diese noch keinen Beigeschmack einer „Weihe“. Die Ordination zu einem Amt wurde erst später, durch die Übernahme traditioneller Kultvorstellungen, zu einer „Weihe“, die dann auch konsequent allen möglichen „niederen“ Diensten (Lektoren, Kerzenträger, Küster usf.) gespendet wurde. In nachneutestamentlicher Zeit ging die Entwicklung des Amtes weiter. Schon Ignatius von Antiochien († 117) fühlte sich als Bischof, in etwa im heutigen Sinn, der über den Presbytern steht. Er ist der erste Zeuge für den sog. Monepiskopat, d.h. die Leitung einer Gemeinde durch einen Bischof: „Seid bestrebt, alles in Gottes Eintracht zu tun, wobei der Bischof an Gottes Stelle und die Presbyter an Stelle der Ratsversammlung der Apostel den Vorsitz führen und die mir besonders lieben Diakone mit dem Dienst Jesu Christi betraut sind ...“ (Ignatius, Ad Magnesios 6,1). Was war geschehen? Vermutlich ist diese Entwicklung zum Monepiskopat religionssoziologisch zwangsläufig gewesen. In Gremien schälen sich immer bald einzelne Mitglieder heraus, die am aktivsten sind und eine Art Sprecherrolle übernehmen. Völlig gleichberechtigte Mitglieder in Kollektiven gibt es nicht auf Dauer; auch Gremien brauchen eine Struktur. Ignatius ist Zeuge dieser Entwicklung, nicht nur für sich, sondern auch für viele Gemeinden in Kleinasien und Griechenland; er hat – wie Paulus – Briefe geschrieben, in deren ersten Zeilen er immer zunächst den Episkopos der Gemeinde grüßt; dort gab es also auch den Monepiskopat. Lediglich in seinem Brief an die Römer ist es anders; Rom hatte noch keinen Bischof. Von einem Monepiskopat kann in Rom wohl erst mit Beginn der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts gesprochen werden. Dieser Monepiskopat hat sich wohl als effektivste Struktur der Gemeinden erwiesen und setzte sich bis zum Ende des 2. Jahrhunderts in der ganzen Kirche durch. Seitdem gibt es das Leitungsamt zweigeteilt: es gibt den Monepiskopat und den Presbyterat, Bischöfe und „Priester“. Daneben gibt es seit altersher eine dritte Form, den Diakonat, der hier nicht thematisch war. Schon der Erste Klemensbrief bietet eine theologische Geschichte der Entstehung des kirchlichen Amtes: „Die Apostel empfingen die frohe Botschaft für uns vom Herrn Jesus Christus; Jesus, der Christus, wurde von Gott gesandt. Christus kommt also von Gott, und die Apostel kommen von Christus her; beides geschah demnach in schöner Ordnung nach Gottes Willen … So predigten sie (die Apostel) in Stadt und Land und setzten ihre Erstlinge nach vorhergegangener Prüfung im Geiste zu Bischöfen (gemeint: Presbyter) und Diakonen für die künftigen Gläubigen ein“ (1 Klem 42,1.2.4). Diese nachträgliche fromme Interpretation ist historisch falsch. Nichtsdestoweniger ist sie seitdem in die katholische Theologie eingegangen. Zwar finden sich noch im Mittelalter Theologen, die um die tatsächliche Entstehung des Monepiskopats aus dem kollegialen Prebyterat wissen. Aber kritische Stimmen dieser Art hatten keine Chance, weil die Amtsbegründung des Ersten Klemensbriefs zur Stabilisierung der rechtlichen Verhältnisse besser geeignet war. Heute wäre es an der Zeit, die traditionellen Strukturen von Leitungsämtern neu zu diskutieren. Das Wissen um die Geschichte des Amtes eröffnet für seine konkrete Ausgestaltung einen – theologischen – Freiraum. [1]Zu Beginn des Leidens Jesu kannten die Jünger noch nicht die Opferdeutung des Todes Jesu und glaubten, dieser bedeute ein Scheitern der ganzen Sache. [2]Ebensowenig wie die Beauftragung zu einem (Priester-) Amt lässt sich aus der Teilnehmergruppe ein Verbot des Priestertums der Frau ableiten. Nimmt man diese Angaben so wörtlich – es waren keine Frauen dabei –, müsste auch der Rest wörtlich verstanden werden: es waren keine Unbeschnittenen dabei; also gäbe es kein „Priestertum“ von Nichtjuden. [3]H.-J. Klauck, Gemeinde, Amt, Sakrament, Würzburg 1989, 17. |